Tilman Weber
Mit einer neuen Onshore-Erzeugungskapazität von zusammengenommen 287 Megawatt (MW) installierten die Windparkerrichtungsteams in Deutschland von Juli bis September immer noch um knapp ein Viertel weniger als im ersten Quartal dieses Jahres. Im Vergleich zum Zeitraum April bis Juni, als nur rund 220 MW und damit weniger als im Schnitt des Minusrekordjahres 2019 neu ans Netz gegangenen waren, gewann der Zubau an Land um nicht viel mehr als 25 Prozent hinzu. Dies geht aus einer Auswertung des Informationsdienstleisters Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) hervor.
Um den aktuellen Trend zu ermitteln, hat das IWR die Meldedaten aus dem offiziellen Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur (BNA) gemäß dem Anmeldestand vom 5. Oktober ausgewertet. Insgesamt, so kalkulieren die Marktbeobachter vom IWR, haben demnach von Januar bis September bundesweit an Land 274 neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 885,2 MW neu den Betrieb aufgenommen. So fehlen noch knapp 200 MW bis zur Negativ-Messlatte, die das Vorjahr als bisher schlechtestes Zubaujahr der vergangenen zwei Jahrzehnte hinterlassen hat. 2019 hatte der Bruttozuwachs der ans Netz angeschlossenen Turbinennennleistung nur 1.078 MW betragen.
IWR zählt bisher 885 MW und erwartet 1.200 MW im Gesamtjahr 2020
IWR stuft das bisherige Ausbautempo des aktuellen Jahres als den eigenen Erwartungen gemäß ein. Das durchschnittliche Installationstempo von rund 100 MW pro Monat neu ans Stromnetz angeschlossener Onshore-Windkraft lasse weiterhin auf einen Ausbau im Gesamtjahr um 1.200 MW tippen. Dies wäre immer noch der zweitniedrigste Wert des bundesweiten Onshore-Ausbaus seit Einführung der Vergütungsförderung für Windparks und andere Erneuerbaren-Anlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Zugleich nahm die Ungleichheit der regionalen Verteilung des Onshore-Ausbaus weiter zu. Seitdem Windparkplaner ihre Projekte zuerst in einer Ausschreibung der BNetzA für eine bestimmte Vergütungshöhe im Wettbewerb zu anderen Onshore-Windkpark-Projekten anbieten müssen, verlieren süddeutsche Bundesländer kontinuierlich an Boden. Die seit 2017 stattfindenden Bieterrunden für die Onshore-Windpark-Projektierer hatten sofort den gegenläufigen Trend der Vorjahre umgekehrt. Im vergangenen Jahrzehnt hatte die Einführung von Windturbinen mit immer größeren Rotorblättern bei kaum erhöhten Nennleistungen die Windernte in windschwächeren küstenfernen Regionen attraktiver werden lassen und zu immer mehr Windparkerrichtungen auch in bergigen küstenfernen Lagen geführt. Inzwischen blockieren aber auch noch politisch erwirkte Einschränkungen gegen das privilegierte Baurecht für Windparks den Ausbau speziell in Süddeutschland.
Ausbau auf den Norden konzentriert wie lange nicht mehr
So konzentrieren sich erstmals seit langem wieder alle fünf Bundesländer mit dem größten Neubau-Volumen auf Norddeutschland: Bezogen auf den Ausbauzeitraum Januar bis September führen Brandenburg mit 133,1 MW, Niedersachsen mit 130,7 MW und Nordrhein-Westfalen mit 130,2 MW fast gleichauf. Mit deutlichem Abstand folgen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit 89,8 und 85,1 MW. Erst auf Rang sechs findet sich das süddeutsche Rheinland-Pfalz mit 81,3 MW, das 2014 schon einmal auf der vier, 2013 sogar auf der zwei und zuletzt 2019 immerhin auf der fünf vermerkt war.
Hoffnungslichter des Südens, Bayern und Bawü, wurden Schlusslichter
Alle anderen süddeutschen Bundesländer wie Saarland, Bayern und Baden-Württemberg oder Bundesländer mit überwiegend in der Südhälfte der Republik gelegenen Landmassen finden sich nun zunehmend abgeschlagen am hinteren Ende der Statistik. So kamen bis September im Saarland nur 9 MW, in Sachsen 10,1, in Bayern 27,5, in Thüringen 30,7 und in Baden-Württemberg nur 32,1 MW neu ans Netz. Davon hatten sowohl Baden-Württemberg in den Jahren 2016 und 2017, als auch Bayern 2014 und 2015 mit jeweils Platz fünf zwischenzeitlich sehr gut abgeschnitten.
Ausbau in Schleswig-Holstein zieht wieder an
Einzig Hessen (Rang 7), wo bis September Anlagen mit 67,9 MW neu die Stromerzeugung aufgenommen haben, übertrifft noch knapp das Schlusslicht des Nordens, Schleswig-Holstein. In dem Zwei-Küsten-Land gingen in den ersten drei Quartalen 57,7 MW ans Netz. 2018 war Hessen nach längerem Aufwärtstrend einmal viertbestes beim Windenergieausbau geworden. Allerdings ist Schleswig-Holstein ein Sonderfall: Dort endet gerade ein fünfjähriger Absturz, den die Landespolitik durch ein Ausbaumoratorium bewirkt hatte. Nur noch in begründeten Ausnahmefällen durften gemäß des Moratoriums neue Anlagen installiert werden, nachdem die Rechtsprechung des Landes die öffentlich ausgewiesenen Eignungsflächen für neue Windparks in der Region für ungültig erklärt hatte. Nun endet das Moratorium.
Dass sich der Trend weiter verfestigen wird, zeigt sich auch in einer jüngst von der Fachagentur Windenergie an Land veröffentlichten Statistik zu Windparkgenehmigungen dieses Jahres. Hier stehen alle sechs Bundesländer mit überwiegend in der Nordhälfte gelegenen Landmassen inklusive Schleswig-Holsteins mit den genehmigten Projektierungskapazitäten deutlich vor den zur Südhälfte zu zählenden Ländern.
Kopf-an-Kopf-Wettbewerb der Turbinenbauer
Im Wettbewerb der Turbinenbauer ringen 2020 zwei Unternehmen in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die Führung. Windturbinenhersteller Vestas und Enercon haben bis Ende September fast dieselben Anteile am deutschen Onshore-Markt dieses Jahres erreicht: So haben die Projektierer Turbinen von Vestas mit einer Erzeugungskapazität von 292 MW und Turbinen von Enercon mit 286 MW an die Netze gebracht. Der Deutschlandmarktdritte Nordex schaffte mit 176 MW zwar noch lange nicht den Anschluss. Die Nordex-Gruppe erreichte aber erstmals einen Marktanteil von fast 20 Prozent. Auf Rang vier folgt wie zuletzt GE vor Vensys (86,2 und 42 MW).
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