Wer auf eine gute Verteilung der Windstromeinspeisung in Deutschland setzt, kann sich beim ersten Blick auf die Statistik des neuen Rekordzubaus von 2.280,7 Megawatt (MW) im ersten Halbjahr ermutigt sehen. Mit gut 41 Prozent ging der Anteil des windreichen und lange Zeit in Sachen Windkraft davoneilenden Nordens an der bundesweit bisher installierten Leistung noch einmal ganz leicht auf den neuen Tiefststand zurück. Die Mitte Deutschlands verlor ebenfalls leicht an Dominanz, wo nun 43 Prozent der Windkraft in Deutschland einspeist. Der traditionell windenergieschwache Süden hingegen erreichte erstmals einen Anteil von 15 Prozent.
Dennoch verlieren manche Bundesländer erstaunlich schnell an Anteilen im Windenergieausbau, während in anderen der Boom des Zubaus noch zunimmt. So fanden im Windenergieführungsland Niedersachsen im vergangenen Jahr auch schon fast 19,5 Prozent des bundesweiten Leistungszubaus statt. Doch von Januar bis Juni 2017 erhöhte sich der Fußabdruck der Turbineninstallateure hier in den ersten sechs Monaten bereits auf 25 Prozent. Zugleich hatte in diesem ersten Halbjahr in dem Küstenanrainer-Bundesland die Erzeugungsleistung mit 576,65 MW fast doppelt so stark zugenommen wie im dieses Mal zweiterfolgreichsten Windkraft-Installationsland Nordrhein-Westfalen. Hier erhöhte sich die Windkraft um 313,5 MW, was einen Anteil am bundesweiten Zubau von 13,75 Prozent bedeutete. Deutlich mehr als doppelt so viel betrug der niedersächsische Zubau im Vergleich zum Bundesland mit dem dritterfolgreichsten Zubau Brandenburg: Hier gingen 238,15 MW neu ans Netz, was rund 10 Prozent des bundesweiten Zubaus ausmachte.
Dabei nahm Nordrhein-Westfalen im Installationsgeschäft für die Branche an Bedeutung sogar ebenfalls noch weiter zu. Denn seit der bundesweiten Energiewende infolge des Atomenergieunglücks im Japanischen Fukushima vor sechs Jahren hat die Landespolitik wie viele andere Bundesländer auch eine entschlossenere Energiewende mit besonderem Augenmerk auf die Windkraft eingeleitet. Seither neu ausgewiesene Eignungsflächen für Windparks werden nun massiv von den Installationsteams beackert. Brandenburg kann seinen Anteil am Installationsgeschäft der Branche immerhin behaupten – und erlebte damit ein Wachstum beim Windenergieausbau, der dem bundesweiten Trend entsprach.
Das bundesweite Vorzeige-Windkraftland Schleswig-Holstein hingegen verlor nun deutlich Anteile und rutschte mit 217,9 MW und 9,6 Prozent am bundesweiten Leistungszuwachs auf Rang vier. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren hatte das Zwei-Küsten-Land noch Platz zwei als Stammplatz inne gehabt und mitunter sogar die Spitzenposition unter den Bundesländern beim Zubau übernommen: Zum Beispiel 2014, als dort fast 24 Prozent der binnen eines Jahres in ganz Deutschland neu hinzugebauten Erzeugungskapazität ans Netz gingen. Hier macht sich die länger als geplant anhaltende Rechtsunsicherheit bei den Regionalplänen bemerkbar: Seit zweieinhalb Jahren sind diese dort nicht mehr gültig und eine Übergangsregelung erlaubt neue Windparks bis zur Fertigstellung neuer kommunaler Regionalplanungen nur über Ausnahmegenehmigungen.
Auch Bayern, in der neuen Halbjahresstatistik auf Rang fünf, verliert einen weiteren Prozentpunkt auf acht Prozent – indem hier 181,9 MW neu ans Netz gingen. Hier machen sich allerdings wohl die 2014 neu eingeführten bundesweit strengsten Mindestabstandsregeln von Windparks bezogen auf benachbarte Siedlungen bemerkbar – und das weit weniger schnell als erwartet. Offenbar sind die schon eingeleiteten und genehmigten Planungen so umfangreich, dass der Ausbau sich hier nur langsam eindämmen lässt – anders als von der Landesregierung in München wohl gewünscht. In Rheinland-Pfalz behauptete sich die Branche dagegen noch. Die Bedeutung des Bundeslandes nahm auf 6,2 Prozent der bundesweit neu installierten Leistung im Vergleich mit den anderen Bundesländern wieder zu. In den vergangenen zwei Jahren war der Anteil des führenden süddeutschen Windkraftlandes hingegen sogar auf wenig mehr als fünf Prozent gefallen – wohl, weil Widerstand von Anwohnern gegen neue Projekte zugenommen hatte.
