Die Photovoltaik wird in den kommenden Jahren in den meisten Ländern der Erde die Produktionskosten von Kohlestrom unterbieten. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Analyse von Bloomberg New Energy Finance mit Sitz in London. Die Analysten gehen vom derzeitigen Preislevel aus und prognostizieren auf der Basis der kommenden weiteren Steigerung des Absatzes und damit auch der Produktion von Solaranlagen, dass spätestens 2025 die weltweit durchschnittlichen Gestehungskosten von Solarstrom aus größeren Photovoltaikkraftwerken unter denen liegen, zu denen derzeit laufende Kohlekraftwerke ihren Strom erzeugen.
Preise sinken weiter
Sie verweisen dabei auf die bisher sehr steil verlaufende Lernkurve in der Photovoltaikbranche. In den vergangenen acht Jahren sanken die Preise für Solarstrom um 62 Prozent. Mit jeder Verdopplung der installierten Leistung, sinken sie jeweils um weiter 20 Prozent, wie Adnan Amin, Generalsekretär der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena), vorrechnet. Ausgehend von den Zubauprognosen der kommenden Jahre und der immer weiter ansteigenden Investitionen in Ökostromanlagen werden die Preise für Solarstrom aus neuen Photovoltaikanlagen bis 2025 um weitere 43 bis 65 Prozent fallen. Dann wäre es dann in neun Jahren so weit, dass neue Photovoltaikanlagen selbst angeschriebene Kohlekraftwerke preislich unterbieten. Die von neuen Kohlekraftwerken hat die Photovoltaik schon längst geschlagen.
Selbst billige Kohlemeiler bis 2035 preislich unterbieten
Die alten Meiler können nur wirtschaftlich arbeiten, weil die Investitionskosten längst aus der Bilanz gefallen sind und nur noch Brennstoffkosten eingepreist werden müssen. Doch die Kosten für den Kohlestrom steigen in den kommenden Jahren kontinuierlich an. Der Effekt der gesunkenen Brennstoffkosten aufgrund der geringeren Nachfrage wird sich in Kürze relativieren. Dazu kommen noch die Kosten für die Zertifikate zum Ausstoß von Treibhausgasen, die ebenfalls in die durchschnittlichen Gestehungskosten für Kohlestrom enthalten sind.
Letztere sind für den unterschiedlichen Verlauf der zukünftigen Preisentwicklung verantwortlich. Deshalb werden zuerst die Photovoltaikanlagen in Europa auch mit der im Vergleich zu den Ländern im Sonnengürtel geringeren Sonneneinstrahlung den Strom zuerst billiger als die dortigen schon laufenden Kohlekraftwerke produzieren. Eine ähnliche Entwicklung erwarten die Analysten auf in Brasilien. Die Solarbranche in Ländern, in denen der Kohlestrom aufgrund der geringen Umweltauflagen noch billiger produziert werden kann, wie in China oder Indien, wird noch etwas länger warten müssen, bis der Photovoltaikstrom den aus den Kohlekraftwerken unterbietet. Doch selbst in diesen Ländern erwarten die Analysten, dass zwischen 2030 und 2035 die Solarstrompreise unter denen der alten Kohlekraftwerke liegen.
Speicher werden immer wirtschaftlicher
Die Marktforscher wissen auch um die Argumente der alten Energiewirtschaft, dass die Kohlekraft weitgehend bedarfsgerecht bereitgestellt werden kann – zumindest in einem System, in dem sie den Energiemix bestimmt. Muss das System flexibler ausgeregelt werden, weil viele volatile Stromerzeuger im Netz sind, versagen die Kohlekraftwerke aufgrund ihrer Trägheit. Dann werden ohnehin flexiblere Speicher oder zumindest Gaskraftwerke notwendig, die die Netze stabil halten. Doch selbst die Tatsache, dass dann Ökostrom eingespeichert werden muss, um ihn für Stunden zur Verfügung zu stellen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – die Betonung liegt dabei auf dem Wort „und“ – wird der Solarstrom den Kohlestrom preislich unterbieten können.
Schließlich erwarten die Analysten nicht nur einen Preisrückgang bei der Photovoltaik, sondern auch bei Speichern. Basierend auf einer Analyse des World Economic Forums können diese so weit sinken, dass das Zusammenspiel aus Speichern, Photovoltaik- und Windkraftanlagen nicht nur in der Lage ist, die Energieversorgung komplett zu übernehmen, sondern dies auch zu einem Preis zu tun, der unter dem der heute dominierenden Erzeugungstechnologien Kohle- und Atomkraft liegt. So gibt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) an, dass zwischen 2010 und 2015 die durchschnittlichen Preise für Stromspeicher von 1.000 auf 350 Dollar pro Kilowattstunde Kapazität gefallen sind. Die Experten erwarten weitere Preissenkungen, wenn der Markt für Elektroautos Fahrt aufnimmt und die Batterieproduktion ausgeweitet und entsprechend aufgrund der Skalierungseffekte preiswerter wird. Dazu kommen noch die Kostensenkungen aufgrund der technologischen Fortschritte. (Sven Ullrich)