Grüne SchweizAuch saubere Luft ist eine entscheidende Ressource für den Schweizer Fussabdruck. Adrian Michael / CC BY-SA 3.0
Doris Leithard sprach sich am Donnerstag deutlich gegen die Ziele der Initiative aus. Die Umweltministerin hatte im Juni bereits verlangt, dass das Ziel von „Grüne Wirtschaft“ vorrangig durch sparsameres Verhalten der privaten Verbraucher erreicht werden müsse. Am Donnerstag warnte sie hingegen, falle die Verringerung des Ressourcenbedarfs so stark aus, wie von den Grünen gewünscht, schadeten sie der gesamten Wirtschaft.
Die Ziele der Volksinitiative
Im Einzelnen möchte „Grüne Wirtschaft“ den kompletten Ressourcen- und Umweltverbrauch des Landes bis 2050 um mehr als zwei Drittel reduziert sehen. Genauer: Die Akteure der Volksinitiative und damit insbesondere die Grünen wollen den sogenannten ökologischen Fußabdruck des Alpenlandes von 3,3 auf eine Erde reduzieren. Soll heißen: Würde jede Nation mit ihren Ressourcen so haushalten wie heute die Eidgenossen, würden wir Menschen mehr als drei Erden brauchen. So viele Globen wären dann also nötig, um unseren Rohstoffverbrauch zu decken, die Lebensverträglichkeit von Umweltgütern wie die Luft zu sichern oder beispielsweise auch den Klimakollaps zu verhindern.
Um dies zu ändern hatten die Grünen bereits 2012 die Initiative Grüne Wirtschaft ins Leben gerufen. Es ist der Versuch, durch Volksentscheid eine geringere Umweltbelastung in die Verfassung einzuarbeiten. Bis 2050 soll die Schweiz ihr Defizit aufholen und dann CO2-neutral wirtschaften. Dieses Ziel sei zu starken Anteilen durch politische Anreize in der Abfallwirtschaft und durch stärkere Regelungen des Imports zu erreichen, argumentieren die Grünen. Das größte Problem des Alpenstaates sei der Umgang mit Müll.
Tatsächlich besagen die in der Debatte zu der Volksinitiative immer wieder herangezogenen Statistiken, dass der Schweizer Durchschnittsbürger pro Jahr im Schnitt 730 Kilogramm Müll produziert. Unter den Ländern Europas ist nur Dänemark in dieser Hinsicht noch verschwenderischer. Da zudem wohl in etwa die Hälfte des Abfalls verbrannt wird, setzt sich die Grüne Wirtschaft nun für die Modernisierung von Auf-und Wiederverwertungsanlagen ein. Der zweite Ansatz zur Müllreduzierung ist das Einführen und Fördern einer Kreislaufwirtschaft. Unternehmer sollen ihre alten Produkte, sofern schrottreif, zurücknehmen und diese wieder in die Produktion einführen.
Zusätzlich wollen die Grünen mehr Auflagen beim Import von Rohstoffen einführen. Ungefähr 70 Prozent der Umweltbelastung durch die Schweiz finden im Ausland statt. Hier fehlen der Initiative eine umweltbewusstere Importpolitik und insbesondere Kennzeichnungen belastender Produkte. Der Regierung wirft die Oppositionspartei vor, sich durch mangelnde Importverbote indirekt an der illegalen Abholzung des Regenwaldes zu beteiligen. Während es in der EU bereits ein Verbot zur Einfuhr von gesetzeswidrig gefällten Hölzern gibt, ist dieses in der Schweiz noch nicht vorhanden.
Gegenwind aus Politik und Wirtschaft
In der Politik findet die Volksinitiative keinen großen Anklang. Zwar sprechen sich beide grünen Parteien, die sozialdemokratische und die evangelische Volkspartei für die Bewegung aus. Jedoch haben die zwei parlamentarischen Kammern die Initiative am 22. Juni mit jeweils mindestens einer Zweidrittel-Mehrheit abgelehnt.
Die Regierung scheut sich davor der Wirtschaft stärkere Regularien aufzuerlegen und setzt lieber auf freiwillige Änderungen. Noch Ende Juni sagte Umweltministerin Leithard sinngemäß, statt wirtschaftlich schädliche Ansätze in der Wirtschaft zu suchen sollten die Privatverbraucher sich eine Diät beim Umweltverbrauch auferlegen: „Für kommende Generationen muss die Bevölkerung ihr Verhalten überdenken und sparsamer werden. Vor allem in Bezug auf Energie, Boden und Wasser“. Allerdings zog Leuthard mit diesem Statement den Spott vieler auf sich: Sie hatte dies zur Schweizer Tageszeitung Blick in einem Interview gesagt – ausgerechnet, als sie gerade im Regierungsjet auf dem Rückflug aus den Vereinigten Arabischen Emiraten saß, was ihren eigenen persönlichen Fußabdruck deutlich vergrößert haben dürfte. Die hohe Klimabelastung durch ihren Flug hatte sie übrigens zur Besichtigung eines CO2-freien Solarflugzeugs in Abu Dhabi in Kauf genommen. Die Wirtschaft selber steht der Initiative gespalten gegenüber. So wird sie durch den Wirtschaftsverband Swisscleantech unterstützt, dem beispielsweise Ikea, Renault und Tesla angehören. Auf der anderen Seite spricht sich der Verband der Schweizer Maschinen, Elektro und Metallindustrie Swissmem dagegen aus.
Auch in der Bevölkerung lassen sich Gegner-Gruppen finden. Eine Gegenkampagne läuft unter dem Namen Grüner Zwang. Sie wettert auf ihrer Webseite stark gegen die Initiative. Webseiten-Besucher empfängt die Seite sofort mit drei Suggestivfragen: „Bist Du Vegetarier? Duschst du Kalt? Bleibst Du in den Ferien zuhause?“ So wird impliziert, die Grüne Ökonomie würde zu Mangel an warmen Wasser, massiven Veränderungen des Essverhaltens und Einschränkungen in der Reisefreiheit durch Preiserhöhungen führen. Trotz solchen Gegenwinds ist die Mehrheit der Bevölkerung für das Anliegen der Grünen. Eine Umfrage zeigte, dass 51 Prozent der Schweizer das Vorhaben der Grünen unterstützen, 15 Prozent sind unentschlossen und 24 Prozent tendieren zu einem Nein.
(Tim Alznauer)