Wogegen zielt ihre so genannte Popularklage genau?
Ernst Schrimpff: Die Bayerische Staatsregierung will sich bezüglich der Zulassung von Windenergieanlagen gegen jetzt geltende Vorschriften wenden. Wir wollen klagen, dass Windenergie, so wie es eigentlich vom Gesetzlichen her bisher vorgeschrieben ist, von der bayerischen Regierung behindert wird. Und dabei gibt es mehrere Ansatzpunktze die wir verfolgen wollen, die jetzt rechtlich evaluiert werden wollen …
Sie sprachen es an: Ihre Klageinitiative richtet sich inhaltlich gegen den Erlass einer Richtlinie in Bayern, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Aber in diesem Fall existiert doch auch kein Problem: Dann gilt doch die Richtlinie noch gar nicht, ehe nicht die neue große Koalition in Berlin wie von ihr geplant mit einer gesetzlichen Neuregelung die Grundlage schafft.
Schrimpff: Nein. Aber die Regierung in München hat schon die Devise an Landräte oder auch Regierungspräsidenten ausgegeben, bestimmte Anträge, die schon gestellt worden sind, nicht mehr zu genehmigen. Es handelt sich hier um vorauseilenden Gehorsam vor dem Ministerpräsidenten. Der hat sich in den Kopf gesetzt, dass Windenergieanlagen nicht gebaut werden sollen, weil sie die Landschaft angeblich verschandeln. Das ist natürlich widerechtlich. Und Herr Seehofer weiß das sehr wohl. Er hat ja auch teilweise schon zurückgerudert: Erst hatte er sämtliche Genehmigungen gestoppt und jetzt hat er gesagt: O.k., diejenigen die schon im Genehmigungsverfahren waren, sollen jetzt doch genehmigt werden. Aber das reicht uns natürlich nicht.
Sie werden also nun im Jahr 2014 noch wenig Auswirkungen der geplanten neuen Abstandsregel für Windenergieanlagen sehen, von der wir sprechen. Andererseits will die bayerische Staatsregierung ja nun sogar noch Ausnahmen zulassen – von der Abstandsregelung von bis zu zwei Kilometer zwischen Häusern und einem Windpark.
Schrimpff: Die Ausnahmen soll es geben, wenn die Bevölkerung das im Einzelfall will. Richtig. Das sind wenigstens kleine Schritte in die richtige Richtung. Aber das reicht natürlch noch nicht. Bisher sind Windenergieanlagen in der Landschaft privilegiert. Wenn Bürger oder ein Unternehmer sich entschlossen hat, eine Windenergieanlage zu bauen, und wenn alle bisher vorliegenden gesetzlichen Vorchiften erfüllt werden, dann muss die Anlage genehmigt werden. Dazu gehörten schon bisher auch Vorbehalte für Windkraft wie Abstände von 800 Metern – nicht aber von zwei Kilometern.
Wie oft wird denn die Bevölkerung im Ernstfall dafür sein, dass aktuelle geplante Projekte tatsächlich auch verwirklicht werden?
Schrimpff: Das ist sehr schwer abzuschätzen. Ich würde sagen, von den Projekten, die bisher angedacht sind, ist es die Mehrheit. Man muss wissen, dass der Ministerpräsident Horst Seehofer sich von einer Gruppe emotional geleiteter Windkraftwiderständler hat leiten lassen. Aber diese werden politisch unterstützt, nicht zuletzt durch den Geschäftsführer des Atomkraftwerkes Grafenrheinfeld. Dahinter steckt ganz klar die Absicht, Grafenrheinfeld weiterlaufen zu lassen, das gemäß dem Atomenergieausstiegsbeschluss ansonsten Ende 2015 vom Netz gehen soll. Da spielt sich hohe Politik ab, die wir eigentlich nicht tolerieren können. Wir werden also gegen die bayerische Staatsregierung klagen,
Wann hat sich Ihre Klagegemeinschaft Pro Windkraft gegründet?
Schrimpff: Wir haben uns etwa seit drei Wochen gegründet. Entsprechend den jüngsten mir vorliegenden Daten haben wir nun 10.000 von 100.000 Euro angestrebten Einlagen für die Klage durch immer neue Unterstützer bekommen. Aber ich denke, dass wir die 100.000 zusammen bekommen. Wir haben die bayerischen Solarinitistiaven auf unserer Seite. Es gibt an die 120 bis 130 bayerische Solarinitiativen, und wenn wir davon ausgehen, dass jede Solarinitiative einen 1000-der Eurobetrag aus ihren Mitgliedern rekrutieren, haben wir die 100.000 schnell beisammen. Wir sammeln einfach noch.
Wie reagieren die bayerischen Kommunen auf Sie?
