Im Dezember 2004 in Betrieb gegangen, verheizt die für 44 MW thermische und 12,4 MW elektrische Leistung konzipierte Anlage seit zehn Jahren stündlich rund 13 Tonnen Holz. Jährlich sind das für die kontinuierlich auf Volllast arbeitende Maschine etwa 120.000 Tonnen. Dazu gehören Holz-Sperrmülllieferungen wie beispielsweise ausgedienter Spanplattenbruch aus Frankfurt und schwer verrottende Äste aus Kompostierungsanlagen. 25 Prozent der Holzmasse machen aber Eisenbahnschwellen aus – die Deutsche Bahn ersetzt seit Jahren die bisher aus Holzbohlen bestehenden Unterleger ihrer Gleise durch solche aus Beton. Genau dagegen richtet sich seit einem Jahr verstärkt Protest von Anwohnern. Sie fürchten giftige Ausdünstungen teerölhaltiger Schutzmittel. Nun haben die Genehmigungsbehörden erneute Messungen der Schadstoffe auf dem Kraftwerksareal angeordnet, wie eine Regionalzeitung Ende Januar meldete. Die jüngsten Begehungen durch die Behörde im Juni vergangenen Jahres hatten keine Verstöße ergeben, die Anwohner beklagen sich aber über unangenehme Gerüche.
Rings um das 25 Meter hohe Kraftwerk auf dem Gelände der Chemiefabrik Allessa im Frankfurter Osten riecht es tatsächlich ein bisschen streng. Doch oben im zweiten Stock lässt Geschäftsführer Dennis Smith keinen Zweifel, dass er andere Sorgen hat: Das zum Start des Biomassekraftwerks vor zehn Jahren vereinbarte wirtschaftliche Konzept geht wegen der unrealistisch niedrigen Preise des fossilen Brennstoffs Braunkohle kaum mehr auf.
Denn die 35-Millionen-Euro-Investition stützte sich auf ein fest vernetztes System der Energieverwertung von Biomassebrennstoff plus Einspeisung von Strom ins Netz mit einer EEG-Vergütung von 8,7 Cent pro Kilowattstunde (kWh) plus Abnahme von heißem Dampf durch das Wärme- und Energieversorgungssystem der Chemiefabrik Allessa. Den besonderen Charme liefert die Investorenstruktur: Neben der zu 90 Prozent beteiligten Mainova AG ist auch das Spezialentsorgungsunternehmen für Holz, Wisa, Eigentümer der Anlage. Wisa kann in Fechenheim die bundesweit angelieferten Eisenbahnschwellen direkt zu Geld verstromen.
Billiger Kohlestaub
Doch Allessa nimmt nur noch selten den Nahwärme-Dampf ab, seit das Unternehmen 2011 ein eigenes Braunkohlestaubkraftwerk auf dem Betriebsgelände eröffnet hat. Nach gescheiterten Klagen aus der Anwohnerschaft darf das Chemiewerk seit 2013 auch ohne weitere Gefahr von Anfechtungen die Anlage betreiben. „Der Braunkohlestaub ist als Stromäquivalenzpreis günstiger als unser Restholz“, sagt Smith. Zumal weil Allessa gegen Protest sogar der Stadtverwaltung die Anlage auf 19,9 MW ausgelegt hat und damit unterhalb der Schwelle von 20 MW bleibt, ab der der Gesetzgeber erst den Handel mit CO2-Zertifikaten für das Recht der Kohlendioxidemissionen vorschreibt. Beziehungsweise die Europäische Union (EU): So funktioniert nicht nur der Emissionshandel für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) nicht, weil eine inflationäre Ausgabe von Zertifikaten die Preise seit vielen Jahren auf unwirksame Tiefststände drückt. In Fechenheim kann sich der nun häufig auf den Kohlestaub ausweichende Energiekunde Allessa auch noch auf die staatlich geschützte expansive Braunkohleförderung in Europa sowie die Komplettbefreiung vom Zertifikate-Käufen stützen.
Daher setzt das Gemeinschaftsunternehmen von Mainova und Wisa die Energie aus dem konstant auf einer Temperatur von 850 bis 950 Grad lodernden Holzfeuer mehr in Strom als in Wärme um. „Immer im Volllastbetrieb und in Abhängigkeit von der Dampfabnahme im Chemiepark verkaufen wir den Strom in der Direktvermarktung auf dem Spotmarkt und am Regelenergiemarkt als negative Minutenreserve.“ Beim Regelstrom lassen sich dann auch mal ausnahmsweise etwas höhere Preise erzielen als die eher nie über die 8,7 Cent pro kWh des EEG-Vergütungssatzes hinausgehenden Erlöse der Spotmarktvermarktung. Dort am Spotmarkt liegen die stetig unter der wachsenden Grünstrommenge abfallenden durchschnittlichen Handelspreise bekanntlich schon bei drei bis vier Cent pro kWh – und die Netzbetreiber müssen gemäß EEG den bis zum EEG-Vergütungssatz fehlenden Restbetrag oben drauf bezahlen.
Abschreibung verlangsamt
Entsprechend hatte das Biomassekraftwerk Fechenheim Ende 2013 immer noch 16 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Der jährliche Gewinn schwankt zwischen gerade mal 300.000 Euro und 600.000 Euro – ausweislich der von 2011 bis 2013 an die Mainova abgeführten jährlichen Beträge. Das wäre auf Dauer freilich zu wenig, damit das Kraftwerk den Investoren noch ordentliche Kapitalerträge bringt. Wollen sie doch eigentlich die Investitionen noch so schnell abschreiben, dass in der auf 20 Jahre beschränkten Laufzeit der jetzigen EEG-Vergütung irgendwann sämtliche Überschüsse aus der Erzeugung auch als Gewinn verbucht werden können.
Und die Bedingungen bleiben nicht stabil: Inzwischen haben sich deutschlandweit weitere Bahnschwellen verfeuernde Kraftwerke an Strom- und Wärmenetze angeschlossen, auch in der Region. Der Preis der Abfallware des Unternehmens Deutsche Bahn steigt. Das erhöht die Kosten.
Geniales Konzept
Allerdings ist das Fechenheimer Kraftwerk schon früh als geniales Konzept geadelt worden: 2004 bereits erhielt es die Auszeichnung Climate Star, mit der das in Frankfurt ansässige europäische Klimaschutz-Städtenetzwerk Klima-Bündnis die vielfältige Anbindung des Konzeptes würdigte. Inzwischen erzeugt das zunehmend auf Stromerzeugung konzentrierte Werk jährlich 92 (2013) Gigawattstunden (GWh) Strom – das auf die Nahwärmeversorgung des Chemiewerks geeichte Konzept sah ursprünglich die Verstromung von 70 GWh vor. Weil die Mainova andererseits ihre Stromerzeugung in den inzwischen aufgrund der gefallenen Börsenstrompreise nur noch sehr selten erzeugenden modernen Gas- und Dampfkraftwerken in Irsching herunterfährt , erreichte das Biomassekraftwerk 2013 einen Anteil von immerhin 5,1 Prozent der Mainova-Erzeugung.
Dennoch spielt Fechenheim als Kraftwerksstandort weiterhin eine wichtige Rolle in Frankfurt. Denn die Mainova und die Stadt haben ehrgeizige Umwelt- und Ökoenergieziele. Den Umbau des alten Versorgungssystems hin zu einer weiterhin lukrativen Energieversorgung auch nach der Energiewende will Mainova kurzfristig mit einer Vielfalt an unterschiedlichen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen und anderen flexiblen Kraftwerken erzeugen. Ein neu geplantes Projekt sieht sogar die Erzeugung von Wärme durch Strom vor – andere Energiespeicher oder Energieumwandler wie ein Kältekraftwerk oder eine Power-to-Gas-Anlage zur Umwandlung von Strom in Gas befinden sich im Pilotstadium. Pläne der Mainmetropole, die Solarhauptstadt zu werden, will Mainova mit einem möglichst flexiblen Versorgungs-System begleiten.
(Tilman Weber)