Die Kurve sinkt. Da beißt die Maus keinen Faden ab - wie es so schön heißt. Seit dem Superjahr 2015 mit 63,6 Gigawatt weltweitem Windkraft-Zubau sinken die Zahlen. 2017 waren es nun 52,6 GW, wie der Global Wind Energy Council GWEC heute bekannt gegeben hat. 2.000 MW weniger als 2016. Warum die Zahlen so sind wie sie eben sind, dafür gibt es verschiedenste Gründe. Zunächst hätte mancher gehofft, dass sich allmählich der viel beschworene weltweite Boom der Windkraft irgendwie deutlicher abzeichnen würde: Was ist mit dem Pariser Klimaabkommen? Was ist mit den Preisen, die durch die weltweiten Ausschreibungen inzwischen ins tiefste Kellerloch gefallen sind? Beide Aspekte wären Grund genug für einen weltweiten Boom - sie haben aber noch keine Zugkraft entwickelt. Die Preise werden in den nächsten Jahren mit Sicherheit eine Wirkung entfalten, denn sie liegen mit 0,02 US-Dollar wie in Mexikos Ausschreibungen unter den Preisen für den Bau jeglicher anderer Energiekraftwerke. Inwiefern Paris Druck aufbaut, und eine Verfehlung der Ziele schmerzen könnte, bleibt abzuwarten.
Gleichwohl muss relativierend eingeworfen werden, dass der Boommarkt von 2015 eine ziemlich einseitige Kiste war: knapp die Hälfte hatte damals allein China mit 30 Gigawatt beigesteuert. Diesmal kamen von der Volksrepublik "nur" 19,5 Gigawatt. Die Hoffnung wäre allerdings gewesen, dass sicher der Markt verschieben würde. Ein wenig hat er das sogar getan, wie die Grafik unten zeigt: Während Asien von 33 über 28 auf unter 25 Gigawatt zurückgefallen ist, hat sich Europa von 14 auf 17 Gigawatt hochgearbeitet. Und tatsächlich war das Jahr 2017 das bisher beste Jahr für Europas Windbranche überhaupt. Deutschland führt in Europa das Feld an mit 6,6 GW, gefolgt von UK mit 4,3 GW und Frankreich mit 1,7 GW. Finnland, Irland, Belgien und Kroatien hatten ihre bisher besten Ergebnisse. Leider ist auch Nordamerika von elf GW auf sieben GW gefallen. Während Pazifik, Afrika und Mittlerer Osten kaum spürbare Tendenzen entwickelt, befindet sich Südamerika im Abwärtstrend.
Der sogenannte Weltmarkt konzentiert sich seit Jahren schon auf ein Handvoll Märkte, wie das Tortendiagramm unten zeigte: China, USA machen die Hälfte der weltweiten Installationen aus, zusammen mit Deutschland, Indien, Spanien sind es zwei Drittel. Diese Tendenz hat sich 2017 fortgesetzt. Mehr als drei Viertel der globalen Windkraft wurden 2017 in China, USA (7 GW), Deutschland, UK und Indien (4,1 GW) errichtet.
Aus vielerlei Hinsicht wäre es wünschenswert, wenn der Markt nicht nur von einer kleine Gruppe von Staaten getragen würde: Er wäre vor allem stabiler. Denn bricht ein großer Markt weg - wie wir es etwa in den USA immer wieder erleben mussten - ist das ein Problem für die Turbinenhersteller, die ihre Kapazitäten nicht auslasten können. Im schlechtesten Fall würde die Industrie einen Schaden nehmen und damit die gesamte Branche geschwächt. Darüber hinaus können die gesamten Ausbauziele durch einzelne Märkte ins Wanken geraten. Und letztlich wäre ein gesunder Windzubau auf den Schultern vieler Staaten für die energiepolitische Debatte eine Stärkung. So wissen doch am Ende zu wenige Staaten, wovon sie reden, wenn es um eine weltweite Energiewende geht.
Positive Tendenzen zeigen derweil die Länder auf den Plätzen 6 bis 9: Brasilien mit zwei GW, Frankreich, die Türkei mit 766 MW, Mexiko (478 MW) und Belgien (467 MW). Für die USA mit man sagen, dass sich bewahrheiten, was zuvor prognostiziert wurde: Die Anti-Klimaschutzpolitik von Präsident Donald Trump kann den Zug nicht bremsen. Große Konzerne wie Google, Apple, Nike, Facebook, Wal-Mart und Microsoft haben PPAs(Power Purchase Agreements) für die langfristige Belieferung mit Wind- und Solarstrom abgeschlossen. In Kanada dürfte unter dem positiven Einfluss von Premier Justin Trudeau künftig wieder mehr Musik in das Thema Windkraft kommen.
In Lateinamerika ist Brasilien mit 2 GW stärkster Markt - trotz ökonomischer und politischer Krise, die noch nicht überstanden sind. Uruguay geht zügig in Richtung 100 Prozent erneuerbare Energien und Argentinien wird wohl 2018 erstmals mit den Zubauzahlen durch die jüngsten Ausschreibungen glänzen. Laut GWEC hat es in Afrika und Mittlerem Osten reichlich Aktivitäten rund um die Windkraft gegeben, wenn auch nur Südafrika mit Zubauzahlen aufwarten kann (621 MW). Große Projekte in Kenia und Marokko werden aber laut GWEC-Chef Steve Sawyer noch in diesem Jahr ans Netz gehen. Dem gegenüber tut sich wenig im pazifischen Raum. Nur Australien hat mit 245 MW ein bisschen geschafft.
Fest steht, der Ausbau der Windkraft bleibt stabil und auf hohem Niveau. Dass viele Länder nur zögerlich in diese günstige regenerative Energie einsteigen, hat eine Reihe von Gründen. Zunächst gibt es weltweite zahlreiche Staaten, die durch finanzielle Engpässe und Wirtschaftskrisen verhindert sind. Sie können sich weder den nötigen Netzausbau noch den Strom leisten - wie etwa viele Pazifik-Staaten. Auf viele afrikanische Staaten trifft dasselbe zu. Hinzu kommen allerdings noch die politischen Instabilitäten bis hin zu Kriegen. Mangelnde Sicherheit für Leib und Leben, zerstörte Infrastruktur, fehlende finanzielle Mittel gehen damit einher. Leider befindet sich derzeit eine Vielzahl von Staaten auf der Welt in einer der genannten problematischen Situationen - was einem erfolgreichen Ausbau erneuerbarer Energien entgegen steht. Hinzu kommen individuelle politische Stimmungen in einzelnen Staaten, die etwa für die Stagnation in Kanada und Australien 2017 verantwortlich waren. Oder es treten Brüche in der Förderpolitik auf - die zum Beispiel in Indien zu einem langsameren Ausbau erneuerbarer Energien 2018 führen werden.
Darüber hinaus muss man sagen, dass das Windgeschäft durch den Preisrutsch insgesamt schwieriger geworden ist. Gewinnmargen sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette geschrumpft. Auch das wirkt sich erschwerend aus. Gleichwohl ist die Windbranche mit ihren niedrigen Preisen gut gut aufgestellt, um langfristig zu den Gewinnern am weltweiten Energiemarkt zu gehören.