Der endgültige Entwurf der Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) zur Beschleunigung des Offshore-Windkraft-Ausbaus in der deutschen Nordsee und Ostsee sieht im Vergleich zum Referentenentwurf vom März noch mehr Schubkraft vor. Den Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium hatte die Regierung vor knapp einem Monat den Bundesländern in ihrer parlamentarische Kammer Bundesrat vorgelegt. Er bestimmte für kommendes Jahr noch ein Ausschreibungsvolumen von 6.000 bis 7.000 Megawatt (MW), für 2024 bis 2026 Ausschreibungen von 5.000 bis 6.000 MW und ab 2027 von jährlich 4.000 MW. Der tatsächliche Gesetzentwurf erhöht nun diesen Anschub noch einmal kräftig: Die Ausschreibungen 2023 und auch 2024 durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) sollen demnach jeweils Projektvergütungszuschläge für 8.000 bis 9.000 MW an die bietenden Offshore-Windpark-Unternehmen austeilen. Demgegenüber wird die BNetzA 2025 und 2026 mit Ausschreibungen von 3.000 bis 5.000 MW wieder deutlich Tempo rausnehmen, um ab 2027 ebenfalls jährlich 4.000 MW anzubieten.
Seit Einführung der Ausschreibungen zur Vergabe von Vergütungsrechten für Offshore-Windparks im Jahr 2017 hatte die Politik grob gemittelt nur Zuschläge für rund 1.000 MW jährlich zugelassen. Wie schon im Referentenentwurf vorgesehen sieht der Gesetzentwurf der WindSeeG-Reform für eine derartige Erhöhung des Ausschreibungsvolumens eine Verdopplung der Planungsflächen und eine zweite Ausschreibungsspur vor. So sollen schon ab 2023 Ausschreibungen auch für nicht staatlich voruntersuchte Eignungsflächen hinzukommen. Zunächst sollen noch die voruntersuchten Flächen eine größere Rolle spielen. Doch ab 2027 gilt gemäß Entwurf dann die feste Aufteilung der Ausschreibungszuschläge jeweils zur Hälfte für staatlich voruntersuchte und nicht staatlich voruntersuchte Flächen. Die Ausschreibungen für die zentral voruntersuchten Flächen sollen immer am 1. Juli, die für die nicht staatlich voruntersuchten Flächen am 1. August stattfinden.
Auch die Vergütung der Einspeisung ändert sich für alle ab 2023 bezuschlagten Projekte. Demnach werden diese künftigen Offshore-Windparks, so sie auf voruntersuchten Flächen entstehen, ihre Einnahmen gemäß dem sogenannten Differenzvertragsmodell erzielen. Das Modell entspricht dem in Großbritannien üblichen System der Contracts for Difference. Dessen Einführung hierzulande hatten die Organisationen der Offshore-Windkraft-Branche in Deutschland wiederholt eingefordert. Demnach erhalten die Betreiber der Offshore-Windparks zwar wie bisher von den Netzbetreibern einen Zuschlag auf den durchschnittlich an den Stromhandelsbörsen erzielbaren Marktwert, der im Falle eines höheren bezuschlagten Vergütungstarifs diese Unterdeckung genau ausgleicht. Doch falls der Marktwert den Zuschlagswert übersteigt, müssen die Offshore-Windparkbetreiber künftig die Mehreinnahmen aus dem Stromhandel den Netzbetreibern überlassen, statt sie wie bisher als Extra-Gewinne einzustreichen. Die Regelung soll so zu realistischeren, wohl etwas höheren Geboten führen – bei dafür insgesamt geringeren volkswirtschaftlichen Kosten. Wie bisher erteilt die BNetzA die Zuschläge an die Bieter für Projekte auf voruntersuchten Flächen, die die niedrigsten Vergütungspreise verlangen.
Für Projekte auf nicht zentral voruntersuchten Flächen soll es hingegen keine preisliche Förderung geben. Die Betreiber dieser künftigen Windparks werden Einnahmen aus dem eingespeisten Strom einzig entweder im Stromhandel oder insbesondere im Rahmen langfristiger Stromabnahmeverträge, sogenannter Power Purchase Agreements (PPA), erzielen. PPA-Vertragspartner sind große Stromhandelsunternehmen oder meist Wirtschaftskonzerne, die sich zu einem möglicherweise leicht über dem langfristigen Marktwert vereinbarten Tarif stabile Strompreise sichern. Die Projektierer solcher Vorhaben müssen in den Ausschreibungen außerdem zusätzlich eine Zahlung anbieten, deren Höhe für die Zuschläge eine Rolle spielt. Doch mehr noch erfolgen die Zuschläge für Projekte auf nicht zentral voruntersuchten Flächen nach qualitativen Kriterien: Die Vorhaben mit den höchsten Energieerträgen, dem größten PPA-Anteil, den umweltfreundlichsten Verankerungen im Meeresboden und guter Recyclingfähigkeit der Rotorblätter gewinnen die Ausschreibungen.
Wie schon der Referenten- definiert der Gesetzentwurf zu den Ausschreibungen für nicht voruntersuchte Flächen das zu erwartende Ertragsvolumen gemäß der Summe der überstrichenen Rotorflächen. Zur Umweltfreundlichkeit der Gründungen nimmt es der Gesetzentwurf nun aber genauer als noch der Referentenentwurf: Nun sind diejenigen Gründungstechnologien im Vorteil, die beim Bau am wenigsten Schall verursachen und damit weniger Meerestiere schädigen und die den Meeresboden am wenigsten versiegeln.
Etwas nachgebessert hat die Regierung noch beim Höchstwert für die Vergütung. Den hatte der Referentenentwurf im Vergleich zu den im aktuellen WindSeeG für 2023 zulässigen 6,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf 5,6 Cent pro kWh abgesenkt. Und ab 2024 sollte dann ein Höchstwert von 5,2 Cent pro kWh gelten. Der Gesetzentwurf für die erste Lesung sieht aber nun 5,8 Cent für 2023 und 5,4 Cent pro KWh ab 2024 als Höchstwert vor.
Eindeutig legt der Gesetzentwurfnun auch den 1. Januar 2023 als ersten Geltungstag des Gesetzes fest. Weil aus dem Bundesrat allerdings noch keine Stellungnahme der Bundesländer zum Referentenentwurf kam, sollen diese Stellungnahme sowie die Antwort der Bundesregierung noch nachgereicht werden.