ERNEUERBARE ENERGIEN: Haben auch Sie Post von Netzbetreiber Tennet erhalten, der bei den Anschlüssen deutscher Nordseewindparks in Verzug geraten ist? Das niederländische Unternehmen hatte ja zuletzt andere Windparkentwickler gewarnt, der Einspeisestart der aktuellen Offshore-Projekte sei nicht mehr garantiert …
Achim Berge: Nein.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Da passiert Ihnen also für ihr nächstes Projekt Butendiek erst mal nichts?!
Achim Berge: Sie meinen ob in dem so genannten Sylwin-Cluster eine Verspätung zu erwarten ist? Nein. Das glauben wir auch nicht. Wir glauben, dass Tennet eine solche Warnung an uns sonst zeitgleich zu den Briefen an die anderen Projektierer verschickt hätte – um auf einmal reinen Tisch zu machen und damit maximalen Druck auf die Politik auszuüben. Und außerdem sind wir als WPD an dem von Tennet verfolgten Prozess unseres Netzparkanschlusses relativ eng dran und sehen bisher keine Anzeichen für eine Verzögerung.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Soweit also: gut. Von der aktuellen Netzanschlusskrise der deutschen Offshore-Windkraft aber einmal abgesehen, muss Ihre Branche dringend Investitionskosten dämpfen helfen. Sie sind in den bisherigen Pionierprojekten teils extrem aus dem Ruder gelaufen. Hilft Ihnen die breite Erfahrung aus fünf unterschiedlich weit entwickelten Nord- und Ostseeprojekten Ihres Unternehmens bei der Kostendämpfung?
Achim Berge: Ich glaube dass wir auf Grund unserer Erfahrung Projekte schneller standardisierter und preisgünstiger umsetzen können als andere. Ja. Die Summe unserer Erfahrungen kommt natürlich von Projekten innerhalb und außerhalb Deutschlands. WPD hat ja in Deutschland mit Baltic 1 schon ein Projekt errichtet. (mit 48 Megawatt Leistung 2010 im Auftrag für den Käufer EnBW ans Netz angeschlossen, d. Red.) Und unsere Mitarbeiter waren in Summe an der Errichtung weiterer acht Offshore-Windparks in Europa beteiligt: in früherer Anstellung bei anderen Unternehmen. Wir haben da also eine Erfahrungsbasis wie glaube ich wenige im deutschen Markt. Und so bin ich fest überzeugt davon, dass wir entsprechende Fragestellungen sehr gut lösen können.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Das wird sich dann auch in entsprechend niedrigeren Investitionskosten pro Megawatt auswirken?
Achim Berge: Das wird sich niederschlagen in dem bestmöglichsten Verhältnis zwischen der Leistung und dem Preis. Manchmal ist es eben auch vernünftig, eine Entscheidung zu fällen, aus der höhere Investitionskosten resultieren. Aber: Eine, die langfristig eben richtig ist. Beispiel Redundanz auf der Umspannplattform. Bei diesem von uns schon angewandten redundanten System kann, wenn ein Transformator ausfällt, ein zweiter Transformator 100 Prozent der Leistung abführen. Man könnte auch zwei kleinere Transformatoren da hinstellen. Aber wir haben uns entschieden ein bisschen mehr zu investieren, damit über den einen der beiden 100 Prozent abgeführt werden kann. Ein richtiger Standard hat sich da im Grunde noch nicht durchgesetzt. Es gilt immer wieder zu entscheiden: Was ist jetzt sinnvoll? Eine kostengünstige Lösung? Eine andere Lösung, die vielleicht mehr kostet jetzt, aber ein wahrscheinliches Problem in der Zukunft ausschließt? Das ist sehr komplex. Offshore-Windkraft an sich ist sehr, sehr komplex. Es geht um eine Gesamtschau: Zu welchen Kosten hat der Windpark am Ende der Laufzeit pro Kilowattstunde produziert?
ERNEUERBARE ENERGIEN: Aber diese Größe ist doch ohne langjährige Erfahrung mit Windparks in so großen Küstenentfernungen und Wassertiefen wie bei den deutschen Nordseeprojekten für Investoren unsicher. Greifbarer sind die Kapitalausgaben, der so genannte Capex. In Deutschland haben sich diese bei rund vier Millionen Euro und mehr pro Megawatt installierter Offshore-Leistung eingependelt. Installationskosten unterhalb dieser Vier-Millionen-Marke werden Sie nicht versprechen können?
