Katharina Garus
Im schleswig-holsteinischen Bosbüll fallen Ende 2021 die ersten zwei Windenergieanlagen aus der Förderung. Weitere folgen einige Jahre später und Ende des Jahrzehnts auch ein Solarpark. Grund genug für die Gemeinde, sich Gedanken über eine Stromvermarktung jenseits des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu machen. Gemeinsam mit GP Joule ist ein ambitionierter Plan entstanden: Zum einen sollen die Bürger von Bosbüll über eine Direktleitung mit Windstrom versorgt werden. Zum anderen wird mindestens ein Elektrolyseur Wasserstoff für zwei regionale Tankstellen erzeugen. Und darüber hinaus ließe sich der Windstrom nutzen, um die Gemeinde mit regenerativer Wärme zu versorgen.
Das Nahwärmenetz versorgt im ersten Schritt rund 25 Wohnhäuser mit regenerativer Wärme. Es wird gespeist von einer Wärmepumpe, einer Powerto- Heat-Anlage mit Elektroheizstab, der Abwärme des Elektrolyseurs und einem Wärmespeicher. Neben den Wohnhäusern soll die Windwärme auch an einen Schweinestall gehen und dort einen Ölkessel ersetzen. 15 weitere Wärmeabnehmer und ein zusätzlicher Großabnehmer folgen später.
Nach lokal kommt regional
Mit diesen Projekten strebt Bosbüll eine fossilfreie, lokale Energieversorgung an, die alle Sektoren umfasst: Strom, Wärme und Mobilität. Solche lokalen Energieprojekte sind wahre Erfolgsgeschichten der Energiewende – doch aktuell eher die Ausnahme.
Wo solche Direktabnahme-Projekte keine Option sind, kann es der bilanzielle, regionale Verbrauch sein. Um diesen zu forcieren, ist seit dem 1. Januar unter der Obhut des Bundesumweltamts das Regionalnachweisregister (RNR) am Start. Seitdem können sich Anlagenbetreiber Regionalnachweise ausstellen lassen, die sie zusammen mit ihrem Strom aus erneuerbaren Energien an den Elektrizitätsversorger übertragen. Dieser entwertet die Nachweise und kann dem Verbraucher gegenüber die regionale Herkunft des Stroms belegen.
Ins Leben gerufen hat das RNR das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Es will durch das Regionalnachweissystem sicherstellen, dass als regional verkaufter Strom auch wirklich regional ist. Denn im Gegensatz zum „Gemüse aus der Region“ ist für den Grünstrom klar definiert, was unter „Region“ zu verstehen ist: ein 50-Kilometer- Umkreis um den jeweiligen Verbrauchsort. Neben dem Schutz vor falschen Werbeversprechen soll durch das RNR die Akzeptanz für den Ausbau von Regenerativerzeugungsanlagen gestärkt werden.
Die Resonanz ist bislang bescheiden
Doch das Interesse an den offiziellen Nachweisen scheint gering. Lediglich 61 Anlagen waren Ende Juni im RNR registriert. Sie bringen es zusammen auf eine installierte Leistung von 805 Megawatt (MW) – mit 713 MW wird der überwiegende Teil davon durch Wasserkraft generiert. „61 Anlagen sind sehr wenig“, sagt Elke Mohrbach vom Umweltbundesamt. „Wir sind etwas enttäuscht, denn wir sehen den Vergleich zum Herkunftsnachweisregister“, so Mohrbach weiter. Doch im Gegensatz zum Herkunftsnachweisregister handelt es sich beim RNR um ein freiwilliges Instrument, mit dem sich bislang womöglich kein zusätzliches Geld verdienen lässt.
Stattdessen ist der bürokratische Aufwand nicht unerheblich. „Der Gesetzgeber hat hier eine sehr komplexe Regelung geschaffen, die in der Praxis nur schwer umsetzbar ist“, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie. „Gerade was die komplizierte Stromkennzeichnung betriff t, die für Kunden ohnehin schon schwierig zu interpretieren ist, wurden keine Verbesserungen erreicht“, wird er konkreter und bilanziert: „Die Aufnahme von Regionalnachweisen in das Register ist zwar zielführend, aber deren Nutzbarkeit in der Praxis ist noch nicht zukunftsweisend.“
Das mag vielleicht auch daran liegen, dass man für die Nachweise neben dem bürokratischen Aufwand selbst ein bisschen Geld auf den Tisch legen muss. Die Nutzung des RNR kostet jährlich zwischen 750 Euro bei mehr als 500 Millionen Nachweisen pro Jahr und 50 Euro bei weniger als 2,5 Millionen Nachweisen pro Jahr. Dazu kommen einmalig 90 Euro pro Anlage für die Registrierung der selbigen, je 0,0005 Cent für die Ausstellung, die Übertragung und die Rückbuchung sowie 0,001 Cent für die Entwertung eines Regionalnachweises. Nicht unbedingt die Höhe, aber die Vielzahl dieser Zahlen macht schon deutlich: Das RNR ist nicht unbedingt etwas für den Bauern von nebenan mit einer Windenergieanlage.
Doch Bürokratie und Finanzen zum Trotz: Das RNR soll die Energiewende in der Region für Stromkunden greifbar machen. Stromlieferanten können ihren Produkten ein regionales Gesicht geben. Ein verbindlicher Nachweis für Strom aus der Region soll auch die Akzeptanz der Energiewende vor Ort steigern. Um den Erfolg des RNR zu beurteilen, sei es noch zu früh, sagt Mohrbach. „Vor allem viele Stadtwerke sitzen aktuell in den Startlöchern. In ein bis zwei Jahren können wir dann den Erfolg beurteilen. Dann sehen wir, ob das RNR zu kompliziert ist oder ob es den Versorgern neue Kunden bringt“, prognostiziert Mohrbach.
Regionalstromprodukt von der Stange
Dass das RNR gerade für Stadtwerke interessant ist, hat auch die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) erkannt und extra ein Regionalstromprodukt entwickelt, das Stadtwerke als Komplettpaket oder in Teilen umsetzen können.
Das Effizienz-Netzwerk ASEW basiert auf Verbandsstrukturen und wurde 1989 aus dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) heraus gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen – aktuell knapp 300 Stadtwerke – mit Dienstleistungen rund um Energieeffizienz und Energiewende. In diesem Zuge hat die ASEW ihr Regionalstromprodukt entwickelt und fördert nun die Umsetzung in den Mitgliedsunternehmen. Das Interesse ist sehr groß. Rund 80 Stadtwerke seien auf entsprechenden Infoveranstaltungen gewesen, berichtet Markus Edlinger, Leiter Marketing & Kommunikation bei der ASEW.
Und die Stadtwerke dürfen sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf eine erfolgreiche Vermarktung machen. Denn wie eine repräsentative Verbraucherbefragung des Umweltbundesamts 2018 ergeben hat, ist der Anspruch an regionale Stromangebote ein deutliches Kriterium für die Wahl des Stromanbieters. Demnach ist es für mehr als die Hälfte der Deutschen sehr oder eher wichtig, dass der Strom aus Deutschland kommt. 47 Prozent fordern sogar eine Stromerzeugung in der umliegenden Region. Eigentlich gute Voraussetzungen für das RNR und den Erfolg von Regionalstromprodukten.
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