Nordex hat 2022 mit weit über 700 Megawatt neu installierter Windkraft sich vielleicht sogar knapp an die Spitze des hiesigen Onshore-Windmarktes gesetzt. Sonst waren immer Enercon und Vestas mit Abstand vorn. Woran liegt´s?
Karsten Brüggemann: Aktuell, Stand Mitte Januar, haben unsere Kunden im Anlagenregister der Bundesnetzagentur die Inbetriebnahme von 769 MW gemeldet. Darauf sind wir sehr stolz. Unser Produktportfolio mit Modellen im Rotorbereich von 133 bis 175 Meter Durchmesser kommt gut an. Und in den Auktionen schneiden wir regelmäßig sehr gut ab. Und wir sind ein tolles Team.
So hätte wohl jedes Wettbewerbsunternehmen mit diesem Erfolg geantwortet. Aber ein wichtiger Teil des starken Zugewinns am Marktanteil dürften nachgeholte Errichtungen von Projekten gewesen sein, für die Ende 2021 aufgrund der weltweiten Lieferkettenprobleme wichtige elektrische Bauteile fehlten … Richtig?
Karsten Brüggemann: Wir haben den Rückstau dieser auf 2022 verschobenen Projekte tatsächlich komplett aufgelöst. Aber ebenso haben wir für 2022 geplante Projekte auf 2023 verschieben müssen, weil im vergangenen Jahr zu den schon seit 2021 gestörten Lieferketten noch der Ukrainekrieg dazu gekommen war. Der hat uns bei Stahlrohrtürmen das Leben schwer gemacht. Wir mussten einen Lieferanten wechseln. Nicht zu vergessen, belastete uns auch ein Cyber-Angriff im März, wonach wir dann unsere technische Überwachung der Anlagen mit neuen Konzepten neu absichern mussten. Letztlich ist es vielleicht sogar ausgeglichen: Was wir 2021 auf 2022 verschieben mussten und dann auch erfolgreich letztes Jahr installierten, haben wir mit einem ähnlichen Leistungsvolumen von 2022 auf 2023 verschieben müssen.
Demnach hätten Sie 2022 anders als 2021 tatsächlich Ihr Potenzial ausgeschöpft, weil sich verschobene Projekte aus dem Vorjahr und neuerlich verschobene Projekte ausgleichen?
Karsten Brüggemann: So ungefähr.
Vielleicht ist der Markt ja auch einfach nur da angekommen, wo Nordex seit mehr als einem Jahrzehnt vielleicht zusammen mit Vestas führend war: Bei Binnenlandanlagen mit besonders langen Rotorblättern im Vergleich zur ebenfalls hohen Nennleistung und damit bei guten Auslastungswerten?
Karsten Brüggemann: Da ist wohl was dran. Unsere N149 mit erst bis zu 4,5 dann über 5 Megawatt, die wir 2017 und 2019 in den Verkauf gebracht hatten und die wir in der Vier-MW-Klasse seit 2018 ausliefern, machte 2022 klar den Großteil unserer Neuerrichtungen aus. Das ist nicht früher aber vor allem keinen Moment später, als es für unsere projektierenden Kunden wirklich von der ersten Planung bis zur Genehmigung, Zuschlagsvergabe in der Ausschreibung und Errichtung braucht. Geholfen haben zum guten Abschneiden dürfte auch unser breites Kundenspektrum von den Stadtwerken bis zum großen Energieversorger auf der einen Seite und von Einzelanlagenbetreibern, über Bürgerwindparks bis zu den klassischen Projektierern auf der anderen Seite. Wir verhandeln bewusst mit allen diesen Kunden auf derselben Augenhöhe – das macht wirklich etwas aus.
Wird es auf dem jetzt erreichten Niveau an jährlichen Anlageerrichtungen so weitergehen?
Karsten Brüggemann: Für 2023 erwarte ich sogar, dass unsere Installationen noch weiterwachsen werden. Wir kalkulieren hierbei ganz klar nur mit den Projekten, für die unsere Kunden schon die Baugenehmigungen erhalten und die Anlagen bei uns bestellt haben. Was jetzt noch an Bestellungen schon angekündigt, aber weiterhin offen ist, sehen wir einstweilen für 2023 nicht vor. Klar ist aber auch: Wir sind da bei weitem unterhalb des Levels, das wir anteilig zum Erreichen der gesetzlichen Ausbauziele der Bundesregierung ansteuern müssten.
Bremsen zu langsame Genehmigungsverfahren, die nur langsam in Gang kommende Ausweisung von Windparkeignungsflächen oder knappe Bauteile Sie 2023 nicht mehr?
Karsten Brüggemann: Ich würde es so beschreiben: Im Vergleich zum vergangenen Jahr mit extremen Lieferschwierigkeiten aufgrund des russischen Angriffskrieges und einhergehender Inflation bei den Rohstoffkosten hat sich die Situation im Moment normalisiert. Wenn nicht noch weitere unvorhersehbare globale Entwicklungen passieren, sind wir in einer wieder geringeren Anspannung: und zwar in einer Anspannung auf dem Level, auf dem diese schon Ende 2021 noch vor dem Ukrainekrieg war.
Wie sieht der Windpark der Zeitenwende aus – die sich mit einem möglicherweise auf 13 Gigawatt verdreifachten Ausschreibungsvolumen abzeichnet, bei anhaltender Inflation, Flächenknappheit und weiteren Lieferschwierigkeiten?
Karsten Brüggemann: Das ist ein Windpark, der gute verlässliche Technologie einsetzt mit einem hohen europäischen Anteil. Wir sind mit diesem resilienter gegen jetzige Unberechenbarkeiten auf dem Weltmarkt. Darauf steuern wir schon zu. Ein bisschen weniger Unsicherheiten in internationaler Politik und internationalen Märkten könnte allerdings auch nicht schaden.
Lesen Sie hier unsere Vorabanalyse des Onshore-Windparkausbaus in Deutschland im vergangenen Jahr mit Schlaglichtern auf die im Jahresverlauf gewandelte Dynamik sowie auf die Marktanteile der Windturbinen herstellenden Unternehmen. Die genaue Marktanalyse bieten wir Ihnen in der gedruckten Märzausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN. Weitere Details zum bundesweiten Windparkausbau an Land des vergangenen Jahres liefern wir Ihnen an diesem Mittwochnachmittag noch auf dieser Website.
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