Damit schafft die Windenergie nicht den Sprung in das Stammgeschäft des Unternehmens. Unter den zehn Fokusmärkten, die der Vorstandsvorsitzende Stefan Klebert für die Zukunft benannte, fanden sich Automobilindustrie, Verteidigung und Antriebstechnologien. Die Windenergie fehlte, was den Verdacht nährt, Schuler könnte – kurz bevor der Prototyp der getriebelosen Eigenentwicklung SDD 100 installiert ist – den Rückzug aus dem Windgeschäft antreten.
Gerd Schmelzle, Vertriebsleiter der Schuler AG wendet ein: „Die zehn Fokusmärkte beschränken sich auf die Geschäftfelder, die wir im Stammgeschäft allein machen.“ Tätigkeiten die in Partnerschaften realisiert werden, gehören nicht dazu. Viele der angekündigten Vorhaben sind jedoch zunächst eingefroren: Die 2011 geplante Nullserie von sechs Anlagen und der für 2014 vorgesehene Aufbau einer Fertigung mit 100 Windturbinen Jahreskapazität hängen davon ab, welcher Investor sich für das Windenergiegeschäft findet.
Für die Suche nach einem Investor nennt Gerd Schmelzle mehrere Gründe. Zunächst habe sich Schuler im letzten Jahr nicht festgelegt, ob es die Anschubinvestition für die Serienfertigung selbst schultert oder einen Partner ins Boot holt. „Die Finanzierung einer Serienproduktion liegt im oberen zweistelligen Millionenbereich. Im Alleingang hätte dieses Vorhaben einen Großteil unseres Entwicklungsbudgets beansprucht“, erklärt Schmelzle. Zudem beeinflusste die 2010 gesamtinstallierte Windleistung die Entscheidung. Mit weniger als 1.600 Megawatt blieb sie „erheblich hinter den Erwartungen zurück.“ Bereits in der Branchenumfrage 2011 von ERNEUERBARE ENERGIEN kündigte Schmelzle an, dass eine Reduzierung oder gar ein Wegfallen der Einspeisevergütung die Strategie Schulers beeinflussen könnte. Tatsächlich sollen sich nun viele Investoren um die EEG-Novelle sorgen.
Diese Situation wird von den neuen Turbinengenerationen anderer großer Unternehmen verschärft und Schmelzle rechnet mit einem zusätzlichen Druck auf die Marktpreise. „Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass wir die Erfahrung aus der Entwicklung des Prototypen nutzen, um die Serienproduktion marktfähig zu machen.“
Künftige Entwicklung des Windgeschäftes hängt vom Partner ab
Welche Aufgaben das Unternehmen in Sachen Windenergie künftig selbst übernimmt und ob das Windgeschäft weiterhin unter dem Namen Schuler abgewickelt wird, wird sich erst mit dem neuen Partner klären. Dieser könne sowohl ein strategischer als auch ein Finanzinvestor sein. Innerhalb des laufenden Geschäftsjahres soll der Partner gefunden und die neue Strategie ausgearbeitet sein. Dann will das Unternehmen bestenfalls auch das erste Gemeinschaftsprojekt, die Installation der Nullserie in Thüringen, realisieren. Die nötigen Standort-Genehmigungsverfahren der sechs SDD 100 seien bereits angelaufen und Schuler habe erste Gespräche mit Windparkplanern geführt.
Den Prototypen der getriebelosen 2,7-Megawattanlage SDD 100 wird Schuler noch im April unter eigener Regie im baden-württembergischen Stötten, nahe Göppingen, errichten. Das Fundament ist fertig gegossen und zwischen Februar und März wird die Windturbine fertig installiert. Nach den ersten Testläufen soll die Anlage mit ihrem 100 Meter Rotordurchmesser auf einem 100 Meter hohen Mast im April erstmals Strom ins Netz einspeisen. Damit hätte Schuler die dreijährige Eigenentwicklung abgeschlossen.
2007, noch vor der Wirtschaftskrise, entschied der Pressenhersteller unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Tonn, die Geschäftstätigkeit um das Standbein Windenergie zu erweitern. Auf 300 bis 350 Millionen Euro Jahresumsatz sollte sich der Zugewinn aus der Windenergie belaufen – gut 40 Prozent des damaligen Gesamtumsatzes. Mit 966 Millionen Euro erreichte Schuler im Geschäftsjahr 2007/2008 einen Rekordumsatz, bis die Wirtschaftskrise den Hersteller von Umformtechnik und Schneidanlagen für Maschinenbau- und Automobilindustrie traf. Der Umsatz fiel auf zuletzt 655 Millionen Euro, dennoch hielt das Unternehmen an der Windenergieentwicklung fest. „Wir wollten die SDD 100 in Eigenregie bis zum fertigen Produkt entwickeln. Denn auch Investoren lassen sich leichter finden, wenn man etwas Konkretes vorzeigen kann“, erläutert Schmelzle.
Ende Januar hat Schuler sein vormontiertes Maschinenhaus im Produktionswerk dem Branchenpublikum vorgestellt. Banken, Versicherer und fast alle großen Windparkentwickler hätten die Gondel besichtigt. „Der Zuspruch von den 70 Besuchern stimmt uns optimistisch“, sagt Gerd Schmelzle.
Die ersten Schritte hat die Windenergie aus dem Hause Schuler getan. Bis ein Investor gefunden ist bleibt jedoch offen, ob sie das Laufen lernt und sich gegen die Konkurrenz der getriebelosen Wettbewerber durchsetzen kann.
(Denny Gille)