Schrimpff: Teilweise sind die sehr froh. Viele bayerische Kommunen unterstützen uns. Deswegen hat ja der Seehofer zurückgerudert, weitgehend, da ja eine Menge von CSUlern auch dagegen sind. Mit Wildpoldsried bei Kempten zum Beispiel vertreten wir eine Kommune, die ganz gerne weiter bauen würde. Wildpoldrsried ist eine der führenden Windkraftkommunen in Bayern. Der Bürgermeister ist ein eminenter Befürworter der Windkraft und er hat ein Projekt von elf neuen Windenergieanlagen zusammen mit Nachbarkommunen auf die Beine gebracht – und es wird nun verhindert. Man stelle sich vor: Das ist ein CSU-Bürgermeister, nicht ein grüner Spinner. Da brodelt es in Seehofers eigener Partei und das nutzen wir bei der Gelegenheit natürlich mit aus.
Sind Sie selbst Projektier?
Schrimpff: Nein. Ich bin jahrelang erster Sprecher der bayerischen Solarintitiaven gewesen. Wir setzen uns in erster Linie für Photovoltaik ein. Aber wir wissen, dass die Energiewende nur gelingt, wenn auch die Windkraft entsprechend ihren Anteil erreicht. Und deswegen unterstützen wir hier das Bemühen, die Windkraft in Bayern zu bauen, und zwar in maßvoller Weise. Es soll nicht so maßlos geschehen, wie es auch in anderen Landschaften passiert ist. Das lässt sich auch sehr gut in Übereinstimmung mit den Interessen der Bevölkerung bringen.
Sie sagen in maßvoller Weise. Bayern hat mit 250 Megawatt neuer Turbinenaufstellungen im vergangenen Jahr genauso viel aufgestellt, wie Rheinland-Pfalz und gehört damit mit diesem Nachbarland zu den zwei besten Windenergieländern in Süddeutschland …
Schrimpff: Ja, aber wir müssen auch gewaltig nachholen. Bayern ist Schlusslicht neben Baden-Württemberg. Maßvoll bleiben heißt vor diesem Hintergrund: Wir haben uns für die Energiewende die Richtline gesetzt, dass 50 Prozent der Stromerzeugung für 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien aus der Windkraft kommt. Wenn wir die Hälfte Windstrom erzeugen wollen, brauchen wir zwei bis drei Drei-MW-Windanlagen pro Kommune. Nicht mehr. Bayern hat 2.200 Kommunen. Somit würden wir an die 6.000 Windenergieanlagen bauen. Die bayerische Staatsregierung hatte sich für 1.500 Turbinen entschieden, das hat sie jetzt wieder revidiert. Wir sagen wir brauchen 6.000: Das sind nur zwei bis drei pro Kommune, das sind lächerlich wenig.
Lächerlich wenig? Sie wollen das Vierfache dessen installiert sehen, was die bayerische Staatsregierung als Ziel gesetzt hatte.
Schrimpff: Die Zahl 6.000 erschrickt natürlich. Auch 1.500 neue Anlagen erschrecken durch die bloße Zahl. Beides kann sich keiner vorstellen. Aber wenn jede Gemeinde zwei bis drei Windturbinen baut und das nicht unbedingt auf eigener Gemarkung sondern etwa in einer Nachbargemeinde, wo auch die besten Windverhältnisse herrschen, dann findet das die Bevölkerung verträglich.
Das würde ja doch bedeuten, dass es keine Kommune in Bayern mehr gibt, von der aus keine Windenergieanlage zu sehen ist …
Schrimpff: Das muss nicht einmal sein. Es wird Kommunen geben, deren Windverhältnisse nicht ausreichend sind. Die arbeiten dann mit anderen Windkommunen zusammen. Es werden in einem Windpark in einer Kommune vier, fünf oder sechs Windenergieanlagen stehen. Bis zu sieben Windenergieanlagen pro Windpark sind vertretbar, alles darüber wird problematisch.
Hand haufs Herz: Angesichts der jetzigen Ausgangslage wären Sie doch schon mit einer Anlage pro Kommune zufrieden?
Schrimpff: Nein, nein, wir wollen die Energiewende. Wir wollen 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien, wir wollen keine Atomkraft, keine Kohlekraft. Und dazu brauchen wir mehr als eine Windenergieanlage pro Kommune.
Bis wann wollen Sie die 100.000 Euro durch die Unterstützer für die Klage gesammelt haben?
Schrimpff: Wir hoffen, dass wir sie in den nächsten zwei Monaten haben und dann geht es los.
Ernst Schrimpff ist stellvertretender Vorstand des Fördervereins Klimaschutz - Bayerns Zukunft. Sie bereitet eine Popularklage gegen die plötzlich wieder restriktive Windenergiepolitik der bayerischen Staatsregierung vor. Das Gespräch führte Tilman Weber