Zuletzt hat am Freitag Siemens Gamesa den Kauf von 70 Anlagen der größten Onshore-Windturbine auf dem Weltmarkt gemeldet. Deren erstes Exemplar beziehungsweise Pilotanlage errichtete das deutsch-spanisch-dänische Unternehmen wohl kurz davor in Dänemark. Das Energieunternehmen Engie, so meldet Siemens Gamesa nun, bestellte die Turbinen des neuen Anlagentyps SG 5.8-170 für den Bau des Windparks Santo Agostinho mit 434 Megawatt (MW) und dessen Netzanschluss im Jahr 2023. Die flexibel in einem Kapazitätsbereich von bis zu 6,6 MW einstellbaren Turbinen sollen für dieses Projekt ein Rating von 6,2 MW Nennleistung erhalten.
Doch die Bestellung ist bereits die dritte allein aus Brasilien für die neue Anlagengeneration SG 5.X. Zu dieser Maschinengeneration gehören Turbinenvarianten mit den zwei Rotorgrößen 155 und 170 Meter Durchmesser. Im Dezember hatte Siemens Gamesa mit einem Kunden bereits einen Vertrag zur Lieferung derselben Anlage mit 170 Meter Rotordurchmesser und 6,2 MW für das 465-MW-Projekt São Vitor unterzeichnet. Dieser Windpark, bestellt von einem Investmentfonds, soll bis 2022 entstehen. Davor, im Frühjahr, hatte als erstes brasilianisches Kundenunternehmen der Energieversorger AES seine Pläne mit dem Typ SG 5.8-170 vorgestellt – und Aufträge für Windenergieanlagen mit 6,0 MW Nennleistung erteilt. AES sieht den Netzanschluss des 312-MW-Windparks Tucano noch in diesem Jahr vor.
Zu diesen insgesamt aus Brasilien gewonnenen Bestellungen mit 1,2 Gigawatt (GW) Gesamtvolumen kommen weitere eingegangene Orders aus Europa. Insgesamt belaufen sich die Buchungen für die neue Anlagenplattform schon auf 2,2 GW. Die Produktion für die Bestellungen aus Brasilien soll im brasilianischen Werk Camacari erfolgen, womit Siemens Gamesa nationale Vorgaben erfüllt: Die Anlagen müssen zu einem gewissen prozentualen Anteil ihrer Komponenten und Bauteile in Brasilien gefertigt worden sein.
Siemens Gamesa ist indes keine Ausnahme. Auch Vestas hat für die neue Plattform im Unternehmensportfolio mit dem Markennamen Enventus schon mehr als zwei GW im Orderbuch stehen. Die 2,0-GW-Latte übersprang das Unternehmen schon Ende Dezember, als es die Bestellung für einen 504 MW starken Windpark in Kolumbien meldete. Wer die Investorenfirma ist, durfte Vestas noch nicht verraten, ebenso wenig den Standort des Projekts. Klar ist, dass die Firma 90 Turbinen vom Typ V162-5.6 MW wünscht, Anlagen also einer Nennleistung von 5,6 MW. Und dass dies für Vestas die erste Bestellung für die neue Plattform aus Südamerika ist.
Die übrigen Lieferadressen in den Vestas-Auftragsbüchern für Enventus finden sich in Europa und den USA, wobei mit Abstand die meisten Aufträge für Finnland eingebucht sind. Die erste Bestellung war bereits im Juni vorigen Jahres bei den Dänen eingegangen. Die ersten Bestellungen galten allerdings noch der zweiten, kleineren Plattformanlage mit 150 Meter Rotordurchmesser, V150-5.6 MW. Auch hier gingen die Bestellungen bereits ein, bevor überhaupt die ersten Testanlagen standen. Die Pilotanlage V162 am dänischen Teststandort Østerild war beispielsweise erst nach ihrer Errichtung Anfang Oktober 2020 in Betrieb gegangen. Die erste Bestellung für V162 hatten die Dänen aber sogar bereits im November 2019 verzeichnet, fast ein Jahr früher.
Mit den Fünf- bis Sechs-MW-Anlagen kommen derzeit bei Investoren weltweit stark begehrte Windenergieanlagen auf den Markt, die sich mit flexiblen Ratings auf individuelle Nennleistungen weit oberhalb der für die Plattform garantierten Mindestkapazität einstellen lassen. So gilt als Standardwert der Vestas-Anlage V162 beispielsweise inzwischen die Nennleistung 6,0. Die Siemens-Gamesa-Anlagen der Plattform SG 5.8 lassen bisher bereits einen Betrieb in einem Einstellbereich bis 6,6 MW zu. Die Kunden vereinbaren die jeweiligen Ratings zusammen mit den Anlagenlieferanten in Abhängigkeit vom geplanten betriebswirtschaftlichen Betreibermodell, von den Netzbedingungen oder von den Standortverhältnissen. Und das Vertrauen in die neue Technologie ist offenbar so groß, dass die Bestellungen in bisher zu diesem frühen Zeitpunkt von Windturbinenmarkteinführungen unüblich großen Dimensionen erfolgen.
Das im Vergleich zu den beiden Marktriesen Vestas und Siemens Gamesa eher kleinere Windturbinenhersteller Nordex meldet derweil ebenfalls Bestellungen an der Gigawattgrenze für die neue Anlagenplattform. Alleine die größte der drei auf der neuen Plattform Delta 4000 angesiedelten Turbinentypen, die N163-5.X, brachte schon Aufträge im Volumen von 877 MW ein. Ende 2020 meldete Nordex die erste Bestellung aus Südamerika für diese Turbine: für den geplanten 508 MW großen Windpark Ventos de Santa Eugenia in Brasilien. Der bestellende Kunde ist die brasilianische Regenerativenergietochter des norwegischen Energiekonzerns Statkraft. Vorgesehen ist ein Anlagenrating mit 5,7 MW.
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