Nicole Weinhold
Der Rotorblattentwickler Euros ist sechs Wochen nach Insolvenzantrag seiner Mutterfirma Senvion an einen strategischen Investor aus den USA verkauft worden. Insolvenzverwalter Sebastian Laboga von der Kanzlei Kübler sieht Euros damit als vorerst vor der Insolvenz gerettet an: „Die Übertragung sichert dem Unternehmen wieder eine Zukunft unter dem Dach eines am Markt hervorragend positionierten strategischen Investors“, sagte Laboga. Auch für die Gläubiger sei der schnelle Verkauf ein gutes Ergebnis. Sie können laut Laboga mit einer deutlich überdurchschnittlichen Befriedigungsquote rechnen. Der Kaufvertrag wurde Anfang Juli wirksam. Der Berliner Standort inklusive der überwiegenden Anzahl der rund 20 Mitarbeiter bleibt erhalten. Kündigungen waren nicht nötig.
81,6-m-Rotorblatt entwickelt
Senvion hatte die Berliner Entwicklungsabteilung und die polnischen Rotorblattfertigungen von Euros im November 2016 übernommen. Euros hatte mit zuletzt mit dem Bau eines Riesenflügels in Sassnitz für Aufsehen gesorgt. Keine zwei Meter fehlen dem Rotorblatt zum längsten Windradflügel der Welt. Der 81,6 Meter lange Testflügel war von Euros in einer Bauhalle für Prototypfertigungen auf Rügen produziert worden, die Euros seit Anfang 2013 betreibt. Es ist das Rotorblattmodell für eine sieben Megawatt (MW) leistende Offshore-Turbine. Mit anderen Worten: Der neue Besitzer von Euros kauft jede Menge wertvolles Knowhow für die Fertigung der derzeit im Fokus stehenden großen Turbinen ein.
Käufer ist TPI Composites
Käufer ist TPI Composites Inc. mit Hauptsitz in Scottsdale, Arizona. Das Unternehmen gehört zu den größten Hersteller von Windkraft-Rotorblättern in den USA und ist weltweit aktiv. Mit der Übernahme verstärkt TPI seine Konstruktionssparte sowie seine Präsenz in Europa. Die USA sind derzeit noch längst nicht in der europäischen Größenordnung beim Turbinenbau angekommen. Schon allein weil sie gerade erst die ersten Offshore-Anlagen verbaut haben. Sie können das Knowhow zum Bau großer Blätter also richtig gut gebrauchen.
Die Euros Entwicklungsgesellschaft für Windkraftanlagen GmbH designt Rotorblätter für On- und Offshore weltweit. Diese wurden dann innerhalb der Senvion-Gruppe gefertigt und in Projekten verbaut. Im Zuge der Senvion-Insolvenzanmeldung hatte das Unternehmen Anfang Mai ebenfalls Insolvenzantrag stellen müssen. Das Insolvenzeröffnungsverfahren wurde zunächst in Eigenverwaltung durchgeführt. Anfang Juli 2019 wurde das Regelinsolvenzverfahren eröffnet.
Laboga war zunächst als vorläufiger Sachwalter bestellt und wurde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom zuständigen Amtsgericht Charlottenburg als Insolvenzverwalter eingesetzt. „Unter den Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens waren wir in der Lage, ein sehr attraktives Paket zu schnüren und den Investorenprozess zügig zum Abschluss bringen“, so Laboga. „Die gute Zusammenarbeit aller an den Verhandlungen Beteiligten hat den Prozess zusätzlich beschleunigt.“