Die Botschaft seiner „Kurzstudie zur Marktintegration von Windstrom in Deutschland“ fasst das Münchner Unternehmen Sander und Partner in einer Mitteilung unter der Überschrift „Viel Wind ist zu wenig“ zusammen. Denn nie war die Differenz der erzielten Jahreserlöse pro Megawattstunde (MWh) gemäß den hier festgehaltenen Daten größer als im vergangenen Jahr. Demnach erzielten die Windparkbetreiber im Stromhandel gemäß Jahresstatistik sogar Preisunterschiede von fünf Euro pro MWh beziehungsweise 0,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Das wäre doppelt so viel, wie andere Kenner des Strommarkts noch kürzlich vermuteten. So war beispielsweise der Berliner Windmarkt-Analysedienstleister Enervis Energy Advisors noch vor einem Jahr von vergleichsweise möglichen Mehreinnahmen bei guten Marktwerten eines Windparks von „eher bis zu zwei Euro pro MWh“ ausgegangen.
Zu Gute kam den Windparkbetreibern 2017 allerdings auch ein nach fünfjährigem Sinkflug der Preise erstmals wieder gestiegener mittlerer Erneuerbare-Energien-Strompreis an der Spezialstrombörse EEX. Der Anstieg um 0,5 Cent pro kWh auf gut 3,4 Cent pro kWh dürfte den Handelsspielraum für unterschiedliche Marktwerte der Windparks erhöht haben.
Tatsächlich aber stellten Sander und Partner eine noch weit größere Rekordreichweite der theoretisch erzielbaren mittleren Jahreserlöse pro MWh oder kWh fest, als sie flächendeckend für ganz Deutschland anhand des Deutschen-Wind-Index die Stromhandelspreise errechneten. Dabei verglichen die Autoren der Kurzstudie die aufgrund des Windaufkommens im Verlauf des Jahres in der deutschen Landschaft produzierbaren Strommengen mit den zeitgleich im Strommarkt erzielbaren Windstrompreisen. Das in den Grafiken der Kurzstudie veranschaulichte Ergebnis: Nie war die Preisdifferenz bei diesem Vergleich größer als 2017. So hätten sich mit Schwachwindturbinen – abgesehen von extremen Ausreißern – bundesweit sogar Erlösunterschiede von 0,6 Cent pro kWh erzielen lassen. Die Extremfälle mitgerechnet ergäben sich sogar Unterschiede 0,9 Cent. Starkwindturbinen hatten sogar Erlösdifferenzen von bis zu 0,8 Cent pro kWh ermöglicht – einschließlich statistischer Extremwerte sogar bis zu einem vollen Cent.
Dabei ließen Schwachwindanlagen eindeutig höhere Erlöse pro Stromeinheit zu als Starkwindanlagen. Dieser Effekt tritt seit 2012 besonders stark ein: Weil Schwachwindanlagen mit ihren großen Rotoren und ihren entsprechend programmierten Anlagensteuerungen auch die unregelmäßigen Windströmungen sowie Luftströmungen mit geringen Geschwindigkeiten noch einfangen, können sie besonders gut gerade dann Strom erzeugen, wenn die Starkwindanlagen an den Küsten gerade keinen Strom einfangen. Das ist gut, denn in diesen Handelsphasen ist auch an den Strombörsen wenig Windstrom im Angebot und die Preise gehen hoch. Insbesondere an süddeutschen Standorten fernab der Küsten lassen sich dann Böen einfangen, die völlig unabhängig von gerade vorherrschenden großen Luftströmungen oder Flauten örtlich auftreten. Oder auch Luftbewegungen, die aus ganz anderen Himmelsrichtungen anströmen, als die Luftmassen zur selben Zeit mehrere hundert Kilometer nördlich.
Aufgrund solcher zeitverschobener oder gar von Großwetterlagen unabhängiger Winde können Windparks im Süden mit weniger Erzeugung vereinzelt sogar dennoch mehr Erlös an der Strombörse erzielen, machen Sander und Partner deutlich. Allerdings ist der Erlös eines Windparkbetreibers bisher nur an den besten Binnenlandstandorten unabhängig von den erzeugbaren Strommengen. So lassen die windertragreichsten Standorte in Süddeutschland – gelegen meist in Höhenlagen von Mittelgebirgen – so viel Stromerzeugung zu, wie eher mäßig gute Windenergieräume im norddeutschen Hinterland: etwa in der Lüneburger Heide oder in weiten Teilen Brandenburgs. Doch bei den Euro-Jahreserlösen schwemmen sie Umsätze ein, wie an den Küstenstandorten. Und von solchen erlösreichen Windkraftflächen hat dann Baden-Württemberg nicht weniger als beispielsweise Hessen oder Rheinland-Pfalz. Denn die Marktpreise pro kWh oder MWh sind in vielen Landstrichen in Süddeutschland weit höher als in Norddeutschland – insbesondere in Baden-Württemberg. Nur der Marktwert des Windstroms vom Meer kann hier mithalten – weil Offshore-Windkraftanlagen gleichmäßig einspeisen und deren Einspeisung sich daher als besonders wertvoll vermarkten lässt beziehungswiese meist auch in sonst bundesweit windarmen Phasen stattfindet.
Richtig ist allerdings auch, dass die Marktwerte der Windparks und damit des Windstroms weiterhin geringer ausfallen als der mittlere EEX-Preis. So erreichte der Median des Marktwerts mit Schwachwindanlagen ein Niveau von knapp 3 Cent pro kWh – bei einem EEX-Mittelwert von eben 3,4 Cent. Das bedeutet: Die Hälfte der Standorte ließen mit Schwachwindanlagen höhere und die andere Hälfte geringere Marktwerte erzielen. Wobei die Ausreißerwerte bei den Schwachwindanlagen sogar leicht oberhalb des EEX-Preises liegen. Dasselbe war bei Starkwindanlagen der Fall. Hier lag der von Sander und Partner ermittelte Median 2017 bei noch 2,8 Cent pro kWh.
(Tilman Weber)