Achim Berge: Das ist wünschenswert und wir arbeiten natürlich in diese Richtung, aber man darf eben auch nicht nur auf die Investitionskosten gucken. Man muss eben auch gucken was bekommt man für eine Leistung. Was für Garantien hat man.
Verzögerter Financial Close "relativ normaler Vorgang"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Was bedeutet aber dann die Erkenntnis, dass Sie sehr wohl ein Projekt standardisierter, schneller und besser zum Abschluss bringen könnten? Was hilft Ihnen diese Fähigkeit zum Beispiel für Butendiek? Der Financial Close des Windparkprojektes, also der Abschluss der Kreditvereinbarungen mit Banken und anderen Geldgebern hat sich entgegen bisheriger Zeitpläne schon um mehr als ein halbes Jahr verspätet.
Achim Berge: Es hilft darin, dass wir wahrscheinlich dennoch bessere Möglichkeiten haben so ein Projekt zum Erfolg zu führen als andere. Dass sich Financial Close bei Offshore-Projekten verzögert, ist ja gar nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil: bei den anderen Projekten, die projektfinanziert wurden, haben sich genauso Zeitschienen verschoben. Das sehen wir aber als relativ normalen Vorgang: Da sind viele Beteiligte in so einem Projekt. Es geht um hohe Summen. Alle wollen das richtig machen. WPD will ein gutes Projekt anbieten.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Es braucht also Zeit, um viel auszuhandeln. Sie haben die Stromgestehungskosten selbst schon angesprochen. In Deutschland gibt ja das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor, wie hoch diese Erzeugungskosten inklusive Gewinnbeteiligung der Betreiber pro Kilowattstunde liegen dürfen: bei 15 Cent pro Kilowattstunde. So hoch ist noch die durchs EEG garantierte Mindestvergütung für die ersten 15 Jahre der meisten Nordseewindparks – sollte sich der Windparkbetreiber nicht für eine höhere Vergütung in kürzerem Zeitraum entscheiden. In Großbritannien gibt die Regierung in Verhandlungen mit der Offshore-Branche inzwischen als Ziel eine Reduzierung der Kilowattstundenpreise auf 10 Pence bis 2020 vor. Das EEG sieht bisher eine eher langsame Degression vor. Wie schnell müssten die Erzeugungskosten Ihrer Vorstellung aber nach wirklich fallen?
Achim Berge: Eine feste Vorstellung habe ich da nicht. Es kommt auf den Einzelfall des Windparks an. Wir sind uns wohl einig, dass wir eine Reduzierung der Kosten brauchen. Wir sehen aber auch, dass Investoren und Banken den Preis mitbestimmen, bestimmte Ansprüche haben, was das Risikoprofil dieser Projekte angeht. Diese Anforderungen müssen auch befriedigt werden. Aber, je mehr wir bauen, je mehr Einsparpotenziale werden wir bekommen. Ich sehe zwei große Bereiche, wo diese herkommen könnten: Zum Einen aus dem Fundamentbereich, der immer noch nicht in Serie fertigt. Das sind ja immer noch alles Einzelstücke. Für jeden einzelnen Standort wird bisher auf Grund der spezifischen Bodenwerte tatsächlich ein spezifisches Fundament entwickelt. Für 80 Anlagen haben wir so 80 unterschiedliche Fundamente. Sinnvoll wäre, wenn wir hier in eine gewisse Serienproduktion kämen – mit bestimmten Typen von Fundamenten. Man wird nicht das gleiche Fundament auf allen 80 Standorten verwerten können. Aber wenn unsere Branche zu zwei, drei Gruppen von Fundamenten kommen wird und diese serienmäßig errichtet, das wäre ein großer Schritt. Und bei der Turbine ist das große Problem der mangelnde Wettbewerb.
"Zu wenig Turbinenhersteller"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Was meinen Sie damit?
Achim Berge: Wir haben zu wenig Anbieter von Offshore-Windkraftanlagen im Markt.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Am Wettbewerb der Turbinenhersteller können sie als Projektplaner ja nichts ändern: So sind hier einige Akteure wie Nordex oder GE in jüngerer Zeit wieder in die zweite Reihe getreten, stellten Pläne zur Serienfertigung neuer Offshore-Windenergieanlagen zurück. Ihr Argument ist, dass dies den Turbinenpreis bezogen auf den Produktionsaufwand unverhältnismäßig erhöht?
