Sie haben pünktlich zur Hamburger Windenergiemesse die Kapazität der Generatoren quer durch das bestehende Anlagenportfolio erhöht – von der Schwach- über die Mittelwind bis zur Starkwindanlage. Welche nationalen Märkte und welche Investorengruppe bedient diese Innovation?
Lars Bondo Krogsgaard: Es nutzt in mehreren, vor allem europäischen Märkten. In den Schwellenmärkten ist die Lage etwas anders. Dort verkaufen wir typischerweise die Acciona-Windpower-Maschinen. Wir haben bei diesen Anlagen nach der Fusion mit Acciona Windpower aber auch ein Upgrade der aktuellen Anlagenklasse vorgenommen – von 3, 0 auf 3,15 MW.
Aber warum verlassen Sie mit diesen Upgrades die in den vergangenen Jahren auf Binnenlandstandorte konzentrierte Vertriebsphilosophie? Sie besagte, dass Anlagen mit weniger Nennleistung pro überstrichene Rotorfläche – also mit immer größeren Rotoren bei gleichbleibender Leistung – für die küstenferne Windkraft besonders effizient sind.
Lars Bondo Krogsgaard: Worum es geht ist doch, die Levelised Cost of Energy runterzutreiben, die Kosten pro Kilowattstunde über die Gesamtlebensdauer eines Projektes. Die technologische Entwicklung der Windkraft lässt uns nun hier aber plötzlich Dinge machen, die vorher nicht möglich waren. Das ist auch hier der Grund, dass wir bei einem sehr großen Rotor nicht mehr mit dem Rating heruntergehen müssen.
Genau dieses Prinzip – „mit dem Rating heruntergehen müssen“, wie sie sagen – aber hatte insbesondere Nordex einen Riesenerfolg beschert: durch die Anlage N117 ...
Lars Bondo Krogsgaard: Ja. Aber technologisch ist in den vergangenen Jahren sehr viel passiert. Die Stromgestehungskosten gehen jedes Jahr um fast sechs Prozent nach unten. Technologisch macht das Verhältnis eines größeren Rotors mit wieder mehr Nennleistung nun Sinn. Das hat im Übrigen nichts mit den Ausschreibungen selbst zu tun. Nur damit, dass die Turbinenbauer mit dem besten Produkt mit den niedrigsten Stromgestehungskosten bei den Ausschreibungen gewinnen. Wir sind heute schon bei guten Standorten der mittleren Windklasse II wettbewerbsfähig, wenn die Vergütung fünf bis sechs Eurocent pro kWh beträgt. In Deutschland können Besonderheiten wie schwierige Transportsituationen die Wettbewerbsfähigkeit zu diesem Preis noch verhindern. Hier sind zunächst eher zwischen sechs und sieben Eurocent zu erwarten. Mit den Anlagen von Acciona Windpower erreichen wir ausweislich internationaler Ausschreibungsergebnisse bei Topwindstandorten der Windklasse I noch günstigere Erzeugungskosten. Die Industrie wird da noch viel mehr machen können.
Die Nordex-Gruppe inklusive Acciona Windpower ist nun doppelt so groß wie vorher Nordex allein, gemessen an jährlichen Installationen und Umsätzen vor dem Zusammengehen. Doch in manchen Schwellenländern sind bisher beide Unternehmen erfolgreich. Müssen Sie hier nicht die Revieraufteilung bereinigen, damit Nordex und Acciona Windpower nicht gegeneinander antreten?
Lars Bondo Krogsgaard: Wir sind jetzt eine Firma, nicht mehr zwei. Wir haben durch Acciona neue spanische Vorstände im Unternehmen, die nach Hamburg in die bisherige Nordex-Zentrale gezogen sind. Strukturell ist unsere Vereinigung weitgehend abgeschlossen. Natürlich müssen wir noch einzelne Hausaufgaben erledigen, wie die Vereinheitlichung der Fernsteuerungssysteme für die Windparks. Aber natürlich werden wir unsere verschiedenen Produktlinien beibehalten. Die Anlagen von Acciona Windpower eignen sich hervorragend vor allem für Schwellenmärkte, in denen die einzigen Begrenzungen beim Bau neuer Windparks die Netzkapazitäten sind. Die Nordex-Turbinen hingegen sind auf die Standorte spezialisiert, an denen Schallschutz eine Riesenrolle spielt wie in Deutschland, der Schutz von Fledermäusen wie in Frankreich oder der Schutz vor Vereisungen der Rotorblätter wie in Skandinavien. Und auf Standorte, deren topografischen Verhältnisse nicht so einfach sind: etwa auf Hügeln oder in Wäldern. Daher werden wir uns mit beiden Anlagenportfolien nicht kannibalisieren.
Sie werden also weiterhin in Märkten wie Chile oder Brasilien beide Produktlinien im Wettbewerb belassen?
Lars Bondo Krogsgaard: Ja. Das ist eindeutig, was unsere Vertriebsleute haben wollen. Viele Märkte haben eine bevorzugte Maschine: Nordex oder Acciona Windpower. Und in ein paar Märkten sollten wir beide Produktlinien anbieten. Auch in den USA. In Texas, wo flaches Terrain mit viel Wind vorherrscht , es aber Netzengpässe gibt, werden eher nur unsere Acciona-Anlagen sinnvoll sein. Aber auf Höhenrücken im Nordosten der USA werden wir mit Nordex-Anlagen antreten.
