Bei den meisten Energieversorgern ist bisher die Energiewende noch nicht angekommen. Wenn sie sich denn doch schon mit dem Thema beschäftigen – oft sind dies die Stadtwerke – dann geht es meist darum, große Solar- oder Windparks zu errichten und den Strom an die Kunden zu vermarkten. Doch auch das kleinteilige Geschäft mit Solaranlagen für private Hausdächer kann ein gutes Geschäftsmodell sein. Zumindest stehen die Hausbesitzer und Interessenten an einer Photovoltaikanlage dem offen gegenüber. Dies hat eine Umfrage gezeigt, die das Bonner Marktforschungsinstitut EuPD Research unter 500 Hausbesitzern durchgeführt hat. Eines der zentralen Ergebnisse: Die meisten der Hausbesitzer würden sich eine stärkere Ansprache zum Thema Photovoltaik wünschen. Gleichzeitig sind die Stromversorger die meist gewünschte Informationsquelle zum Thema Photovoltaik. Die Photovoltaik sieht dabei der größte Teil der Befragten als Möglichkeit an, die Stromkosten zu senken, die Umwelt zu schonen und vor allem stärkere Unabhängigkeit vom Stromversorger zu erreichen. „Hier bietet sich den Energieversorgern die Möglichkeit, ihre Kunden als Partner in die gewünschte Unabhängigkeit zu begleiten“, fasst Inga Batton, Projektleiterin bei EuPD Research und Autorin der Studie, zusammen. „Dies kann gleichzeitig die Grundlage für künftige Kundenbeziehungen sein.“
Stadtwerke sind gewünschte Informationsquelle
In ihrer Studie haben die Bonner Marktforscher um Inga Batton die Befragte in vier Gruppen unterteilt. Neben den Besitzern von Photovoltaikanlagen und solchen Hauseigentümern, die eine Installation schon planen, wurden auch Hausbesitzer befragt, die der Photovoltaik ablehnend gegenüber stehen. Als vierte Kategorie haben die Bonner Analysten auch die Hausbesitzer befragt, die bisher noch unentschlossen sind, ob sie sich eine Photovoltaikanlage anschaffen wollen oder nicht. Die fünfte Kategorie bilden diejenigen Hausbesitzer, die bisher noch keinen Kontakt zur Photovoltaik hatten. Je nach Kategorie wurden die Stromversorger in 41 bis 52 Prozent der Fälle als der eigene Energieversorger als gewünschte Informationsquelle zum Thema Photovoltaik genannt. „In allen Gruppen außer bei Planern wird der Energieversorger vorwiegend als ‚teilweise hilfreiche Informationsquelle‘ empfunden“, erklärt Inga Batton. „Planer empfinden Energieversorger als Informationsquelle zu 33 Prozent als ‚recht hilfreich‘.“ Das zeigt, dass die Hausbesitzer auch die Informationen der Energieversorger zum Thema Photovoltaik als durchaus nützlich empfinden.
Versorger bieten noch zu selten an
Doch bisher haben die Versorger darauf nicht reagiert. Denn nur in zwei bis sieben Prozent der Fälle gaben die Befragten an, dass ihr Stromanbieter sie auf das Thema Photovoltaik aufmerksam gemacht hat. Das ist um so sträflicher, da die Befragten, die bereits über eine eigene Photovoltaikanlage nachdenken, also die potenziellen Kunden sind, neben günstigeren Angeboten vor allem transparente und belastbare Informationen wollen. Diese „Unentschlossenen“ suchen ihre Informationen zudem überwiegend im Internet, wie die Befragung von EuPD Research ergeben hat.
Dabei sind die Möglichkeiten längst da. So hat unter anderem die Stadtwerke-Kooperation Trianel oder der Dienstleister Greenergetic mit Sitz in Bielefeld Angebote erstellt, mit dem die Versorger entsprechende Informationen auf ihre Internetseite stellen und darüber auch gleich die Anlagen vertreiben können.
