Tilman Weber
Florian Weber, Gruppenleiter Site Assessment, Tüv Süd Industrie Service
Viele Windenergieanlagen verfügen über Lastreserven und lassen sich länger betreiben, wie in der Entwurfslebensdauer vorgesehen. Nach unseren Erfahrungen mit Weiterbetriebsgutachten gibt es viel mehr „Luft nach oben“, als die meisten Betreiber vermuten.
Um die Chancen für den Weiterbetrieb aufzuzeigen, analysieren wir unter anderem die tatsächlichen Windbedingungen amStandort, etwaige Besonderheiten der Anlagen und bereits durchgeführte Ertüchtigungsmaßnahmen. Dabei können wir sowohl einzelne Windenergieanlagen, als auch komplette Windparks oder Portfolios betrachten. Welcher Ansatz am sinnvollsten ist, hängt von der Zielsetzung des Betreibers und der Anlagenkonstellation ab. In nur drei bis vier Wochen liegt das Ergebnis unserer Analyse vor. Dazu gehört auch ein Prüfbericht, der den Grundsätzen des Bundesverbandes Windenergie entspricht. Wir empfehlen Betreibern frühzeitig aktiv zu werden, um eventuell nötige Ertüchtigungsmaßnahmen einplanen und einen reibungslosen Übergang gewährleisten zu können.
Hartmut Brösamle, Vorstand, WPD
Bei der EEG-Debatte 2020 sehen wir bei der Definition der Ausbauziele einfach zu wenig Mut. Visionen für eine erneuerbare Zukunft sehen anders aus.
Die Erhöhung der Ausschreibungsmengen ist grundsätzlich zu begrüßen, die Ziele müssten aber ambitionierter sein – und die Zielerreichung ist damit noch lange nicht gesichert. Angesichts gewünschter Sektorkoppelung ist von einem deutlichen steigenden Strombedarf auszugehen. Da andererseits eine klare Repowering-Strategie fehlt, müssen wir angesichts zu erwartender Rückbau-Volumina davon ausgehen, dass der derzeitige Nettozubau in keinster Weise ausreichen wird.
Die vorgesehene Evaluierung ist deshalb ein wichtiger Schritt, um Ausbaumaßnahmen und Tempo gegebenenfalls anzupassen – aber genau hier fehlt eine definierte Sanktionierung bei Nichterreichen der Ziele.
Viel versprechen wir uns hingegen von der kommunalen Beteiligung, die wir bereits seit Jahren gefordert haben. Dies ist ein Instrument, welches die Akzeptanz vor Ort deutlich steigern und somit Basis für mehr Genehmigungen sein wird.
Entscheidend ist letztlich aber das Volumen genehmigter Projekte. Hierfür bedarf es einerseits der Ausweisung von mehr Flächen und eine grundlegende Änderung beim – auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - völlig überzogenen Artenschutz. Wir müssen endlich weg vom Individuenschutz hin zu einem echten Populationsschutz.
Hermann Albers, Präsident, Bundesverband Windenergie
Deutschland ist der zentrale Markt der Windenergie in Europa. Auf ein Comeback setzen deshalb nicht nur wir. Industrie- und klimapolitisch muss der Zubau stark dynamisiert werden. Die Branche hat sich, jenseits politischer Unterstützung, ein solides Fundament erarbeitet. Die Zahl der Genehmigungen steigt. Ausschreibungen werden weniger massiv unterzeichnet.
Aber es bleibt viel zu tun. Die Politik muss jetzt ihre Zusagen umsetzen: Beim Windgipfel im September 2019 wurde der Abbau von Hemmnissen bei Genehmigungen angekündigt. Die Aufgabenliste Wind an Land enthielt 18 konkrete Punkte, die auf ihre Umsetzung warten. Die Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder entwarf im Juni 2020 eine Grundidee, um beim Thema Flächenausweisungen voran zu kommen. Nun also die EEG-Novelle mit Ankündigungen zu Ausbau- und Strommengenzielen, die zu niedrig sind, aber wenigstens in die richtige Richtung gehen. Die Windbranche steht vor einem neuen Boom, wenn die Politik ihrem Bekenntnis zur Energiewende nun Taten folgen lässt.
