Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) fordert Nachbesserungen bei den von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Systemintegration von Photovoltaikanlagen. Denn mit der von der Bundesregierung vorgelegten Wachstumsinitiaitve sollen in Zukunft auch Betreiber von kleineren Solaranlagen ihren überschüssigen Strom selbst vermarkten.
Konkret soll die Pflicht zur Direktvermarktung von Sonnenstrom in drei Jahresstufen von derzeit 100 Kilowatt Anlagenleistung auf 25 Kilowatt abgesenkt werden – beginnend zum 1. Januar 2025. In welchen Stufen dies genau geschehen soll, bleibt unklar. Damit verfolgt die Bundesregierung das Ziel, in Zukunft Stromspitzen und damit negative Strompreise zu vermeiden. Dies ist zwar ein sinnvoller Ansatz. Doch hapert es gleich an mehreren Stellen.
Erst Digitalisierung dann Direktvermarktung
So kritisiert der BSW Solar, dass dieses Ansinnen in der Regel weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar ist. Denn die Prozesse zwischen Direktvermarktern und den mehr als 800 Netzbetreibern seien in aller Regel nur unzureichend digitalisiert und der Rollout von intelligenten Messsystemen verlaufe bislang nur schleppend. „Die aus einem kleinteiligen Vermarktungs- und Steuerungsaufwand resultierenden hohen Direktvermarktungskosten von in der Regel über 1.000 Euro jährlich würden Unternehmen davon abhalten, ihre Firmendächer für den Klimaschutz und die Sonnenstromernte zu nutzen“, warnt zudem Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar.
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Aufwand bei kleinen Strommengen wird größer
Schon bei der Direktvermarktungspflicht für Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung ist der Aufwand für den Verkauf von überschüssigem Solarstrom, der nicht direkt vor Ort verbraucht wird, ein riesiger Aufwand. Dies behindert schon jetzt den Zubau in diesem Segment. Wenn die zu vermarktenden Strommengen noch kleiner werden, steigt der Aufwand pro Kilowattstunde noch weiter. Der BSW Solar befürchtet einen Rückgang des Zubaus auf Mittelstandsdächern.
Zubaupotenzial geht verloren
Entweder werden die Anlagen dann gar nicht mehr gebaut, weil den Gewerbetreibenden der Aufwand zu hoch ist. Oder die Anlagenleistung wird bewusst auf 24,9 Kilowatt begrenzt, um der Direktvermarktungspflicht zu entgehen. Auch auf diese Weise gehe solares Zubaupotenzial verloren, ohne auf der anderen Seite Systemstabilität zu gewinnen, stellen die Branchenvertreter klar. Die Direktvermarktung durch eine schnellere Digitalisierung von Prozessen zu ermöglichen, sei sinnvoll, nicht aber eine Pflicht für solare Kleinanlagen.
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Solarbranche übernimmt Verantwortung
Damit weisen die Branchenexperten die Verantwortung der Betreiber von Solaranlagen für die Stabilität und Bezahlbarkeit des künftigen Energiesystems nicht zurück. „Die Solarenergie ist inzwischen systemrelevant für die deutsche Stromversorgung. Das bringt ohne Frage auch Verantwortung für die Systemstabilität mit sich“, betont Carsten Körnig. „Die Solarwirtschaft arbeitet daher mit Hochdruck am Ausbau von Stromspeichern zur Vermeidung von Stromspitzen und hat bereits seit längerem konkrete Vorschläge zur Vermeidung negativer Strompreise entwickelt.“
Netz- und Speicherausbau beschleunigen
Deshalb würde der schnellere Abbau von bürokratischen Hürden für den Ausbau von Speichern und deren systemdienliche Nutzung besser helfen, als das Ausbremsen des Zubaus von Solaranlagen im Mittelstand. „Eine weitere Beschleunigung des Speicherausbaus und eine absehbare Flexibilisierung von Verbrauchern wird dafür sorgen, Angebot und Nachfrage bei den erneuerbaren Energien noch besser aufeinander abzustimmen und die Stromnetze zu entlasten“, erklärt Carsten Körnig.
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Deshalb unterstützt die Branche alle Maßnahmen zur Beschleunigung des Netz- und Speicherausbaus, die allerdings in der Wachstumsinitiative nicht konkret benannt werden. So sei auch das Regierungsvorhaben nachvollziehbar, neue Solaranlagen in begrenzten Zeiträumen eines Überangebots an Strom nicht mehr zu fördern, sondern dafür um so länger in Zeiten, zu denen Solarstrom gebraucht werde.
Systemintegration mit Ausbau in Einklang bringen
Dies werde zur Spitzenglättung und stärkeren Speichernutzung beitragen, ist sich Körnig sicher. „Neben notwendigen Maßnahmen zur Systemintegration dürfe auch die notwendige Beschleunigung des Photovoltaikausbaus keinesfalls aus dem Blick geraten. Beide Ziel lassen sich in Einklang bringen“, sagt der BSW-Solar-Chef. Der Verband wird noch zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen und hofft auf Nachbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren. „Nachbesserungen sind unverzichtbar, um ein Erreichen der gesetzlich verankerten Photovoltaikausbauziele nicht zu gefährden“, stellt Körnig klar. Denn mit solchen bremsenden Maßnahmen werde der notwendige jährliche Zubau von 22 Gigawatt, den sich die Ampelkoalition vorgenommen hat, nicht erreicht. (su)