Schon von 2008 bis 2014 haben demnach die Zusatzgewinne der großen Energieverbraucher alleine aus den 19 potenziell wirtschaftsstärkeren OECD-Mitgliedern unter den EU-Ländern die 20-Milliarden-Euro-Marke übertroffen. Die Studie aus den Niederlanden, auf die sich der Bund der Energieverbraucher bezieht, hat die Daten aus 15 für das europäische Emissionshandelssystem ETS relevanten Branchen ausgewertet. Sie beschränkte sich offenbar auf alle OECD-Staaten in der EU mit Ausnahme Luxemburgs. Nicht in der Bewertung waren ansonsten die Industrien in Bulgarien, Estland, Luxemburg, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien, Zypern.
Hauptprofiteure des ETS-Systems und seiner Begünstigung großer europäischer Industrieunternehmen sind aber die deutschen Großfirmen. Hierzulande haben die Industriebetriebe offenbar 4,8 Milliarden Euro in dem betrachteten Sieben-Jahres-Zeitraum eingestrichen, weil das ETS-System ein profitables Geschäftemachen mit Emissionshandelszertifikaten erlaubt. Dabei ging es auch unter den deutschen Profiteuren sehr ungleich zu: Hauptprofiteure waren die beiden Stahlkonzerne Thyssen-Krupp und Arcelor-Mittal mit jeweils mindestens 1,6 und 1,2 Milliarden Euro.
Drei legale Methoden für Windfall-Profite
Die Profite streichen die Unternehmen auf drei Wegen ein: Die Staaten durften Unmengen an Emissionsrechte-Zertifikaten auch kostenlos verteilen. Die europäischen Konzerne bekamen in ihrer Gesamtheit sogar mehr als sie brauchten und verkauften so viele überflüssige kostenlose ETS-Papiere, dass der Windfall-Profit hieraus bis 2014 auf acht Milliarden Euro anwuchs. Außerdem konnten sie weitere EU-Emissions-Zertifikate verkaufen, nachdem sie diese durch günstigere Zertifikate ersetzten, die sie im Rahmen des Förderprogramms der Vereinten Nationen (UN) für UN-Klimaschutzprojekte erhielten – des sogenannten Clean Development Mechanism zum Beispiel. Und schließlich gelang es ihnen, ihre für die eigenen Emissionen eingesetzten kostenlosen Zertifikate zu den offiziellen ETS-Zertifikatspreisen als Produktionskosten zu berechnen. Das heißt: Ihnen gelang es, diese nur fiktiven Emissionshandels-Kosten auf die Preise ihrer Produkte aufzuschlagen, obwohl sie anders als ihre nicht kostenlos mit Zertifikaten versorgte Konkurrenz für die ETS-Papiere nichts bezahlt hatten. Dieser Effekt schlug alleine mit möglicherweise 15,3 Milliarden Euro zu Buche, urteilt die Studie.
Der Bundesverband der Energieverbraucher monierte in diesem Zusammenhang, dass das Bundeskartellamt dem deutschen Energiekonzern RWE schon 2006 die Strompreiserhöhung um den Marktwert der kostenlos erhaltenen Zertifikate untersagt habe. Nach der Pensionierung des damaligen Präsidenten des Kartellamts Ulf Böge sei das Verfahren im Jahr 2007 aber eingestellt worden. Insgesamt seien in den vergangenen sieben Jahren ETS-Papiere im Wert von 137 Milliarden Euro kostenlos an die energieintensive Industrie ausgegeben worden.
Studie für Umweltorganisation Carbon Market Watch
„Die Ergebnisse der mehr als 80-seitigen Analyse zeigen deutlich, dass die Gefahr des Carbon Leakage nicht besteht“, urteilt die Energieverbraucher-Lobbyorganisation. Gemeint ist das so bezeichnete Drohszenario der Großindustrie, wonach sie unter dem Druck eines Luftverschmutzungsrechte-Handelssystems zum Auswandern in andere Regionen außerhalb Europas gezwungen sein würden. Mit dieser Drohung hatte die Industrie die EU wohl erfolgreich bewogen, ihr die Sonderrechte kostenloser Zertifikate einzuräumen.
Die Studie aus den Niederlanden war Mitte März veröffentlicht worden. Sie stammt vom Institut CE in Delft, die im Auftrag der Umweltorganisation Carbon Market Watch tätig wurde.
(Tilman Weber)
Die vollständige Studie unter www.cedelft.eu .