Alexander Jäger-Bloh, Geschäftsführer, Dean Gruppe
Ein deutliches Anziehen des Marktes erwarten wir erst, nachdem sich Ende 2021 eine neue Regierung zur Arbeit zusammengefunden haben wird und dann hoffentlich möglichst viele überfällige Hindernisse aus dem Weg geräumt hat.
Dann könnte in 2022 eine Belebung der Energiewende spürbar werden. Das Jahr 2021 werden wir nutzen, um mehr und mehr technologieübergreifende Projekte voranzutreiben. Auf jeden Fall gehören kombinierte Wind-PV-Projekte dazu. Der Einstieg in Power to Gas sollte uns 2021 mit einem ersten Projekt gelingen.
Dirk Güsewell, Leiter Erzeugung Portfolioentwicklung, EnBW
Der deutsche Onshore-Windmarkt scheint in den letzten Monaten wieder etwas mehr Fahrt aufzunehmen. Das sehen auch wir in unserem Portfolio und sind zuversichtlich, in 2021 wieder verstärkt Investitionsentscheidungen für Projekte aus eigener Entwicklung treffen zu können. Die Novelle des EEG schafft, in der jetzt diskutierten Form, dafür weitere Impulse.
An der strukturell unbefriedigenden Situation – deutlich zu lange Genehmigungsverfahren, deutlich zu niedrige Flächenausweisungen – wird sich jedoch absehbar nichts ändern. Mittelfristig droht sogar ein Rückgang der installierten Leistung, weil der absehbare Zubau die jetzt altersbedingt anstehenden Stilllegungen nicht kompensieren kann.
Wir als Industrie dürfen uns gleichzeitig nicht auf dem Erreichten ausruhen: während Wind offshore und PV beeindruckende Fortschritte bei den Stromgestehungskosten hinlegen, stagniert Wind onshore. Das halte ich für eine gefährliche Entwicklung, der wir uns stellen müssen. Perspektive wird unsere Technologie nur haben, wenn sie neben ihrer Klimafreundlichkeit auch kostenseitig wettbewerbsfähig ist.
Michael Class, Vorstandsvorsitzender, Juwi
2021 wird hoffentlich von einem zum 1. Januar in Kraft getretenen neuen EEG geprägt sein. Die neu festgelegten Ausbaukorridore, die Verlängerung des Referenzertragsmodells, die Einführung einer Südquote und die finanzielle Beteiligung der Kommunen werden für die Branche eine deutlich klarere Marktperspektive geben.
Positiv nehmen wir die Entwicklung bei den Innovationsausschreibungen wahr, bei denen Juwi vier Projekte erfolgreich platzieren konnte. Die Innovationsausschreibungen sollten dazu führen, dass Speicher – und in Zukunft hoffentlich auch weitere für die Energiewende erforderliche Technologien wie Elektrolyse und Power-to-X – zeitnah in nennenswerten Stückzahlen gebaut werden. Dadurch können zum einen die Netze entlastet werden, zum anderen schaffen wir zuverlässige Rahmenbedingungen, damit Unternehmen das nötige technologische Know-how sowie entsprechendes Fachpersonal aufbauen können. 2021 könnte sehr entscheidend für die Energiewende werden – auch, weil die Wählerinnen und Wähler den politischen Kurs mehrerer Landesregierungen und der neuen Bundesregierung neu bestimmen.
Markus Lesser, Vorstandsvorsitzender, PNE AG
Auf dem Weg zum Clean Energy Solutions Provider, einem Anbieter von Lösungen für sauberer Energie für Regionen und Märkte, wird PNE den Eigenbetrieb insbesondere von Windparks aber auch die Entwicklung und Realisierung von Photovoltaikprojekten im In- und Ausland weiter stärken.
Zur Strategie gehört auch die Veredlung von Strom etwa durch Power-to-X-Projekte im In- und Ausland. Strom muss speicherbar und nach Bedarf abrufbar werden. Rund um diese Vorhaben wollen wir außerdem das Dienstleistungsangebot auf eine noch breitere Basis stellen. Schließlich sehen wir uns weltweit auch nach möglichen neuen Märkten um. Wir reagieren damit auf die international steigende Nachfrage nach mehr Energie aus erneuerbaren Quellen. Dabei wollen wir einen möglichst großen Beitrag zum Erreichen des Ziels „100 Prozent Erneuerbare“ leisten.
