Die großen Energieversorger scharren mit den Hufen, auch in Deutschland: Technisch ist es in der Regel machbar, Holzpellets in Kohlekraftwerken mitzuverfeuern und dadurch einen Teil des fossilen Brennstoffs durch Biobrennstoff zu ersetzen. Die Presslinge werden so wie Kohle aufgemahlen und dann in den großen Kesseln verbrannt. Die Energieversorger können darüber die Kohlendioxidemissionen ihrer Stromproduktion in den Kohlemeilern senken – was in Zukunft noch mehr Bedeutung gewinnen wird, wenn der Preis für Kohlendioxidzertifikate steigt, was viele erwarten.
Zement für die Fossilen
Außerdem zeichnet sich ab, dass in mehr und mehr Ländern Europas der Biostrom aus den Kohlekraftwerken vergütet, was zum Teil auch darauf zurückzuführen ist, dass das Co-Firing als Teil der nationalen Senkungsstrategie der Kohlendioxidemissionen begriffen wird. Nicht zuletzt ist es für die fossilen Kraftwerke ein enormer Imagegewinn in einer für sie schwierigen Zeit, wo von der Energiewende zu Erneuerbaren Energien hin gesprochen wird und Atom, Kohle und Co. kritisch gesehen werden. Durch das Co-Firing werden die alten Meiler ökologisiert. Und plötzlich können sie einen Beitrag zum Klimaschutz beitragen – allerdings würde das auch alte Energieerzeugungsstrukturen ins neue Zeitalter hineinzementieren. Doch der Wirkungsgrad der zentralen Großkraftwerke wird auch bei Einsatz von Holzpellets nicht besser. So dass der Mangel an Energieeffizienz auch beim Einsatz von Ökobrennstoffen zur Stromerzeugung bestehen bleibt. Genau genommen sogar erst recht wichtig macht: Denn eine effiziente Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung wird immer wichtiger werden, je mehr davon gebraucht wird und sich Ressourcen verknappen.
Begehrte Grünware
Derzeit haben sich insbesondere die Niederlande und Belgien sowie, mit deutlichem Drang nach oben, Großbritannien als die Kernländer des Holzpellets-Co-Firing in Europa herausgeschält, außerdem Dänemark. Die Energieversorger Essent (Niederlande), Electrabel (Belgien), Drax (Großbritannien) und Dong (Dänemark) verfeuern derzeit geschätzt mindestens 5 Millionen Tonnen Holzpellets pro Jahr – etwa die Hälfte der Weltproduktion. Experten gehen davon aus, dass sich selbst bei konservativer Annahme dieser Wert bis 2020 mindestens verzehnfacht. Seit geraumer Zeit betreiben auch deutsche Energiekonzerne Co-Firing, allerdings im Ausland: RWE beispielsweise durch seine Übernahme von Essent. In Großbritannien stellt RWE derzeit das Kohlekraftwerk Tilbury, östlich von London an der Themse gelegen, auf Biomasse um. Die Stromfabrik hat eine elektrische Leistung von 750 Megawatt. Der Umbau soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Tilbury wird das größte Biomassekraftwerk der Welt. RWE ist aktuell der größte Einzelkonsument von Holzpellets auf der Welt.
Kein Co-Firing in Deutschland
Deutschland hingegen hat bislang kein Co-Firing entwickelt. Die Energieversorger zeigen großes Interesse, doch lässt sich das nicht wirtschaftlich darstellen. Die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien zu vergüten ist hierzulande Sache des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Doch das EEG vergütet EEG-Strom nur in Anlagen bis maximal 20 Megawatt elektrische Leistung.
7 Millionen Tonnen für 10 Prozent
Nun stellt die Dena in einer Studie vor, dass in Deutschland Holzpellets perspektivisch und anlagentechnisch bis zu 50 Prozent Kohle in Kohlekraftwerken ersetzen könnten. Um allein einen 10-prozentigen Co-Firing-Anteil in deutschen Steinkohlekraftwerken zu erreichen, bedarf es dazu 7 Millionen Tonnen Holzpellets. „Diesen Bedarf könnte Deutschland durch einen Mix aus heimischer und importierter Biomasse decken“, schreiben die Autoren. Kein Wunder, denn die deutsche Holzpelletproduktion liegt derzeit bei rund 1,7 Millionen Tonnen und die Kapazität bei etwa 2,7 Millionen Tonnen. „Um Nutzungskonkurrenzen zu vermeiden, sollten insbesondere die globalen Holzpotenziale erschlossen werden“, schreiben die Autoren. Das ist insofern auch sinnvoll, da Deutschlands Pelletproduzenten praktisch derzeit noch kaum reine Industriepellets herstellen, die allein für Kraftwerkszwecke vorgesehen sind.
