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Interview

Versorger im Vorteil

Wie sieht Ihre Strategie beim Aufbau eines Energieportfolios aus?
Von den rund 1.000 Stadtwerken, die es gibt, sind wir etwa auf Platz 40. Es gibt viele kleinere, aber wir sind auch nicht so ganz groß. Da die politischen Programme bis 2050 die Versorgung komplett aus erneuerbaren Energien vorsehen, investieren wir bei der Stromerzeugung ausschließlich in Erneuerbare. Das ist unser Unterscheidungsmerkmal zu rund 90 Prozent der Kollegen-Stadtwerke. Es gibt ja viele, die in Gas- und Kohlekraftwerke investiert haben. Wir haben schon vor zehn Jahren ganz bewusst die Entscheidung getroffen, dass wir nicht mehr in Fossile investieren.

Seit zehn Jahren haben Sie nicht mehr in Fossile investiert?
Ganz entschieden. Wir haben damals – anders als Stadtwerkekonsortien wie Trianel oder Südweststrom – aufgehört, in Kohle oder Gas zu investieren. Wir haben jetzt praktisch nur noch erneuerbare Energien. Am Ende muss der Strom fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien kommen – und auf dem Weg wollen wir uns bewegen.

Wie findet man hier ein wirtschaftliches Modell?
Eine Erzeugungsanlage muss eine bestimmte Rendite abwerfen. Wir vergleichen das mit anderen Investments. Wir bekommen viele Anlagen zum Kauf angeboten. Und wenn es entsprechend windhöffige Gebiete hier in Hessen gibt, können wir auch selbst Anlagen bauen. Natürlich muss jede Anlage auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden.

Die Gewinnmargen sind nicht gerade gewachsen in den vergangenen Jahren. Und selbst Planen kann ebenfalls ein schwieriges Geschäft sein, wie Sie ja an einigen Standorten selbst erfahren haben.
Genau. Die Wirtschaftlichkeit ist stark gesunken. Da sind wir bei den heutigen Renditen und Zinssätzen mit sechs bis sieben Prozent immer noch gut. Eigenbau bedeutet die höchste Wertschöpfung, an der man verdienen kann. Man kann schon an der Bestellung der Anlagen verdienen und muss nicht schlüsselfertig von einem Projektierer kaufen. Deswegen sind dort die Renditen größer. Allerdings wartet auch keiner in Nordrhein-Westfalen auf die GGEW AG, um uns Grundstücke zu verpachten. Da herrscht ein ganz scharfer Wettbewerb: Diejenigen, die das schon seit 20 Jahren mit Herzblut machen, die scannen praktisch die ganze Republik ab. Da ist kein Grundstück, das ein bisschen windhöffig und genehmigungsfähig ist, um das nicht gleich vier oder fünf Projektierer und zunehmend auch Stadtwerke werben. Fernab unserer Heimat in Südhessen gibt es natürlich andere Energieversorger, die die Grundstücke viel besser in Beschlag haben als wir. Deshalb ist es doch manchmal der einfachere Weg, bei schlüsselfertigen Anlagen einzusteigen.

Wie gelingt es Ihnen, im Wettbewerb zu bestehen?
Wir haben vor fünf oder sechs Jahren ein eigenes Team aufgebaut. Das ist eine Gruppe von fünf Spezialisten, die jetzt auf zehn aufgestockt wird. Im Rhythmus von einem halben Jahr kommen neue Mitarbeiter dazu, die die Angebote am Markt prüfen. Wir haben jetzt fast 400 Projekte geprüft und davon 20 eigene Windräder gekauft.

Wenn man selbst plant, gibt es Fälle wie in Roßdorf. Da haben Sie lange auf die Genehmigung gewartet und dann aufgegeben, oder?
Das lange Warten stimmt, aber aufgegeben haben wir nicht. Das Gegenteil ist richtig: Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bereits in Kürze die Genehmigung für das Windprojekt Roßdorf erhalten. Wenn die Ausschreibungen kommen, soll ja laut Wirtschaftsministerium die Nähe zu den Kommunen für Stadtwerke von Vorteil sein.

Hört sich so an, als würden Sie das auch so sehen.
Wenn die Energiewende 2050 vollzogen ist, werden die Stadtwerke gegenüber der privaten Eigentümerstruktur stark zugelegt haben. Den Stadtwerken gehören derzeit nur sechs Prozent oder weniger der 27.000 Windräder in Deutschland. Die meisten, 40 Prozent, sind im Besitz privater Investoren. Dann gehören heute viele Windparks Versicherungen und Banken. Aber das verändert sich. Am Ende haben die Energieversorger einen riesigen Vorteil: Wenn keine Einspeisevergütung gezahlt wird, muss die Energie an Kunden verkauft werden. Sie müssen an der Börse aktiv sein. Sie müssen die Bilanzkreisläufe kennen. Sie brauchen die Netze, die Trafos und die Kunden. Ein Landwirt, der ein Windrad hat, greift heute die Einspeisevergütung ab. Aber wenn das mal vorbei ist und er die Anlage repowert, dann muss er den Strom an der Börse verkaufen. Da braucht man eine größere Gruppe, da hätten die Stadtwerke eine Chance. Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake kennen wir hier in Hessen gut. Der war ja unter Joschka Fischer Umweltstaatssekretär. Der liegt schon richtig, wenn er sagt, dass bei Ausschreibungsmodellen diejenigen, die vor Ort bekannt sind, einen Vorteil haben müssten. Allerdings haben die Stadtwerke auch viele Nachteile, weil sie wettbewerblich schlechter aufgestellt sind.

Ist das Geld denn vorhanden? 
Das ist auch nicht überall der Fall. Da unterscheiden wir uns auch. Die GGEW AG hat eine gute Kapitalausstattung. Aber bei vielen Kollegen fließt das Geld in die kommunalen Haushalte.
  
 Was ist der Vorteil der Poolbildung, von Windpool? 
Für uns ist es ein Riesenvorteil, gemeinsam mit 20 anderen, zum Teil auch größeren Stadtwerken wie Ludwigshafen, Gießen, Tübingen oder Karlsruhe aktiv zu sein. Ein Vorteil ist, dass wir mit den anderen Stadtwerken gemeinsam das Geld eingesammelt haben. Die Risiken, auch beim Betrieb, sind immer auf 21 Stadtwerke verteilt. Wir sind der größte Geldgeber und dadurch, dass wir die Windpool Verwaltungs GmbH übernommen haben, haben wir dort die Zügel in den Händen. Wir machen die gesamte Betriebsführung. Da können wir viel Know-how aufbauen. Unser Mitarbeiter Florian Grob, der bereits die eigenen Windräder als Chef unserer Tochterfirma betreibt, ist gleichzeitig Windpool-Geschäftsführer. Er managt Betriebsführung und Service an den 30 Windpool-Anlagen und den 20 eigenen Windrädern.
  
 Wie wird es von Ihren Kunden, den Menschen vor Ort, aufgenommen, dass Sie Windstrom produzieren? 
Wir vermarkten das offensiv. Heute ist es ja so, dass viele Leute beim Verkauf von Ökostrom Greenwashing betreiben. Der Windstrom, der in Deutschland verkauft wird, wird ja direkt an die Börse geschickt. Die kriegen die EEG-Vergütung. Wir sagen, es wird die Zeit kommen, dass ihr diesen Strom direkt kaufen könnt. Das wird von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen. Der große Teil der Bevölkerung unterstützt das.

Das Gespräch führte Nicole Weinhold für die Mai-Ausgabe unseres Print-Magazins erschienen. Gefällt er Ihnen, dann holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo .