Die Berliner Fachagentur für Windenergie an Land (FA Wind) hat in einer Auswertung der Daten zu aktuellen deutschen Windparkerrichtungen an Land sowie zu Genehmigungen neuer Windparkprojekte den frischen Schub im Onshore-Zubaugeschäft bestätigt. Nach den ersten neun Monaten zeige die Auswertung der öffentlich zugänglichen Meldungen von Netzanschlüssen und Genehmigungen im Marktstammdatenregister, dass der Bruttozubau im Jahr 2023 zu Ende September schon den Wert des gesamten Vorjahres überschritten habe, erklärte FA Wind. So schlossen die Bauteams der Branche von Januar bis September 2.436 Megawatt (MW) Nennleistung für die Netzeinspeisung an. Im vergangenen Jahr hatten sie Ende Dezember und damit erst nach allen zwölf Monaten neue Windenergieanlagen mit 2.405 MW Nennleistung installiert und ans Netz gebracht.
Die dynamische Entwicklung lasse „erwarten, dass bis zum Jahresende der Brutto-Zubau – erstmals wieder seit 2017 – die 3-Gigawatt-Schwelle überschreiten wird“, notierte die FA Wind zu ihrer Auswertung. Tatsächlich würden Ende Dezember 3,2 Gigawatt (GW) erreicht, bliebe es bei dem im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöhten jetzigen Ausbautempo. Gemessen an der jährlich neu installierten Erzeugungskapazität hatten die Windenergieunternehmen bundesweit Ende September in Windparks an Land 50 Prozent mehr Nennleistung in Betrieb genommen als im selben Neunmonatszeitraum des Vorjahres. Dies lässt sich aus den von der FA Wind gezeigten Tabellen leicht ableiten. Seit dem Einbruch des Windenergiemarktes im Jahr 2018 und erst Recht 2019 infolge eines plötzlichen Wechsels des Wettbewerbssystems hin zu den heutigen Ausschreibungen der Einspeisetarife erholt sich der deutsche Windenergiemarkt an Land kontinuierlich. Allerdings legte der jährliche Zubau 2020, 2021 und 2022 im jeweiligen Vergleich zum Vorjahr noch um nur ein Viertel bis zu einem Drittel zu.
Der deutsche Onshore-Windkraftausbau kommt nun erstmals wieder dem Niveau seiner bisher stärksten Phase nahe. Von 2014 bis 2017 hatte die Windenergiebranche jährliche Netzanschlüsse von 3,7 bis 5,3 GW (im Spitzenjahr 2017) erreicht. Dennoch bleibt der Onshore-Windenergiezubau offenbar deutlich hinter dem erforderlichen Tempo von jährlich neun Gigawatt (GW) brutto und sieben GW netto zurück, das für die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgehaltenen Ausbauziele notwendig wäre. Deutlich näher kommt die Windenergiebranche den EEG-Zielen bei den Windparkgenehmigungen. Binnen neun Monaten hätten die zuständigen Behörden grünes Licht für schon 5,2 GW neu geplanter Onshore-Windkraft in Deutschland erteilt, meldete FA Wind. Dies entspricht einem neuen Rekordwert. Bis Ende Dezember dürfte sich der Wert der neu genehmigten Projekte auf mindestens sechs GW erhöht haben, deutet FA Wind an. Im Marktstammdatenregister hat die Agentur zudem ein noch ungenutztes Potenzial von mehr als 2.400 schon genehmigten Windenergieanlagen ausgemacht, deren Bau ebenfalls bald bevorstehen könnte. Hier seien 12,4 schon freigegebene GW noch nicht realisiert.
34 Prozent des Windkraftzubaus schon durch Repowering
Besonders stark nehmen inzwischen die Projektierungen im Rahmen eines Repowerings zu. Schon jedes dritte MW Nennleistung war von Januar bis September gemäß FA Wind im Rahmen von Errichtungen neuer moderner Hochleistungswindturbinen an bestehenden Windparkstandorten hinzugekommen, für die dort im Tausch ein Abriss deutlich leistungsschwächerer Altanlagen erfolgt.
Starke regionale Schieflage bleibt bestehen
Die regionale Schieflage nimmt allerdings offenbar auch 2023 weiter zu. Sie verstärkt sich seit dem Start der Ausschreibungen. So gingen in den drei Quartalen in der Südregion aus Bayern, Baden-Württemberg, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und dem südlichen Hessen neue Windenergieanlagen mit 169 MW ans Netz. Das waren nicht einmal sieben Prozent (6,9 Prozent) des bundesweiten Zubauvolumens. Auch bei den Neugenehmigungen ist der relative Anteil der Südregion mit 7,5 Prozent noch kaum höher – die Genehmigungsbehörden gaben grünes Licht für süddeutsche Windkraftkapazitäten von 392,7 MW. Zum Vergleich: Alleine in Schleswig-Holstein, dem beim Windkraftausbau klar führenden Bundesland, nahmen die Windenergieunternehmen von Januar bis September 868,5 MW in Betrieb. Hier ging also mehr als doppelt so viel Erzeugungskapazität neu in Betrieb als im gleichen Zeitraum in der gesamten Südregion. Zu den besten Bundesländern beim Windkraftzubau zählen außerdem wie in den Vorjahren Niedersachsen mit 424,4 MW, Nordrhein-Westfalen mit 332,7 MW, Brandenburg mit 280 MW und erstmals wieder Hessen mit 136,3 MW – wobei in Südhessen gar kein Zubau stattfand. Unter den übrigen 13 deutschen Flächenländern belegten die ebenfalls noch zur Nordhälfte zählbaren Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit 81,4 und 74,7 MW den zweiten und dritten Rang. Vor beiden listet die FA-Wind-Auswertung noch Rheinland-Pfalz mit 93,3 MW. Das auch in früheren Jahren schon Windkraft-beste südliche Bundesland dürfte somit als einziges in der Südregion im Jahr 2023 zur oberen Hälfte in dem Ranking zählen.
Baden-Württemberg holt (kaum) auf
Wenig erfolgreich bleibt der Windkraftzubau in Baden-Württemberg. Das einzige von einem Ministerpräsidenten aus der Umwelt- und Energiewendepartei Bündnis 90/Die Grünen geführte Bundesland steht seit vielen Jahren hinter den eigenen Ausbauzielen weit zurück. Zwar ist das industriestarke, somit stromhungrige Bundesland, das sich als „Ländle“ vermarktet, anders als im Vorjahr nicht mehr Schlusslicht. 2022 ließ es nur das winzige, flächenmäßig kaum die Stadtstaaten übertreffende Saarland hinter sich. Doch mit 51,6 MW bis Ende September 2023 war das Südwest-Bundesland beim Windparkzubau der ersten neun Monate nur besser als das hintere Viertel der Flächenländer: das unlängst noch von besonders windkraftskeptischen Politikern gelenkte Sachsen, dessen Zubau bis September 15 MW betrug, das durch einen Quasi-Ausbaustopp blockierte Bayern, wo 21,3 MW hinzukamen, das sehr kleine Saarland mit 24,2 MW sowie das von einer faktischen ganz großen Parteien-Koalition energiepolitisch gebremste Thüringen – hier betrug der 2023-er Zubau bisher 25,6 MW. Der baden-württembergische Zubau legte im Neunmonatsvergleich mit 2022 um 31 MW zu.