Ohne Zuschuss geht nichts
Damit in Deutschland das Co-Firing wirtschaftlich wird, sieht die Studie folgerichtig einen Förderbedarf für aus Co-Firing erzeugten Strom in Kohlekraftwerken. Denn als Mehrkosten im Vergleich zu Kohle schlagen zum Beispiel die höheren Brennstoff- und die Umstellungskosten der Kraftwerke auf Biomasse zu Buche. Auf der Haben-Seite stehen die Einsparungen von Kosten für Kohlendioxidzertifikate, die die Mehrkosten aber nicht ausgleichen. Folglich ist die notwendige Höhe auch abhängig vom Preis für Kohlendioxidzertifikate. Je höher der Preis für die Zertifikate, desto niedriger der Bedarf an Förderung. Für ein zehnprozentiges Co-Firing müsste sich je nach Preisszenario die Förderhöhe im Jahr 2015 zwischen 3 und 4,5 Cent pro Kilowattstunde Strom aus Biomasse bewegen, heißt es in der Studie (s. Grafik).
Wem hilft die CO2-Rechnung
Das Kohlendioxideinsparpotenzial, das darüber gewonnen würde, läge laut Studie über Stein- und Braunkohlekraftwerke insgesamt betrachtet bei 30 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent, bei einem Co-Firing von 10 Prozent. Damit würden etwa 10 Prozent der aktuellen Kohlendioxidemissionen der deutschen Kohlestromproduktion vermieden: Diese beläuft sich auf rund 310 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent jährlich. Bei einem Anteil von 50 Prozent Mitverbrennung stiege die Einsparung auf rund 140 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent, also fast 50 Prozent Einsparung der heute zu konstatierenden Gesamtemissionen.
Das Einsparprinzip folgt einer Logik des bestmöglich schlechten Wirkungsgrads, die besagt: Je schlechter der Wirkungsgrad eines Kraftwerks, desto höher die Kohlendioxideinsparungen im Falle eines Ersatzes durch einen Brennstoff, der als kohlendioxidneutral angesehen wird. Umgekehrt bedeutet dies auch, dass vergleichsweise effiziente Kohlekraftwerke im Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb den geringsten Anteil an den Kohlendioxideinsparungen beitragen, wenn auch sie Kohle durch Biomasse substituieren. Die starke Betonung von Kohlendioxideinsparpotenzialen erscheint somit zumindest etwas befremdlich. Denn durch sie werden Großkraftwerke mit schlechten Wirkungsgraden plötzlich als große Klimaschutzbeitrager dargestellt, wenn man sie nur umstellt. Nicht in Frage gestellt und elegant übergangen dadurch allerdings, dass man ineffiziente Anlagen, die oft Wirkungsgrade zwischen 30 bis vielleicht 45 Prozent aufweisen, im Zuge der Energiewende mittelfristig vielleicht besser abstellen sollte.
Wo alles her kommen soll
Allerdings stellt sich auch die Frage, woher die Holzpotenziale für diese enorme Pelletnachfrage global denn kommen sollen. Denn natürlich existieren auch in den anderen europäischen Ländern Überlegungen, das Co-Firing mit Holzpellets in Kohlekraftwerken auszuweiten. Die Studie gibt darauf eine Antwort: KUP. Über die Anlage von so genannten Kurzumtriebsplantagen (KUP), also schnell wachsenden Baumarten, böte sich ein großes Potenzial. Die Studie gibt das Holzpotenzial in Form von Terrawattstunden (TWh) an – über KUP im Jahr 2050 zwischen konservativem Szenario und Optimum-Szenario etwa 20.000 bis zu rund 220.000 TWh wären möglich. Zum Vergleich: Würde sich der Energieverbrauch aus Holznutzung in Deutschland im Jahr 2020 gegenüber heute verdoppelt haben, würde er sich auf 240 TWh belaufen, heißt es in der Studie. Allerdings stelle der Ausbau von KUP weltweit ein mit großen Unsicherheiten behaftetes Potenzial dar, liest sich auch in der Studie. Und mit Co-Firing wäre der Bedarf in Deutschland ungleich höher.
Kritiker warnen vor allzu optimistischen Verfügbarkeitsszenarien von holzartiger Biomasse zu energetischen Zwecken. Der Forstexperte Professor Udo Mantau von der Universität Hamburg konstatierte auf dem Industrieforum Pellets in Stuttgart vergangene Woche während einer Podiumsdiskussion eine Schieflage zwischen Nachfrage und Angebot. Dem Ausbau des Angebots würde nicht so große Aufmerksamkeit geschenkt wie der immer wieder proklamierten und in Aussicht gestellten Nachfrage. Außerdem sind Energieversorger nicht die einzigen, die Holz als Rohstoff für sich entdecken. Mantau prophezeit Holz zum Beispiel eine wachsende Bedeutung in der Industrie als Ersatzstoff. (Dittmar Koop)
Die Dena-Studie zum nachlesen als pdf-Download.