Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Kommentar zu Populismus

Trump, Rajoy, Rotes Rathaus

Es ist bedrückend: Der Milliardär und golfende Offshore-Windkraftgegner Donald Trump hat die Wahl gewonnen – auch weil er gegen Verpflichtungen zum Klimaschutz und für den Erhalt der Kohlenutzung in den USA eingetreten war. In West-Virginia beispielsweise, dem Bundesstaat mit der zweitgrößten Kohleförderung der USA, hat Trump mit 69 Prozent überwältigend gewonnen. Die Region gehört zu den wichtigen Swing States: In nationalen Wahlen verhilft sie mal Trumps Republikaner zur Mehrheit. Und mal gewinnen hier wie zuletzt 1996 die Demokraten unter Präsidentschaftsbewerber Bill Clinton. Aber auch in Texas siegte Trump, der in Schottland einen Golfplatz besitzt und allein deshalb gegen die Nutzung der Windkraft im Meer ist. Ein geplanter Offshore-Windpark könnte ja den freien Blick seiner exklusiven und betuchten Golfplatz-Nutzer stören. Im Wind- und Solarenergie-Eldorado Texas gewann er zwar nicht so deutlich wie seine Vorgänger unter den republikanischen Präsidentenbewerbern seit 2008. Doch Trumps 53 Prozent in Texas waren immer noch deutlich mehr, als der in Texas residierende republikanische Ex-Präsident und Ölbranchen-Unterstützer George W. Bush in seiner ersten siegreichen Kandidatur 2000 gegen Energiewendepolitiker Al Gore holte. Bill Clinton, Ehemann der gegen Trump unterlegenen Hillary Clinton, hatte den Swing State noch für die Demokraten gewonnen.

Warum das wichtig ist? Leider ist selbst in den Energiewende-Zentren des weltweit zweitgrößten Erneuerbaren- Landes USA der Populismus zur vermeintlichen Rettung der Arbeitsplätze in der zukunftsunfähigen Kohle- und Ölindustrie zum Erfolg fähig. Und in Texas verlor Trumps Populismus nicht so viel, wie er aus Öl-Branche und den sich vor Flüchtlingen, Kriminalität und sozialem Abstieg fürchtenden Wählerschichten gewann.

Keine Zeitenwende

Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber
Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber

Ist das eine Zeitenwende? Nicht unbedingt: Bei aller erwartbaren Bremswirkung der noch unbekannten Trumpschen Politik war auch unter seinem Vorgänger Barack Obama ein USA-typischer Stop-and-Go-Verkehr beim Erneuerbaren-Ausbau prägend. Alle ein bis zwei Jahre war der Windenergieausbau von einer Größenordnung pro Jahr zugebauter Erzeugungskapazität in Höhe von vier bis sechs modernen Kernkraftwerksblöcken auf ein Volumen höchstens zweier AKW-Blöcke eingebrochen. Die oft von republikanischen Mehrheiten bestimmten beiden Parlamentskammern hatten die Verlängerung der Subventionsregelungen für Erneuerbare mehrmals so lange hinausgezögert, dass Erneuerbaren-Projektierungen zum Stillstand kamen. Erst am Ende seiner Amtszeit sieht sich Obama nun befreit von allen Folgen künftigen Widerstands aus den Parlamenten – und verkündet weitreichende und konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Ein Phänomen, dass sogar beim Öl-Präsidenten George W. Bush zu beobachten war.

Möglicherweise erzeugt nämlich die US-Energiewendepolitik zwar riesige Projekte. Doch beteiligt sind wenige, große Firmen, die den Profit einstreichen. Populismus direkt gegen die Energiewende erzeugt damit offenbar keine ausreichend breite Gegenwehr.