Während die Entwicklung des Zubaus in Hessen mit nun 128,3 MW den Schwankungen der vergangenen Jahre entspricht – das Bundesland verlor wieder leicht auf einen Anteil von 5,6 Prozent – nach den 6,8 Prozent im Gesamtjahr 2016 und den 5,6 Prozent von 2015 – geben die Anteilsrückgänge der drei nachfolgenden Bundesländer begründeten Anlass für Pessimismus. Baden-Württemberg verliert mit mehr als zwei Prozentpunkten auf einen Anteil von 5,3 Prozent nach einer nur zwei Jahre währenden Phase mit Bedeutungszuwachs schon wieder merklich. Damit bauten die Installationsteams mit 120 MW sogar ein Drittel weniger neue Windkraftleistung auf als im ersten Halbjahr 2016, als dort 185,8 MW neu in Betrieb gegangen waren. Im windreichen Küstenland Mecklenburg-Vorpommern ist der Abstieg seit einem zwischenzeitlichen Ausbauhoch Anfang des Jahrzehnts mit Anteilen am bundesweiten Zubau von über einem Zehntel womöglich noch immer nicht zu Ende: 4,4 Prozent machte die dortige Installationstätigkeit am bundesweiten Geschehen gemessen an zugebauter Leistung noch aus: 99 MW. Im früher stabilen Zubau verzeichnenden Sachsen-Anhalt geht dieser auf noch 4,1 Prozent zurück. Und das erst seit 2015 rot-rot-grün regierte Thüringen bleibt bei einem Drei-Prozent-Anteil trotz ausgerufener weitreichender Energiewendepläne der neuen Landesregierung.
Vor allem Baden-Württemberg mit dem ersten Ministerpräsidenten mit einem Grünen-Parteibuch an der Spitze mag beunruhigen. Hier hatte die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann angeführte Koalition seiner Umweltpartei mit der sozialdemokratischen SPD ehrgeizige Ziele ausgerufen: Der Anteil der Windkraft an der Stromversorgung sollte bis 2020 auf zehn Prozent im Bundesland wachsen. Auf 3.500 MW müsste demnach die Erzeugungskapazität bis dahin gewachsen sein, rechnete das Umweltministerium nach dem Regierungsantritt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor. Doch noch im Jahr 2016 - zur Halbzeit des Ausbauzeitraums bis 2020 - waren nur 1,6 Prozent der Bruttostromerzeugung aus dem Wind gewonnen. Und selbst wenn der Leistungszubau bis Ende 2017 doch noch wenigstens das Gesamtniveau des Vorjahres von 347 MW erreichen würde – hätte Bawü Ende 2017 auch erst 1.400 MW erreicht. Beunruhigend in diesem Zusammenhang, dass im ersten Halbjahr 2017 gerade einmal zwei neue Windenergieanlagen genehmigt wurden. Und selbst wenn noch zwei Drittel der seit dem Regierungswechsel genehmigten gut 400 Anlagen noch bis 2020 gebaut werden könnten –reichlich optimistisch geschätzt angesichts von seit ebenfalls schon 245 neu errichteten Anlagen, müssten dafür doch zusätzlich noch ältere Genehmigungen zum Zuge kommen – würde die zugebaute Leistung nur auf 2,150 MW gewachsen sein. Für diese hypothetische Berechnung müssten zudem alle künftigen baden-württembergischen Anlagen ab 2018 mit einer Leistung von 3,6 MW ausgestattet sein: Dieses Niveau hat die neueste Binnenlandwindturbinengeneration. Freilich werden derzeit noch immer zahlreiche Anlagen mit weniger als drei MW zugebaut.
Dass für Bawü nicht wesentlich optimistischer gerechnet werden sollte, legen auch die Daten der ersten Ausschreibungsrunde für 800 Megawatt neue Projekte der Onshore-Windenergie in Deutschland nahe: Trotz einer erklecklichen Anzahl in die Ausschreibung eingebrachter Windturbinen für Baden-Württemberg hat es kein einziges Projekt aus dem Südwestbundesland zu einem Zuschlag gebracht. Welche regionalen Auswirkungen die zwei weiteren Ausschreibungsrunden mit je 1.000 MW in diesem Jahr haben werden, bleibt abzuwarten. In wenigen Tagen werden die Ergebnisse der Anfang August veranstalteten zweiten Auktion veröffentlicht und die regionalen Ungleichgewichte bestätigen - oder doch nicht..
(Tilman Weber)