Als Oscar van der Velde und sein Forscherteam von der Technischen Universität von Katalonien an die spanische Mittelmeerküste aufbrachen, wollten sie eigentlich Gammastrahlen erforschen, die Blitze bei Gewitter verursachen.
Als Blitzforschungsgruppe der Universität sind die Wissenschaftler gut ausgerüstet mit empfindlichen Geräten. Um die elektromagnetischen Pulse der Blitze aufzuzeichnen, bauten sie ein sogenanntes Lightning Mapping Array (LMA) auf. Es bestand aus sechs kilometerweit verteilten Antennen, die im Hochfrequenzbereich messen. Mit ihnen lässt sich in 3D kartieren, wo die Blitze in den Wolken auftreten und welchen Verlauf sie nehmen.
Die Forscher teilten sich das Gebiet mit einigen Windenergieanlagen; über ihnen hing eine dunkle Wolkendecke. In dieser Szenerie machten sie ihre ungewöhnliche Entdeckung: „Der erste Blitz, den wir gesehen haben, kam direkt von der Windturbine. Es war ein aufsteigender Blitz“, sagt Oscar van der Velde. Der Blitz begann am Rotorblatt und wanderte dann hoch in Richtung Himmel.
Zwei Arten aufsteigender Blitze
Für das Forscherteam war das Phänomen faszinierend genug, um es weiter mit LMA und Videokamera zu beobachten. Sie entdeckten dabei zwei verschiedene Phänomene:
- die gut sichtbaren aufsteigenden Blitze: Sie treten seltener auf, überwinden Distanzen von leicht 30, 40 Kilometern, bis sie sich im Himmel entladen.
- die schwachen periodischen Blitze: Sie treten abhängig von der Rotordrehzahl etwa alle drei Sekunden auf, aber nicht an jeder Anlage und jedem Blatt. Immer wenn ein betroffenes Blatt seinen höchsten Punkt erreicht, gibt es eine kleine Entladung. Dieses Phänomen kann einige Minuten bis zu einer Stunde andauern.
„Prinzipiell kann jedes hohe Objekt die aufsteigenden Blitze verursachen. Bei statischen Objekten sehen wir dieses periodische Auftreten aber nicht“, sagt van der Velde. Das heißt: Die Rotation der Blätter verursacht die Blitze.
Stress für die Rotoren
Das ist nicht ungefährlich für das Material. Hintergrund: Statische Objekte wie Gebäude können leuchtende Entladungen verursachen, wenn sie sehr starken elektrischen Feldern ausgesetzt sind. Diese kalten Entladungen sind harmlos. Sie erzeugen eine unsichtbare Schicht ionisierter (elektrisch leitfähiger) Luft, die das elektrische Feld um das Gebäude reduziert.
Den Blattspitzen rotierender Rotorblätter fehlt diese Schutzschicht, weil sie sich zu schnell bewegen. Die Folge: Das elektrische Feld kann immer stärker werden und sich schließlich mit einer viel höheren Energie entladen. Welchen Schaden das an den Turbinen anrichten kann, ist unbekannt. Die Blitze haben wohl nicht die Wucht eines herkömmlichen Einschlags. „Trotzdem stresst es die Rotorblätter, denn an der betroffenen Stelle kann es ziemlich heiß werden“, sagt van der Velde.
Nach seinen Beobachtungen treten die Aufwärtsblitze nur bei bestimmtem Wetter auf. „Gute Bedingung ist ein sehr großflächiger schwacher Regen“, sagt van der Velde. Beobachtet wurde das Phänomen auch in den letzten Zügen eines Sturms, eine halbe Stunde nachdem der letzte normale Blitz zuckte. Erprobte Maßnahmen, um die Anlagen bei den kritischen Wettelagen zu schützen, fehlen. „Man könnte sie in dieser Zeit abschalten“, sagt van der Velde. (Denny Gille)
Die Originaladresse des Videos ist: https://media.terrassa.upc.edu/llampecs Quelle: Technische Universität von Katalonien
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von August 2014 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.