Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung ist schon von vorn herein so angelegt, dass es scheitern muss. Die Begründung: Die Bürger sollen finanziell nicht überfordert werden. Dass das nur ein vorgeschobenes Argument der Bundesregierung ist, um das eigene Desinteresse oder Versagen zu verschleiern, zeigt eine aktuelle Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) – zumindest was die Angst vor steigenden Strompreisen im Zuge der Energiewende betrifft.
Denn die Forscher haben sich die historischen Spotmarktpreise an der Strombörse für die Jahre 2011 bis 2018 angeschaut. Dabei ist herausgekommen, dass die Behauptung, die Erneuerbaren würden die Strompreise nach oben treiben, eine Lüge ist. Denn das Diskussionspapier, dass die Forscher der FAU im Auftrag des Ökoenergieanbieters Elektrizitätswerke Schönau (EWS) erstellt haben, zeigt, dass die Mehrkosten für die Förderung der Ökostromanlagen über die EEG-Umlage weit unter den Mehrkosten gelegen hätten, die die Stromkunden bezahlt hätten, wenn die Windkraft- und Solaranlagen nicht gebaut würden. Denn die Erneuerbaren wurden zwar mit einem Einspeisetarif gefördert, der über das EEG-Konto gewälzt wird. Aber sie haben auch die Großhandelspreise an der Strombörse gedrückt. Das wiederum hat die Mehrkosten durch die Förderung mehr als ausgeglichen.
100 Milliarden Euro eingespart
Der Grund ist der Merit-Order-Effekt. Denn an der Strombörse gehen die Windkraft- und Solaranlagen ohne laufende Betriebskosten in den Wettbewerb. Die Betriebskosten der Kraftwerke wie Kosten für die Brennstoffe bestimmen wiederum den Börsenstrompreis. Wenn Kraftwerke ohne Betriebskosten gelistet werden, treiben sie den Strompreis nach unten.
Aufgrund dieses Effekts haben die Windkraft- und Solaranlagen für niedrigere Strompreise gesorgt. Aus den Daten haben die Forscher berechnet, dass schon zwischen 2011 und 2013 die Stromkunden 30 Milliarden Euro aufgrund des Zubaus von Ökostromanlagen gespart haben. Zwischen 2014 und 2018 kamen noch einmal 40 Milliarden Euro an Einsparungen aufgrund der gesunkenen Stromkosten dazu. Dieser Trend wurde nur unterbrochen durch die Inbetriebnahme von Kohlekraftwerken, die 2014 und 2015 fertiggestellt wurden. Durch die Stilllegung weiterer Atom- und Kohlekraftwerke wurde das aber mehr als kompensiert. Insgesamt hätten die Verbraucher in Deutschland im untersuchten Zeitraum 45 Prozent mehr für ihren Strom bezahlen müssen, wenn der Ausbau von Windkraft und Solaranlagen nicht stattgefunden hätte.
Sinkender Strompreis treibt die EEG-Umlage
Durch die Änderung der Wälzung der Kosten für die Förderung von Ökostromanlagen im Jahr 2009 durch die erste große Koalition unter Angela Merkel wurde die EEG-Umlage eingeführt. Diese ist die Differenz zwischen den Erlösen aus dem Ökostromverkauf an der Börse und der Einspeisevergütung für die Anlagenbetreiber. Da die Solar- und Windkraftanalgen aber die Strompreise an der Börse senkten, musste automatisch die EEG-Umlage steigen.
Dieses Börsen-Paradoxon 2009 sowie die massive Ausweitung von Industrieprivilegien im Jahr 2012 erhöhten die Umlage überproportional zur tatsächlichen Förderung der Energiewende. Die Sonderkostenblöcke werden in der öffentlichen Wahrnehmung den erneuerbaren Energien zugeschrieben. „Das FAU-Diskussionspapier ist daher hilfreich, um mit den Kostentreiber-Mythen aufzuräumen“, stellt Sebastian Sladek, Vorstand der EWS, klar. „Für Menschen, die weder die Kosten noch den Wert der Energiewende kennen, hilft das FAU-Diskussionspapier bei der Einschätzung der Kosten. Der Wert der Energiewende erschließt sich denen, die der Klimawissenschaft zuhören. Das limitierte CO2-Budget, welches in spätestens einer Dekade aufgebraucht ist, lässt ein Weiter-So nicht zu. Auch im Hinblick auf die Folgekosten-Lawine, die der menschengemachte Klimawandel auslöst.“
Ausbau vervierfachen
Sladek stellt klar, dass der Ausbau der Erneuerbaren vervierfacht werden muss, damit die Klimaschutzziele erreicht werden, wie sie im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart wurden. Da ist die nahezu Verdopplung des Ausbauziels für Photovoltaikanlagen von 49 auf 96 Gigawatt, wie es die Bundesregierung im Klimaschutzprogramm beschlossen hat, zwar ein erster Schritt. Aber das wird nicht reichen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu kommt noch der stagnierende Ausbau der Windkraft an Land. Der zu langsame Ökostromausbau wird auch durch die kommenden Stilllegungen fossil-nuklearer Kraftwerkskapazitäten das Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht hin zu höheren Börsenpreisen verschieben. „Um die daraus zu erwartenden Strompreissteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 im Rahmen zu halten, ist ein massiver und schneller Ausbau der erneuerbaren Energien unabdingbar.“, betonen die Forscher der FAU.