Tilman Weber
Der künftige Ausbau von Offshore-Windparks in Deutschland hängt wieder einmal von der zögerlichen Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ab. Drei Szenarien hat der Geschäftsführer des Bremer Marktforschungsinstituts Trendresearch, Dirk Briese, zur Windforce in Bremerhaven mitgebracht: Die Bundesregierung hält sich stur oder vielleicht auch nur träge an den im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 festgeschriebenen Kurs – mit dem festgelegten Takt von zumeist einem Ausschreibungstender pro Jahr – und lässt einen Ausbau der deutschen Meereswindkraft auf 7,7 Gigawatt bis 2020 und 15 Gigawatt bis 2030 zu. Die Regierungskoalition berücksichtigt ihr eigenes Klimaschutzziel für 2030 eines 65-Prozent-Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung, das bislang noch kein Gesetz ist – und lässt die dafür an Offshore-Windkraft benötigten zusätzlichen Kapazitäten zu. Oder die Regierung entschließt sich mit dem entschiedenen Ausbau der Sektorkopplung nicht nur den Offshore-Windkraftausbau zu beschleunigen, sondern auch die rasche Zunahme der Einspeisung von Meereswindstrom im Netz sinnvoll in die gesamte Energieversorgung einzuarbeiten. Dies nennt Briese das Power-to-X-Szenario.
Die Auswirkungen auf die deutsche Offshore-Windkraftindustrie unterscheiden sich drastisch, so machte Briese den Tagungsbesuchern der Windforce klar. Bis 2025 gehen Umsätze und Beschäftigung in Deutschland aufgrund des 2017 eingeschlagenen Kurses nun unaufhaltsam zurück. Auf dem EEG-2017-Kurs werden beide Abwärtskurven freilich sogar beibehalten, so dass die Beschäftigung von Fachkräften sogar von 25.000 auf rund 15.000 um rund 40 Prozent zurückgehen würde. Folgt die Regierung dem 65-Prozent-Ziel so kommt es hingegen spätestens im nächsten Jahrzehnt zu einem leichten Anstieg von Beschäftigung und Umsatz. Das Power-to-X-Modell erhöht beides sogar drastisch.
Technologisch hindert die Branche jedenfalls nichts daran, viel mehr zu leisten. Das machten die Vertreter zweier führender Windturbinenhersteller deutlich. Der CEO beim dänisch-japanischen Joint Venture MHI Vestas, Philippe Kavafyan, zeichnete die steile Lernkurve bei den Installationen der aktuell größten Windenergieanlagen der Welt V164 mit 80 Meter langen Rotorblättern und installierten Anlagen einer Nennleistung von bis zu 8,4 Megawatt (MW). Es sei gelungen, die Installationszeit der Anlagen im Vergleich zur Errichtung der ersten V164 zu halbieren und sogar noch etwas weiter zu verkürzen. Zudem befolge jedes Bauteam die Regel, dass auf jeder Windparkbaustelle die später installierten Anlagen nicht mehr so lange Zeit für die Errichtung in Anspruch nehmen dürfen, wie die dort zuerst aufgebauten.
Der Offshore-Windturbinen-Verkaufschef der deutsch-amerikanischen Windsparte beim US-Konzern GE, Karsten Merker, ließ daraufhin auf die bevorstehende Einführung der neuen Offshore-Superturbine Haliade mit 12 MW Nennleistung und 220 Meter Rotordurchmesser vorausblicken und nannte konkrete technologische Rahmendaten. Die erste Pilotanlage der Windturbine werde demnächst an ihrem Standort im Hafen der niederländischen Industriestadt Rotterdam erbaut und den Betrieb aufnehmen. Mit nur einem Hauptlager statt wie bisher zwei beim vorangegangen Sechs-MW-Modell der Haliade-Turbine sowie mit einem extern rotierenden Part des Generators, der nicht mehr in die Maschinenhausgondel eingepackt sondern zwischen Nabe und Gondel positioniert werde, unterscheide sich das Design der neuen Anlage deutlich vom ersten Haliade-Typ. Mit einem Kapazitätsfaktor von 60 bis 64 Prozent und einer Jahreszeugung von 64 bis 67 Gigawattstunden (GWh) werde die Turbine sehr verlässlich und kontinuierlich Strom erzeugen. Auch GE folge der Devise „Double Speed, half Time“: Verdopple die Errichtungsgeschwindigkeit, halbiere die benötigte Bauzeit pro Anlage im Meer.
Die Hersteller der Errichterschiffe ziehen bereits nach, um rechtzeitig mit passenden Schiffen die immer schnellere Installation größerer Anlagen zu ermöglichen. Kann das Gros der für die Offshore-Errichtungen in Europa zur Verfügung stehenden Kranschwimmplattformen noch zwei bis drei komplette Windturbinenbausätze vom Turm über die Gondel bis zu den Rotorblättern transportieren, so hat Schiffebetreiber Seajacks bereits ein Fahrzeug, das fünf Haliade Windturbinen aufladen und auf die Baustelle bringen kann – um sie dann mit dem Schiffskran zu errichten. Derzeit betreibt zudem das Unternehmen Jan de Nul den Neubau eines Schiffes mit noch größerer Ladekapazität vor, das 2022 in Betrieb gehen soll, rechtzeitig zum kurz darauf folgenden Serienstart der neuen GE- und anderer 10-MW+-Anlagen.