Nach dem Zusammenschluss mit Acciona Windpower ist die Nordex-Gruppe ihren Wettbewerbern noch ähnlicher geworden: Außer Enercon haben sich alle nun sehr breit aufgestellt: Weltmarktführer Vestas hat Serviceunternehmen eingekauft, Siemens den spanischen Turbinenbauer Gamesa, den auch GE gerne gekauft hätte. Dafür hatte GE schon ein Jahr vorher die Windturbinensparte von Alstom gekauft. Bei all dieser Ähnlichkeit in globaler Marktpräsenz, mit einer ähnlichen Aufteilung der Produktlinien auf einerseits Schwellenländer und andererseits entwickelte Windenergieländer: Kann sich Nordex hier noch erlauben, anders als die Konkurrenz auf bestimmte nationale Märkte und auf technologische Segmente wie Offshore-Windenergie zu verzichten?
Lars Bondo Krogsgaard: Wir haben ja mit der Konsolidierungswelle auf dem Weltmarkt begonnen. Und andererseits ist der von Siemens geplante Kauf der Firma Gamesa ja noch bei weitem nicht so fortgeschritten wie unsere Vereinigung mit Acciona Windpower. Sowohl die Gamesa-Eigentümer und -Aktionäre müssen erst noch zustimmen, als auch die Wettbewerbshüter. Wir haben anders als die Konkurrenz also schon jetzt unseren Merger fertig. Unser geografischer Fußabdruck außerhalb des Sondermarktes China ist nun einer von über 90 Prozent. Damit sind wir geografisch richtig gut aufgestellt. Es gibt im Markt meines Erachtens nur einen anderen Windturbinenhersteller, der besser aufgestellt ist. Aus der Offshore-Windkraft werden wir uns aber definitiv raushalten. Onshore macht 95 Prozent des Gesamtweltmarktes aus. In Deutschland wird zwar über Offshore so geredet, als wäre es die Zukunft der Windkraft. Doch global gesehen wird es eine kleine Nische bleiben. Und nein: Wir müssen nicht alle Märkte abdecken. Es geht aber darum so viel Markt-Penetration hinzubekommen durch so wenig Märkte wie möglich. Konkret kommt unsere Abdeckung von 90 Prozent nämlich so zustande: Die Nordex-Gruppe ist in den zehn größten Märkten außerhalb Chinas aktiv, in denen in den nächsten fünf Jahren 70 Prozent des Onshore-Gesamtvolumens im Windparkbau stattfinden wird: USA, Indien Deutschland, Brasilien, Türkei, Kanada, Mexiko, Frankreich, Südafrika und Großbritannien. Und in vielen dieser Zielmärkte sind wir auch stark. Das sind wir aber auch in den volumenreichen Märkten mit den mittelfristig höchsten zu erwartenden Wachstumsraten. Die Kombination aus beidem ergibt eine Marktpräsenz von 90 Prozent.
Werden Sie sich an Vestas orientieren und ebenfalls noch ein Serviceunternehmen einkaufen?
Lars Bondo Krogsgaard: Wir gucken da ganz genau hin, ob das für uns Sinn machen könnte.
Noch einmal Hand aufs Herz: Diente der Kauf der Firma Acciona Windpower vorrangig der Strategie, den Weltmarkt breiter abzudecken mit je einer Produktlinie für Schwellenländer und für etablierte Windindustrieländer? Oder diente es vor allem dem Größenwachstum, weil Ihnen bisher die Kapazität für zwei Produktlinien fehlte. Konkurrenten wie Vestas und GE hatten ja beide schon bisher eine Unter-Zwei-MW-Serie für die Schwellenländer und eine 2,5- bis-Drei-MW-Plattform für die entwickelten Windenergieländer anbieten können – anders als Sie.
Lars Bondo Krogsgaard: Die bisherige Nordex hätte das nicht hingekriegt. Aber aus einem noch etwas anderen Grund: Ich habe einen Riesenrespekt vor deutschen Ingenieuren. Aber wir hätten von denen nicht fordern können, jetzt mal aus der Nordex-Plattform einige Qualitätsmerkmale und somit einige Kosten wieder rauszunehmen, um sie in Mexiko anzubieten. Weil die Acciona-Anlagen hingegen von vornherein auf diese Märkte ausgelegt sind – beispielsweise mit schnelleren Rotordrehzahlen auf Kosten größerer Schallemissionen – waren sie für uns wichtig.
Das Gespräch führte Tilman Weber im September auf der Windenergiemesse Wind Energy in Hamburg. Die hier veröffentlichte Abschrift ist eines von zwei Teilen des Interviews. Lesen Sie den anderen, ersten Teil des Gesprächs in unserem neuen gedruckten Heft, das am 1. November erscheint! Dort gibt Krogsgaard Auskunft zum Erfolg des Unternehmens in Deutschland und Erwartungen für das internationale Geschäft. Ebenfalls in diesem Heft finden sie unseren spannenden Report über die auf der Windenergiemesse Wind Energy in Hamburg gezeigte neue Windenergieanlagen-Technik.