50 Anlagen in 15 Monaten
Dass dies durchaus funktioniert, zeigt das Beispiel des regionalen Energieversorgers E-Werk Mittelbaden, der innerhalb von 15 Monaten immerhin 50 Photovoltaikanlagen über das Tool von Trianel verkauft hat. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, betont Ulrich Kleine, Vorstand von E-Werk Mittelbaden. Seit Mai 2014 bietet der Regionalversorger aus dem Südwesten der Bundesrepublik seinen Kunden kleine Dachanlagen inklusive einem Servicekomplettpaket an. Er hat damit sein Dienstleistungsgeschäft ausgebaut. Zwar verliert er damit die Hausbesitzer teilweise als Stromkunden. Denn diese nutzen den auf dem eigenen Hausdach produzierten Solarstrom zu einem großen Teil selbst. Doch bindet der Versorger diese Kunden gleichzeitig über das Serviceangebot mit den Photovoltaikanlagen. Diese ‚Winning-by-losing-Strategie, wie es die Analysten von EuPD Research nennen, klingt zwar erst einmal absurd, geht aber offensichtlich auf, wie das Beispiel der E-Werke Mittelbaden zeigt.
Vertriebsstrukturen auslagern
Die Angebote von Trianel und Greenergetic sind dabei hilfreich für die Versorger, die bisher noch keine Vertriebsstrukturen für Photovoltaikanlagen haben. Diese aufzubauen, kostet viel Zeit und Geld. Mit den Tools der Stadtwerke-Kooperation oder des Bielefelder Dienstleisters sparen sie sich beides. Denn sowohl die Planung als auch die Installation der Anlage können sie komplett auslagern. Dies übernimmt dann Trianel oder Greenergetic. Auch den Service übernehmen die beiden Anbieter, wenn dies die Stadtwerke oder Regionalversorger nicht selbst machen wollen. „Der Erfolg von E-Werk Mittelbaden mit unserem Energiedach-Angebot freut uns sehr“, sagt Michel Nicolai, Leiter Dezentrale Erzeugung bei Trianel. „Als einer der ersten Kunden für unsere White-Label-Lösung hat E-Werk Mittelbaden uns wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung des Produkts und besonders für T-PED gegeben.“ T-PED ist das Vertriebstool von Trianel, über das die Versorger ihren Kunden nicht nur Photovoltaikanlagen, sondern auch Gas-Brennwertthermen und Ladesäulen für Elektroautos anbieten können. „Die Mitarbeiter von E-Werk Mittelbaden haben das Produkt aktiv beworben und alle Optionen des Gesamtkonzeptes EnergieDach sehr gut umgesetzt“, lobt Nicolai. „Dieses Ergebnis zeigt, dass E-Werk Mittelbaden auch die Chancen für Photovoltaik-Pachtmodelle bei unterschiedlichen Zielgruppen erkannt hat und erfolgreich umsetzt.“
Anlagenmiete steht hoch im Kurs
Denn dies ist einer der Vorteile der Vertriebstools sowohl von Trianel als auch von Greenergetic: Die Kunden müssen die Anlagen nicht zwangsläufig kaufen, sondern können sie auch mieten. Dass dies vor allem bei Interessenten an einer Solaranlagen eine bevorzugte Möglichkeit ist, zeigt die Umfrage von EuPD Research. „Fast die Hälfte der Planer und rund 40 Prozent der Unentschlossenen können sich eine gemietete Photovoltaikanlage gut vorstellen“, weiß Inga Batton von EuPD Research. „Ähnlich verhält es mit den Batteriespeichern. Jeweils etwa die Hälfte der Planer und Besitzer von Photovoltaikanlagen könnten sich vorstellen, einen Speicher zu mieten.“ Diejenigen Hausbesitzer, die die Installation einer Solaranlage auf ihrem Dach planen, stehen sogar sogenannten Quartierspeichern offen gegenüber. Dabei werden werden nicht kleine Speicher in die Keller der Häuser installiert, sondern ein Großspeicher aufgebaut, auf den alle Besitzer von Solaranlagen in der Nachbarschaft zugreifen können. Solchen Möglichkeiten stehen die Besitzer von Solaranlagen skeptisch gegenüber.
Die Ergebnisse der Bonner Marktforscher zeigt: Das Geschäft mit den Photovoltaikanlagen kann für die Stadtwerke sehr gut funktionieren. Sie müssen nur den Einstieg finden, der offensichtlich weder technisch noch administrativ ein riesige Hürde ist. Die Kunden der Stadtwerke sind zumindest daran interessiert, dass sie von ihrem Versorger abgeholt werden. So verlieren die Stadtwerke diese Hausbesitzer nicht als Kunden, sondern behalten sie durch andere Angebote. (Sven Ullrich)