Populismus in den USA, radikale Sparkpolitik in Spanien

Im ehemaligen Erneuerbaren-Eldorado-Land Spanien brach die Erneuerbaren-Konjunktur hingegen nicht aufgrund des Populismus ein. Eine Staatsfinanzkrise beutelt das Land. Hier regiert seit vielen Jahren die Schuldenoberaufsicht der Europäischen Union (EU) sowie ein sehr konservativer Präsident, der mit großunternehmerfreundlichen Gesetzen die Märkte weiter liberalisiert. Erneuerbaren-Projekte bekamen wegen der Sparpolitik seit Beginn des Jahrzehnts keine Förderung mehr. Der Null-Ausbau kehrte sich unter Mariano Rajoy sogar in einen Netto-Abbau um: ein unter ehemaligen Energiewendeländern noch einmaliges Ereignis. Seit fast einem Jahr hat er zwar keine Mehrheit mehr im Parlament. Doch Rajoy durfte von der EU unkritisiert ein Dreivierteljahr lang ohne Abstimmung im Parlament weiter amtieren. Und er ist auch jetzt noch ohne Mehrheit, weil die Sozialdemokraten nach einer bereits zweiten Parlamentswahl auf Druck von außen erst ihren Fraktionschef auswechselten und unter neuer Führung einer Minderheitsregierung des Konservativen zustimmten. Dabei sind die Demonstrationen gegen Rajoys Politik längst zu enormer Größe angewachsen.

Ausgerechnet jetzt, als Rajoy zuletzt eine neue Förderung der Erneuerbaren-Projekte in Gang setzte, demonstrierten wütende Menschen gegen seine Energiepolitik. Denn zum wiederholten Male war eine Frau im Feuer ums Leben gekommen, nachdem ihre Wohnung beim Heizen in Brand geriet. Sie hatte offenbar Abfallholz verbrannt wie viele Spanier, die zwar nicht die richtigen Öfen besitzen, denen aber die Energieversorger wegen unbezahlter Rechnungen den Saft abgedreht haben.

Populismus sieht anders aus. In Madrid herrscht noch ein Wirtschaftsregime, das dessen politische und wissenschaftliche Gegner global als Neoliberalismus bezeichnen.

Berliner Chancen in Rot-Rot-Grün

Berlin bereitet sich derweil auf die neue Regierungskombination Rot-Rot-Grün vor. Die erste Koalition im roten Rathaus aus SPD, Grünen und Linken hat die Linien des Koalitionsprogramms bereits bekannt gemacht. Die Mitte-Links-ökologischen Partner wollen auch die Energiewende voranbringen. Die Grünen dürften sich hier durchgesetzt haben: Die Stadt soll Strom- und Wärmenetz in die öffentliche Hand zurücknehmen. Die Stadtwerke sollen mehr Kompetenzen erhalten, neuerdings Strom handeln dürfen. Allerdings dürfen sie nur erneuerbare Energien erzeugen und vertreiben.  In einem Masterplan Solarhauptstadt will R2G sogar den Fahrplan für einen Wandel der Berliner Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare festschreiben.

In einem Energiereform-Punkt blieb das Bündnis vage: Hier heißt es nur, einkommensschwachen Haushalten solle die Stadt bei der Umrüstung auf energiesparende Technologien „stärker unterstützen“. Vereinbarungen mit den Energie-Versorgern müssten „die Einhaltung der Härtefallregeln sicherstellen“. Und „über freiwillige Einverständniserklärungen“, mit den Versorgern sei zu klären, dass diese die Sozialämter und Jobcenter vor einer anstehenden Stromsperre warnen und ihnen „frühzeitiges Eingreifen und damit die Abwendung der Stromsperre ermöglichen“.  

Jährlich 15.000 bis 16.000 Stromsperren gab es zuletzt in der deutschen Hauptstadt. Mit ein bisschen positivem Populismus hätte Rot-Rot-Grün hier erkennbarer Zeichen setzen können: „Um die Armen zu schützen, gibt es in unserer Stadt ab sofort keine Stromsperren mehr. Notfalls zahlt die Stadt.“

Noch fruchtetin Deutschland konservativer Populismus gegen erneuerbare Energien nicht, um damit Wahlen zu gewinnen. Wenn aber die Energiepolitik weiter wie im EEG 2017 etwa durch Ausschreibungen weg von einer bisher breiten wirtschaftlichen Beteiligung von Bürgern und Unternehmen führt, vielleicht irgendwann doch. Wie in den USA. Dass die Energiewende den Menschen durch Demokratisierung und Teilhabe nutzen muss, selbst den Armen, bleibt die wesentliche Erkenntnis.

(Tilman Weber)