Unbestritten ist die Tatsache, dass die Belastungen des Verteilnetzes steigen, wenn die Elektromobilität zunimmt. Unbestritten ist auch, dass sie sich durchsetzen wird. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, dass bis 2030 sechs Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen stehen und Strom tanken. Bei den Netzbetreibern und beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht man sogar von zehn Millionen Elektroautos aus.
250.000 Elektroautos problemlos integrieren
Das werden nicht nur Pkw sein, sondern vor allem in urbanen Räumen wird unter anderem der öffentliche Personenverkehr elektrifiziert, während in ländlichen Räumen der Individualverkehr elektrifiziert wird. So geht man in Berlin davon aus, dass neben mehr elektrisch angetriebenen Pkw auch die Busflotte nach und nach elektrifiziert wird, mit entsprechenden Herausforderungen für das Verteilnetz. „Dank der guten Grundstruktur unseres Verteilungsnetzes können wir aktuell bereits rund 250.000 Elektrofahrzeuge integrieren, ohne dass es zu einer Instabilität des Netzes käme“, erklärt Thomas Schäfer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Stromnetze Berlin. „Damit wir für den zu erwartenden Boom der Elektromobilität bis 2050 gerüstet sind, ist eine enge Zusammenarbeit von Infrastrukturbetreibern, Mobilitätsanbietern, Politik und öffentlicher Verwaltung notwendig, um die erforderlichen Leistungen und Infrastrukturen rechtzeitig bereitstellen zu können.“
Das Ladeverhalten testen
Den größten Anteil an Elektrofahrzeugen erwartet die Energiebranche in Baden-Württemberg. Dort werden etwa 20 Prozent der zehn Millionen Elektrofahrzeuge 2030 Strom aus dem Verteilnetz ziehen, und zwar teilweise mit sehr hoher Leistung. Für Netze BW ist deshalb die Elektromobilität ein zentraler Bestandteil der strategischen Planung. „Bei der sicheren Netzintegration der Elektromobilität verlassen wir uns nicht nur auf Prognoseinstrumente“, erklärt Martin Konermann, technischer Geschäftsführer der Netztochter von EnBW. „Wo Menschen beteiligt sind, tut man gut daran, sich die Dinge auch im wirklichen Leben anzuschauen.“
Deshalb testet Netze BW seit vergangenem Jahr in Ostfildern bei Stuttgart, wie sich die Elektromobilität auf die Beanspruchung des Netzes auswirkt und vor allem, wie und wann die Besitzer ihre Elektrofahrzeuge laden. Außerdem will Netze BW direkt in der Praxis die Möglichkeiten zur Optimierung der Netzstabilität testen. Dazu hat das Unternehmen zehn Haushalte in einer Straße mit Elektroautos und dazugehöriger Ladeinfrastruktur ausgestattet. „Unsere Erfahrungen aus der ‚E-Mobility-Allee‘ in Ostfildern zeigen, dass es gut ist, sich rechtzeitig um das Thema zu kümmern“, betont Martin Konermann. „Aber die Herausforderungen und Investitionen sind beherrschbar.“ In den nächsten Monaten will die Netze BW drei weitere Vor-Ort-Projekte aufsetzen – unter anderem in einem großen Wohnobjekt mit Tiefgarage.
Technologien und Lösungen sind vorhanden
Damit sind die Netzbetreiber und die Energiewirtschaft gut auf die Elektromobilität vorbereitet. Die technischen Voraussetzungen sind vorhanden. „Intelligentes Laden ist dabei technologisch der Schlüssel zum Erfolg, da auf diese Weise die erforderlichen Investitionen in das Verteilungsnetz optimiert werden“
, sagt Thomas Schäfer von Stromnetze Berlin mit Blick auf die Lösungen. Diese sehen unter anderem vor, dass die Ladevorgänge entsprechend der Netzbelastung gesteuert werden können. Dadurch können die Netzbetreiber Engpässen im Netz vorbeugen und den Netzausbau auf ein Minimum reduzieren. „Die Netzbetreiber haben vielfältige Instrumente entwickelt, um sich auf einen sprunghaften Anstieg der Elektroautos vorzubereiten“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Anreize für intelligentes Laden schaffen
Er fordert eine Debatte, wie man sie aus der Energiewende kennt, auch für die bevorstehenden Mobilitätswende. Denn neben den technischen Herausforderungen werden die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen kurzfristig entscheidende Einflüsse auf die Entwicklung der Mobilität nehmen. Der Ball liegt bei der Politik, die endlich die Voraussetzungen schaffen muss, dass die Lösungen, die die Netzbetreiber entwickelt haben, auch zum Einsatz kommen können. „Zuallererst muss dafür gesorgt werden, dass die privaten Ladeeinrichtungen die technische Fähigkeit für intelligentes Lademanagement aufweisen“, sagt Kapferer. „Hier kann die angekündigte Förderung für private Ladeinfrastruktur ein starker Hebel sein. Zudem sollten im Energiewirtschaftsgesetz stärkere Anreize geschaffen werden, damit Kunden sich am intelligenten Lademanagement auch wirklich beteiligen – reduzierte Netzentgelte reichen hierfür nicht aus.“
Ladesäulen schneller genehmigen
Außerdem fordert die Branche, dass endlich die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass jeder Mieter und Wohnungseigentümer eine Ladesäule errichten darf. Dazu müsse schleunigst das Miet- und Wohnungseigentumsrecht angepasst werden. Denn bisher müssen beispielsweise alle Wohnungseigentümer eines Mehrparteienhauses zustimmen, wenn eine Ladesäule installiert werden soll.
Auch für Gewerbetreibende und ihre Fahrzeugflotten müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass sie auf die Elektromobilität umsteigen und ihre Autos netzdienlich laden können. Die Branche fordert zudem, dass die Behörden die Prozesse für die Genehmigung privater Ladeinfrastruktur deutlich beschleunigen. Dazu schlägt sie vor allem die Vereinheitlichung der Genehmigungsprozesse und eine Verstärkung der Personaldecke vor.