Jürgen Trittin jedenfalls zeigt sich optimistisch. Er gehe davon aus, dass es sich jetzt für die Regenerativbranche wieder positiv entwickelt. Er steht auf dem Holzsteg am Ufer der Spree in Berlin, wo wie im vergangenen Jahr das Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energie stattfindet. Trittin hat allen Grund zur Freude, kann seine Partei, Die Grünen, doch endlich dort weitermachen, wo er als Umweltminister in Rot-Grüner Koalition mit Gerhard Schröder 2005 den Staffelstab an Schwarz-Rot abgeben musste. 2009 unter Schwarz-Gelb verschwanden dann gänzlich alle Grünen-Ideale. Aber das kann man jetzt einmal ausblenden. Oder…
Nicht ganz. Im Saal hat Robert Habeck gerade seine Rede vor rund 1.500 Gästen gehalten. „In den letzten 15 Monaten haben wir das angegangen, was in den vergangenen 16 Jahren versäumt wurde“, soviel musste der Klimaminister dann doch mal eben loswerden zum Thema Vorgängerregierungen. Dafür gab es natürlich Applaus von einem Publikum, das er selten hat. „Hier liegt der Zuspruch zu erneuerbaren Energien wahrscheinlich bei 100 Prozent“, so Habeck, gefolgt von zustimmenden Rufen, Gelächter, Klatschen. Solch ein einheitlich positives Publikum hat er selten, vielleicht hat er es für einen Moment genossen. Dann fügt er an: „Diese 100-prozentige Zustimmung ist aber nichts wert, wenn wir außerhalb dieses Kreises 100 Prozent Ablehnung haben. In Demokratien müssen Entscheidungen mehrheitsfähig sein.“ Damit lenkte er die Rede in Richtung des großen Heizungsstreits der vergangenen Wochen, der noch nicht abgeschlossen ist, wie sich gerade zeigte. Es sei ein falsches Freiheitsverständnis, so Habeck, wenn jeder nur an sich selbst denkt. Freiheit im Sinne von: Ich will mir meine Heizung selbst aussuchen, auch wenn sie klimaschädlich ist. Die USA lassen grüßen. Die Wärmepumpe sei die neue Corona-Maske, ein vermeintliches Symbol für die Einschränkung von Freiheit.
Zunächst betonte Habeck aber, dass Beschlüsse und Realitäten auf einander angepasst werden müssten. Tatsächlich hat die alte Bundesregierung oft Ziele genannt, die teilweise aus Brüssel kamen, aber die Wege dorthin gab es nicht. Derzeit sei man dabei, sich von der Last der Vergangenheit zu befreien. Mit anderen Worten: Hürden abbauen und funktionsfähige Wege zum Klimaziel aufzubauen. Noch mehr Geschwindigkeit bei Gesetzen sei „nicht in meinem Laden“ machbar, gestand er. „Nicht in der Bundesregierung.“ Glaubwürdig. Selbst Planer seien an ihn herangetreten und hätten gesagt, sie müssten die Anpassungen erstmal verarbeiten. Die Solarbranche werde wohl in diesem Jahr erstmal einen zweistelligen Gigawatt-Zubau erreichen. Wind habe gute Zahl und die Dynamik sei da. In dem Zusammenhang erwähnte er die Diskussion über die Transport von Komponenten. Spezialtransporten mit Rotorblättern werden von Polizei begleitet. Allein das bedeutet beim heutigen Personalmangel schon eine enorme Verzögerung. Hinzu kommt aber noch, dass die Polizei-Teams an den Bundesländergrenzen wechseln. „Ich habe die Besorgnis, dass die Produktion nicht mithält“, so Habeck allgemein zu dem Thema Geschwindigkeit. „Wir kriegen jetzt vier Gigawatt Wind auf die Straße, das ist gut, aber es müssen zehn werden.“ 13.000 Windräder würden in den nächsten Jahren zum Repowering in Frage kommen. Ein Zubau etwa der gleichen Anzahl an modernen, neuen Turbinen würde laut Habeck ausreichen für die Energiewende. Natürlich dann viel größere, leistungsstärkere Anlagen, aber der Hinweis soll helfen für die Vorstellung von einem künftigen Windstandort Deutschland.
BEE-Präsidentin Simone Peter erklärte in ihrer Eröffnungsrede, die globalen Investitionen in Solar seien inzwischen größer als die in fossile Energien. Und in Deutschland seien die Investitionen in Erneuerbare derzeit größer als in China. Und eine weitere positive Botschaft, für die es viel Applaus gab: „In den letzten Tagen hatten wir mehrfach über 100 Prozent erneuerbare Energien am Netz.“ Erneuerbaren werden entsprechend auch öfter abgeregelt, dafür dürfe es keine Pönalen geben. Negative Börsenstrompreise, etwa. Sie verwies auch nochmal auf die negativen Auswirkungen der Erlösabschöpfung, die nur 20 Mio. Euro gebracht, aber viel Unsicherheit erzeugt haben.
Nach den jüngsten Zahlen der Internationalen Energieagentur haben neu installierte Solar-PV- und Windkapazitäten den Verbraucher:innen in der EU in den Jahren 2021 bis 2023 Einsparungen in Höhe von 100 Milliarden Euro beschert. Strom-Großhandelspreise wären ohne Erneuerbare in der EU letztes Jahr um 8 Prozent höher gewesen. „Unter dem Dach des BEE steht die Erneuerbaren Branche als große Gemeinschaft bereit, die Ziele der Bundesregierung umzusetzen. Die fossile Versorgungs- und Kostenkrise und die sich weiter zuspitzende Klimakrise machen den schnellen Umbau der Energiewirtschaft hin zu einem bürgernahen, flexibel steuerbaren und intelligenten Erneuerbaren Energiesystem nötig. Hierzu sind bereits eine Reihe von Maßnahmen in den letzten Monaten auf den Weg gebracht worden, jetzt geht es darum, das Stromsystem auf die Bedürfnisse des gesamten Erneuerbaren-Energie-Mixes auszurichten, klimafreundliche Flexibilität inklusive Speicher und Sektorenkopplung anzureizen und den Wärme-, Mobilitäts- und Industriesektor zur Klimaneutralität zu bringen. Mit der Unterstützung der heimischen Produktion werden auch die heimischen Wertschöpfungsstufen gestärkt. Wir sind zuversichtlich, dass die Energiewende so gelingt“, so Peter.
Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, erklärte in ihrem Vortrag: „Die Verbraucher:innen sind der Schlüssel zur Energiewende. Nur mit ihnen gemeinsam kann Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Deshalb müssen die Menschen bei der Energiewende stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Viel zu oft scheitern Verbraucher:innen bisher an bürokratischen Hürden, sei es bei Mieterstromprojekten oder bei Balkonsolargeräten. Deswegen ist es gut, dass die Bundesregierung mit dem geplanten Solarpaket 1 die aktive Teilhabe der Verbraucher:innen stärken will. Der bundesweite Ausbau der erneuerbaren Energien muss langfristig für günstige und stabile Strompreise sorgen. Das steigert die Akzeptanz der Energiewende und motiviert die Menschen zu mehr klimafreundlichem Verhalten.“