Pierre Bauer, Geschäftsführer Deutschland/CEO Offshore, Siemens Gamesa
Sowohl in Industrienationen als auch in sich entwickelnden Ländern ist die Windenergie voll wettbewerbsfähig. 2021 wird Siemens Gamesa beispielsweise Windparks in Djibouti und Pakistan realisieren. In Schweden, wo die staatliche Förderung über die Green Certificates auslaufen soll, sind die neuen Onshore-Anlagen der 5.X Plattform die bevorzugte Wahl der Investoren wie jüngst beim 372-MW-Projekt Björnberget.
Siemens Gamesa bietet Onshore wie Offshore den größten Rotor im Markt an und trägt mit der neuen Turbinengeneration maßgeblichen Anteil an sinkenden Stromgestehungskosten und steigenden Energieerträgen. Der Offshore-Markt wird bis Mitte des Jahrzehnts zweistellig wachsen. Neben Großbritannien als bedeutendstem europäischen Markt werden in 2021 neue Akteure wie Japan, Korea, Taiwan oder die USA an Bedeutung gewinnen, wo das aktuelle Topmodell SG 14-222 DD im gigantischen 2,64 GW Coastal Virginia Offshore Projekt voraussichtlich ab 2025 installiert wird. Nach dem Corona-Jahr 2020 kann die Windindustrie weltweit einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung der Wirtschaft leisten.
Matthias Brandt, Vorstand, Deutsche Windtechnik
Im Wartungs- und Instandhaltungsservice gibt es im Allgemeinen eher wenige ausgewiesene Schwerpunkte. Denn der Anlagenbetrieb erfordert unsere Dienste anhaltend Jahr für Jahr. Eine Ausnahme bildet momentan die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung, die BNK. Auch wenn die Nachrüstung mit BNK jetzt eine weitere Fristverlängerung bis Ende 2022 erhalten hat, würde eine Aufschiebung der Maßnahmen nur zusätzliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Fälschlicherweise schieben die Menschen gerne alles nach hinten, das kann auch mehr Kosten bedeuten.
Wir planen, dass unsere BNK-Ausrüstungseinsätze 2021 ordentlich anlaufen, damit die Herausforderung der Umrüstung des gesamten Turbinenbestands bewältigt werden können. Und auch die im Entwurf des EEG 2021 vorgesehene einjährige Übergangslösung für Altanlagen gibt uns ein weiteres Jahr Zeit. Wir werden im kommenden Jahr daher auch stark in die Prüfung der Eignung von Altanlagen für den Weiterbetrieb eingebunden sein. Ebenso werden hinzugekommene neue Windparks von uns mehr Kapazitäten für die Instandhaltung erfordern. Wir haben den Vorteil im Vergleich zu kleineren Wettbewerbern, dass wir über größere personelle Ressourcen verfügen. Doch auch wir können kurzfristig und punktuell nur begrenzt neue Mitarbeiter finden. Wir bauen daher unsere Belegschaft in allen Geschäftsbereichen stetig weiter aus – auch für die Betreuung von Senvion-Anlagen, die wir nun nach der Insolvenz des Windturbinenherstellers in unseren Service mit übernehmen. Von jetzt 1.800 Mitarbeitern werden wir 2021 mindestens um weitere 200 Mitarbeiter zulegen und die 2.000-Beschäftigten-Marke knacken. Schon 2020 hatten wir 400 Personen neu eingestellt.
Diese Führungskräfte und Experten von in Deutschland tätigen Windenergieunternehmen und Branchenorganisationen haben sich an unserer Jahresumfrage zu Erwartungen an das Windenergiejahr beteiligt, die wir wie immer in der letzten Ausgabe im Jahr des gedruckten Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN veröffentlichen. Falls Sie kein Abonnent sind, können Sie hier das gedruckte Heft bestellen und im Aufmacher-Artikel die hintergründige Analyse über die zu erwartende Branchenentwicklung im kommenden Jahr lesen. Sie enthält auch die Aussagen aller 25 antwortenden Unternehmen.