Achim Berge: Genau. Und wir haben sicherlich auch noch zum Teil zu wenig Erfahrung mit den Windenergieanlagen dieser Größenordnung dort draußen, so dass auch hier an Sicherheitsabschlägen in den Finanzierungen noch angesetzt werden muss: Es fängt beim Wind als Ressource an. Man hat es jetzt gesehen, bei den Daten aus den Fino-Messstationen, aber auch bei den in Betrieb genommenen Windparks Alpha Ventus und Baltic 1, dass der Ertrag sehr viel höher ist, als in den Projektkalkulationen gedacht war. Die Sicherheitsabschläge sind enorm, weil man einen so enormen Respekt vor Offshore hat. Respekt ist berechtigt, aber je mehr wir wissen, desto weniger Sicherheitsabschläge brauchen wir. Wir glauben, dass die Windgutachten in Zukunft wieder optimistischer werden. Das wird die Ertragslage deutlich steigern und sich somit insgesamt positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes auswirken.
Wir werden zudem bei den Anlagen mehr Erfahrungen haben, so dass auch hier Sicherheitsabschläge in der Finanzierung raus fallen. Die Anlagenhersteller werden selbstbewusster werden und mehr zusichern in den Verträgen. Das gibt wieder finanzielle Sicherheit für die Projekte – und, und, und. Man muss halt immer wieder sagen, wir sind in einer frühen Phase einer Branche, wo sich bestimmte Dinge erst zurecht rücken müssen.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Müssen nicht auch die Zertifizierer lernen? Seitens Projektierer und Windparkerrichtern werden etwa Sicherheitslimits beklagt, die ab bestimmten Wellenhöhen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr erlauben, auch wenn diese technisch möglich wären.
Achim Berge: Sicher. Insgesamt stehen die Zertifizierer ja unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck. Es wird relativ viel zertifiziert. Die Anforderungen der Richtlinien des für die Windparkgenehmigungen zuständigen Bundesamtes für Seeschifffahrt (BSH) sind sehr hoch. Der Sinn und Zweck dieser Zertifizierungen muss sich auch erst noch beweisen. Also im bisher maßgeblichen Schadensfall, was Designs von Offshore-Windenergieanlagen angeht in den jüngsten Jahren – in der Problematik des Groutings bei Monopiles ….
ERNEUERBARE ENERGIEN: … eine Technologie, mit der die Windenergieanlagen in die Stahlrohre des Anlagenfundaments vermörtelt werden. Sie hatten sich vereinzelt als nicht stabil erwiesen ….
Achim Berge: … haben die Zertifizierer damals versagt. Die Anlagen und Fundamente waren voll zertifiziert – entsprechend der Richtlinie des Zertifizierers. Den Fehler im Design hatte der Zertifizierer so aber nicht verhindert.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Sie zeichnen ein interessantes Bild: das der Zertifizierer in einer Rolle ähnlich jener der Rating-Agenturen in der Finanzwelt: Kritisiert werden diese inzwischen von vielen Seiten dafür, dass Sie oft entscheidende technische Fehlentwicklungen der Finanzmärkte nicht vorhersehen – und sie dennoch mangels Alternativen sehr wichtig sind ….
Achim Berge: Die haben sehr viel zu sagen. Wenn man da bestimmte Leistungen in Anspruch nimmt, etwa in der Zertifizierung eines Projektabschnittes, legt man denen am Ende das Ergebnis vor – und dann können die Ja oder Nein urteilen darüber, ob das jetzt der Richtlinie entspricht oder nicht. Wer aber im Anschluss an ein „Nein“ fragt, wie es anders zu machen wäre, erhält die Antwort, eine solche Beratungsleistung sei nicht im Leistungskatalog der Zertifizierung enthalten und extra zu bezahlen. Da ist so ein gewisser Wildwuchs. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist wichtig, dass wir Zertifizierer haben. Doch müssten die viel stärker beweisen, dass wir nicht auch unsinnige Anforderungen erfüllen müssen.
"Offshore ist sehr komplex"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Letztlich aber bleibt dennoch der Eindruck einer grob falschen Einschätzung der gesamten deutschen Offshore-Branche: Von ursprünglich angenommenen zwei Millionen Euro Investitionskosten pro installiertem Megawatt ist Offshore-Deutschland weiter denn je entfernt.
Achim Berge: Na ja, es ist eben komplex. Die Preise der Rohwaren haben sich verändert, Stahlpreise sind massiv gestiegen, der Wettbewerb ist nicht eingetreten wie erhofft, die Serienfertigung der Fundamente nicht. Und ich glaube, es ist schwierig, Offshore über einen Kamm zu ziehen. Deutsche Nordseeprojekte sind Projekte, die 80 oder 100 Kilometer weit der Küste entfernt bei 40 Meter Wassertiefe errichtet werden. Es gibt aber auch Projekte wie in Schweden und Finnland, oder auch in der deutschen Ostsee, die zu ganz anderen Kosten gebaut werden können, aufgrund geringerer Wind – und Wellenlasten, geringerer Wassertiefen und näher an Land.
Wir brauchen diese verschiedenen Märkte – genauso wie wir im Onshore-Bereich ein facettenreiches Bild haben mit Anlagen für unterschiedliche Windbedingungen und Standorte, für unterschiedliche Märkte, für unterschiedliche Umweltbedingungen.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Auf acht Prozent beziffert die Branche selbst gerne mal ihre Rendite bei Offshore-Projekten in der Nordsee. Müsste diese nicht entsprechend des Risikos der Projekte viel höher ausfallen?
Achim Berge: Auch hier ist eine Antwort schwierig. Geht es um die Rendite auf das Gesamtkapital oder nur auf das Eigenkapital? Ist das die Rendite vor oder nach Steuern? Ist das die Renditeerfordernis eines Energieversorgungsunternehmens oder ist es die Renditeerfordernis eines institutionellen Investors? Die denken ja ganz unterschiedlich. Ein Energieversorger ist wahrscheinlich mit einer geringeren Rendite zufrieden. Der produziert Strom, hat langfristiges Interesse über die Gesamtlaufzeit des Projektes hinweg – anders als Finanzinvestoren mit eher kurzfristigem Interesse.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Wie hoch müsste aus Ihrer Sicht die Eigenkapitalrendite sein?
Achim Berge: Wir wollen nicht mit Zahlen rausgehen. Aber das ist eine Bandbreite von bestimmt zwei Prozent Unterschied. Man muss doch fragen: Was wollen die Investoren? Man kann für eine relativ geringe Rendite ein sehr, sehr sicheres Projekt kaufen, mit großen Garantien in den Verträgen. Man könnte aber die Rendite weit hochjagen, indem man die Haftung der Zulieferer begrenzt auf bestimmte Beträge.
Erstmals eigene Minderheitsbeteiligungen
ERNEUERBARE ENERGIEN: Sie sind Mittelständler. WPD ist so offshore fast einmalig unterwegs – und hatte es bisher noch gescheut, eigene Projekte nach dem Bau im Betrieb zu halten. Das wird mit Butendiek jetzt anders?
Achim Berge: Genau. Bei Butendiek und anderen Projekten ist es jetzt so, dass wir in Minderheitsbeteiligung gehen wollen. Wir fangen da erst einmal im Bereich von 10 bis 15 Prozent an. Strategie ist, dass WPD da stärker Eigenverantwortung zeigen will, mit Eigenkapital.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Weil Risiken dank ihrer größeren Kenntnisse geringer geworden sind? Oder weil WPD nun personalstark und kapitalkräftig genug ist?
Achim Berge: Beides. Natürlich ist unsere Kapitalstärke gewachsen über die Jahre. Aber auch unsere Kompetenz ist gewachsen. Und vielleicht sind auch die Anforderungen im Markt gewachsen, so dass man heute ohnehin nicht mehr eine Genehmigung verkauft – und dann keine Verantwortung mehr hat.
(Tilman Weber)
Das Interview ist am 1. August bereits im Magazin ERNEUERBARE ENERGIEN in gekürzter Form erschienen - im Rahmen einer Analyse zum Diskussionsstand der Kosten für die deutsche Offshore-Windenergie. Wir dokumentieren an dieser Stelle das Interview in voller Länge.