Ein großes Aufregerthema war das, als im vergangenen Juli eine Studie des Norwegian Institute for Nature Research (NINA) in Deutschland durch die Medien ging. Aussage: Die schwarze Lackierung eines Rotorblattes hatte in einem großen norwegischen Windpark mit einer sehr hohen Brutdichte von Seeadlern eine Reduzierung der durchschnittlichen jährlichen Kollisionsrate der Avifauna dort um 72 Prozent ergeben. Einige Ornithologen dachten vielleicht, das sei auch in Deutschland eine gute Idee. Und bekanntermaßen verhindert das Naturschutz-Argument hierzulande immer wieder die Genehmigung von Windkraftanlagen. Also: Warum nicht ein schwarzes Blatt und alle sind zufrieden?
Ergebnis nicht ohne Weiteres übertragbar
So einfach ist das leider nicht. Planer befürchten eher eine überflüssige Diskussion und am Ende eine weitere Bremse für die Windkraft an Land. Denn ganz klar: Was der Vogel besser sieht, fällt auch den Menschen stärker ins Auge. Der visuelle Eindruck eines schwarzen Flügels dürfte wenig erfreuen, wie man hier sehen kann. Die insgesamt einen Zeitraum von elf Jahren umfassende Untersuchung wurde im Windpark Smøla durch eine Forschergruppe um Roel May durchgeführt. Der Testwindpark in Norwegen liegt in einem von Menschen unbewohnten Gebiet. Dort stören solche Flügel nicht. Da Deutschland aber viel dichter besiedelt ist, muss das Thema hierzulande anders bewertet werden.
Nun haben Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) und Bundesamtes für Naturschutz (BfN) einen Workshop mit fast 30 Expertinnen und Experten und einer Diskussionsveranstaltung mit über 130 Teilnehmenden durchgeführt. Das Fazit der Experten: Der norwegische Ansatz ist nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar.
Was bewirkt die rot-weiße Blattspitze?
Holger Ohlenburg vom KNE berichtete, zur Färbung von Rotorblättern als Erkennungshilfe für Vögel habe es in der Vergangenheit verschiedene Untersuchungen gegeben, die aber allesamt nicht aussagekräftig waren. Zum Beispiel wurden schwarzweiß-gestreifte Flügel und auch ein schwarzes Blatt geprüft. Eine Möglichkeit könnten auch für den Menschen unsichtbare UV-Farben sein, die von den meisten Greifvögeln gesehen werden, wie Bettina Wilkening, Referentin Artenschutz bei Enertrag, während der KNE-Veranstaltung beitrug. Geprüft werden müsste zudem, ob die schon vorhandenen rot-weiß-roten Blattspitzen bereits eine visuelle Wirkung haben, so Ohlenburg.
„Ein zeitnaher Nachweis einer Wirksamkeit der Maßnahme ‚schwarzes Rotorblatt‘ in Deutschland ist angesichts zahlreicher offener Fragen zum Beispiel zum Artenspektrum, zu möglichen Untersuchungsmethoden, zur Anzahl an Standorten usw. nicht zu erwarten. Denkbar wäre die Konkretisierung möglicher Untersuchungen über eine Machbarkeitsstudie“, sagte Kathrin Ammermann vom BfN. Dieses hatte kurz vor dem Workshop bereits eine Expertenrunde zu dem Thema befragt. Dort sei sich die Mehrheit einig gewesen, dass die norwegische Studie eher nicht auf Deutschland übertragbar sei. Ammermann ging noch auf die Herausforderung der Untersuchung möglicher Tests ein und erklärte, Radar und Kamera seien dafür am ehesten geeignet, während Telemetrie und Totfundsuche nicht sinnvoll seien. Einig waren sich die Experten laut Bericht von Ammermann darin, dass es besser sei, zunächst das Ausweichverhalten von Vögeln an Rotoren zu untersuchen. Denn unklar ist bisher sogar, ob und wie die Tiere die Flügel überhaupt wahrnehmen.
Zu wenige Totfunde für Statistik
Im Verlauf der Diskussion zeigte sich dann, dass noch viel mehr grundsätzliche Fragen bei diesem Thema offen sind. So berichtete ein Workshop-Teilnehmen, er habe im Rahmen einer wissenschaftliche Arbeit Totfunde an Windkraftanlagen gezählt. Dabei zeigt sich, dass Kollisionen so selten waren, dass eine Statistik daraus schwer abzuleiten sei. „Wir haben keine signifikanten Zusammenhänge zu irgendwelchen Eigenschaften und Faktoren gefunden“, so der Workshop-Teilnehmer. In dem Zusammenhang erklärte der Gutachter Marc Reichenbach, die Kollisionsopferrate unter Seeadlern in dem norwegischen Test-Windpark belaufe sich auf einen Seeadler als Schlagopfer pro Windkraftanlage alle zwölf Jahre. Wenn die Tiere, die dort in großer Zahl während der Testjahre gebrütet haben, die Anlagen schlecht sehen könnten, dann hätte es mehr Schlagopfer gegeben, meinte Reichenbach. „Sehen ist nicht das Problem.“ Er geht davon aus, dass die wenigen Kollisionen eher unglückliche Zufälle gewesen sind – vergleichbar mit Unfällen im Straßenverkehr.
„Jedwede Maßnahme zum besseren Vogelschutz ist grundsätzlich zu begrüßen. In diesem Fall ist jedoch zu befürchten, dass der bessere Schutz der Avifauna mit erheblichen negativen Wirkungen auf das Wahrnehmen und Erleben von Natur und Landschaft erkauft wird“, so Boris Stemmer von der Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Er ging auf die visuellen Auswirkungen schwarzer Rotorblätter ein. Seine wahrnehmungspsychologische Einschätzung: „Die Wirkung dürfte sich deutlich verschlechtern und damit würde sich auch die Akzeptanz verschlechtern.“
Bernhard Stoevesandt vom Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme wies auf technische Fragen hin: „Rotorblätter sind strukturell hochbelastete Bauteile. Schwarze Rotorblätter sind eine bisher ungeklärte technische Herausforderung, da die Erhitzung durch Sonnenstrahlung sich signifikant auf die Struktur auswirken könnte. Wenn das Konzept angewendet werden soll, ist auf jeden Fall noch viel zu klären.“
Die Expertinnen und Expertinnen waren sich einig: Es ist unwahrscheinlich, dass sich in Deutschland in naher Zukunft schwarze Rotorblätter drehen werden. Der Ansatz sei es aber wert, weiter erforscht zu werden. Und schließlich gibt es außerhalb Deutschland viele Regionen, die so einsam sind, dass ein schwarzer Flügel nicht stören würde.
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