Reichen 1,1 Cent pro Liter Benzin oder Diesel, um die CO2-Emissionen einer Autofahrt auszugleichen, wie der Energieriese Shell behauptet? Funktioniert der „green“ Tarif der Lufthansa, der Fluggästen ein gutes Gewissen trotz Flugscham verspricht?
Nein, meint die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und nominierte beide Unternehmen für den Schmähpries Goldener Geier. Bis zum 12. September 2022 kann nun abgestimmt werden: Wer erzählte die „dreisteste Umweltlüge des Jahres“? Neben Shell und Lufthansa stehen noch vier weitere Nominierte zur Wahl: die „Schummelplastiktüte“ der Supermarktkette Edeka, die Einweg-Plastikflaschen von Volvic, die „BetterM“-Kampagne von McDonald’s und der „Verpackungswahnsinn“ von HelloFresh.
1.200 Nominierte, sechs Finalisten
Ziel des zum 4. Mal ausgeschriebenen Schmähpreises ist der Kampf gegen Greenwashing – also Produkte und Unternehmen zu enttarnen, die Umweltfreundlichkeit versprechen, in Wahrheit aber Umweltsünder sind. Preisträger der vergangenen Jahre waren unter anderem der Energiekonzern RWE, Nestlé und Daimler.
In den vergangenen Wochen hat die DUH aus knapp 1.200 Nominierungen e die sechs Finalisten für den Schmähpreis ermittelt. Jede und jeder kann ab sofort mit nur wenigen Klicks abstimmen unter https://www.duh.de/goldenergeier/2022/. Wer ist Ihr Favorit?
„Klimaneutrales“ Tanken bei Shell
Klimaneutral auf deutschen Autobahnen rasen, egal wie hoch der Spritverbrauch ist. Denn Shell behauptet, dass Autofahrende für nur 1,1 Cent pro Liter getanktem Benzin oder Diesel die CO2-Emissionen der eigenen Fahrt ausgleichen können. Wie genau der klimaschädliche CO2-Ausstoß mit nur 1,1 Cent vollständig kompensiert werden soll, lässt das Unternehmen laut DUH offen.
Nach dieser Rechnung würden rund 225 Millionen Euro jährlich ausreichen, um ganz Deutschland sofort Benzin-klimaneutral zu machen, berechnete die DUH, obwohl real natürlich trotzdem mit jedem Auto-Kilometer das schädliche CO2 weiter in die Atmosphäre gelangt. Auch die Kostendimension stimme nicht: Legt man die vom Umweltbundesamt ermittelten Klimakosten einer Tonne CO2 zugrunde, ergibt sich für den gesamten Benzinverbrauch in Deutschland die tatsächliche Summe von rund 9,7 Milliarden Euro pro Jahr.
Schummel-Mehrwegtüte von Edeka
Seit Anfang des Jahres gilt in Deutschland ein Verbot für Plastiktüten, aber Edeka bietet die kurzlebigen Tüten weiter an: Die Supermarktkette nutzt ein Schlupfloch im Gesetz und hat seine Plastiktüten einfach um wenige Mikrometer dicker gemacht, also dem Bruchteil eines Haares – so fallen sie nicht mehr unter das Verbot, kritisiert die DUH.
Edeka vermarkte die Tüten zudem als „mehrfach verwendbar“ und wolle so den Eindruck einer Mehrweg-Tragetasche erzeugen. Diese Tüten sind laut DUH-Expertinnen und -Experten ebenso wenig für eine vielfache Wiederverwendung geeignet, wie die inzwischen verbotenen Modelle.
„CO2-neutrales“ Fliegen mit Lufthansa
Mit dem „green“ Tarif verspricht die Lufthansa CO2-neutrales Fliegen – gutes Gewissen inklusive, denn dadurch sollen Flugreisen keine negative CO2-Bilanz mehr aufweisen. Gelingen soll das vor allem durch CO2-Kompensationsprojekte sowie zum kleineren Teil durch den Einsatz „nachhaltiger“ Flugkraftstoffe (SAF).
Wirklich grüne Kraftstoffe, die die umweltschädliche Wirkung des Fliegens begrenzen könnten, stehen weder heute noch in absehbarer Zukunft in auch nur annähernd genügenden Mengen zur Verfügung, bemängelt die DUH. Wenn die Lufthansa ernsthaft klimafreundlicheres Reisen anbieten will, könne sie auf innerdeutsche Flüge verzichten und wie bereits vor dreißig Jahren Tickets für die Bahn, vielleicht sogar in Lufthansa-Zügen anbieten.
Einweg-Plastikflaschen von Volvic
Die Einweg-Plastikflaschen der Marke Volvic werden vom Lebensmittelhersteller Danone als umweltfreundlich beworben, weil sie aus 100 Prozent recyceltem PET bestehen sollen. Umweltfreundlich ist das jedoch nicht, urteilt die DUH, denn auch die Herstellung von Recyclingmaterial verschlingt Energie, Chemikalien und Ressourcen.
Viel ökologischer sei es, Wasser regional in bis zu 50 Mal wiederbefüllbaren Mehrwegflaschen anzubieten. Der Transportweg der Volvic-Flaschen (zum Beispiel bis zu 1.400 Kilometer nach Berlin ) sei darüber hinaus absolut unnötig – schließlich verfüge Deutschland über das größte Mehrwegsystem der Welt und über 150 regionale Mineralbrunnen, so die Umweltorganisation.
„BetterM“-Kampagne von McDonald’s
„Wir reden keinen Müll – wir machen einfach weniger“, behauptet McDonald’s. Der jährliche Berg aus Verpackungsmüll, den die Fast-Food-Kette verursacht, sei von 2016 bis 2019 deutlich gestiegen: um circa 6.000 Tonnen auf über 51.000 Tonnen, schreibt die DUH in ihrer Nominierungsbegründung. Einweg-Verpackungen durch solche aus anderen Materialien zu ersetzen, sei falsch, weil so weiterhin große Berge an Abfall anfielen. Abfall ließe sich am besten durch Mehrweg-Verpackungen vermeiden. Doch der Fast-Food-Riese klage stattdessen gegen kommunale Einweg-Steuern, in den 90er Jahren bereits in Kassel ebenso wie aktuell in Tübingen.
Verpackungswahnsinn von Hellofresh
Hellofresh wirbt für den mengengenauen Einkauf frischer Lebensmittel und will so Lebensmittelabfälle reduzieren. Dafür liefert HelloFresh die vielen Zutaten – bis hin zu Gewürzportionen – für die bestellten Speisen in umweltschädlichen und materialintensiven Kleinstverpackungen. Umweltfreundlicher sei der bedarfsgerechte und möglichst verpackungsfreie lokale Kauf der Lebensmittel, schlägt die DUH vor. Für mengengenaues Kochen braucht es keine Kleinstverpackungen. Hellofresh sorge derzeit vor allem für eines: Viel Einweg-Müll. (kw)
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