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Kommentar zur Agrarindustrie

Klimaschutz muss bei den EU-Subventionen endlich berücksichtigt werden

Nicole Weinhold

Wollen wir unsere Klimaziele irgendwann einmal erreichen, dann muss auch die Landwirtschaft eine deutliche Wende erleben. "20 bis 25 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßen entfallen auf die Landwirtschaft und Landnutzung", erklärt Benjamin Bodirsky vom Potsdaminstitut für Klimafolgenforschung (PIK). Wer diese Hausnummer zur Kenntnis nimmt, kann sich über die EU-Agrarpolitik nur wundern. Bisher war es so, dass Subventionen vor allem nach dem Gießkannenprinzip ausgeteilt wurden. Das heißt, wer einen Hof hat, stellt einen Antrag auf Subvention. Dem wird grundsätzlich stattgegeben. "Pro Hektar gibt es 300 Euro, egal was wir machen", sagt Phillip Brändle von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. 60 Milliarden Euro an Subventionen kommen so jährlich in der EU zusammen - das sind übrigens 50 Prozent der Einnahmen der Landwirte in der EU und es ist ein Drittel des gesamten EU-Haushalts.

Jetzt wird im Zuge der EU-Agrarreform (GAP) für die Jahre 2020 bis 2027 entschieden, ob die 60 Milliarden Euro weiterhin nach diesem Verfahren verteilt werden soll. Konstantin Kreiser vom Nabu schickt schon mal vorweg: "Vorschläge für eine Umverteilung liegen vor, aber die Bundesregierung und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wollen die Gießkannenpolitik beibehalten." Dabei bietet sich jetzt die Gelegenheit, die Gelder so zu verteilen, dass Klimaschutz und Ökologie einen Wert bekommen. Eine Verteilung im Sinne der sauberen Landwirtschaft hätte eine kraftvolle Lenkungswirkung. Das ist jetzt die Chance, einen deutlichen Richtungswandel in der Landwirtschaft vorzunehmen. Vielleicht hätte die Grüne Woche dann auch irgendwann einmal ihren Namen verdient.

Demo für Klimaschutz in der Landwirtschaft

Im Vorfeld der Grünen Woche in Berlin machen Verbände, Bauern und Verbraucher mit einer "Wir haben es satt"-Großdemo am Samstag, 19.1., ab 12 Uhr am Brandenburger Tor in Berlin auf das Problem aufmerksam. Im Vorfeld wurde bereits ein Mahnmal errichtet. Das "weltweit kleinste Agrar-Mahnmal, auf dem im Maßstab 1:87 die ungerechte Verteilung der Flächensubventionen in Deutschland dargestellt ist." Darauf ist in einem Modellbau-Szenario zu sehen, wie ein einzelner Landwirt auf einem riesigen Geldturm sitzt. Ihm gegenüber eine ganzen Schar an Bauern, die jeweils über ein einzelnes Geldstück verfügen. Ministerin Klöckner stand nicht für eine Übergabe zur Verfügung, das wird vielleicht am Samstag zur Demo nachgeholt.

Was genau läuft falsch? Die Subvention pro Hektar für dazu, dass immer größere Höf entstehen und die kleinen Betriebe verdrängt werden, weil Agrarindustrie im großen Stil am meisten von der EU bekommt. Laut Brändle gehen 80 Prozent der Agrarsubventionen an 20 Prozent der Betriebe. 100.000 Betriebe seien in den vergangenen Jahren geschlossen worden. "Saubere Landwirtschaft muss einen Wettbewerbsvorteil haben", sagt Bodirsky. Er schlägt daher eine Stickstoffüberschuss-Besteuerung vor. Dadurch würden es einen Anreiz geben, Lachgas und Ammoniak zu reduzieren. 2018 sei bereits eine Stoffstrombilanz eingeführt worden, die aber ein reines Dokumentationsinstrument ist. Zweiten müssten nach seiner Einschätzung Moorböden wieder belegt werden, da hier viel CO2 gebunden werden könnte. Drittens spricht er sich für eine Besteuerung der Methanemissionen von Widerkäuern aus. Bodirsky weist darauf hin, dass die Klimagase durch Zerstörung der Moore, Überdüngung und durch Methan bei Widerkäuern mit Abstand den Größten Anteil am CO2-Ausstoß in der Landwirtschaft haben. Verarbeitung und Transport seien dem gegenüber zu vernachlässigen.

Konsumenten die etwas fürs Klima tun wollen, sollen nach seiner Aussage weniger vorverarbeitete Produkte und weniger tierische Produkte kaufen - stattdessen mehr Gemüse, Getreide, Nüsse.

Punktesystem für mehr Gerechtigkeit

Brändle erläutert das Prinzip einer Agrarförderung nach einem Punktesystem. Dort werden für verschiedene Leistungen Punkte vergeben - etwa für eine Fruchtfolge, die verhindert, dass der Boden ausgelaugt wird, oder für Biolandwirtschaft.

Ein Mißverhältnis besteht auch bei den Produktpreisen, die der Konsument zahlt. Sabine Werth von der Berliner Tafel weist darauf hin, dass Fleisch- und Wurstprodukte die Billigheimer sind, während Bioprodukte teurer sind. Letztere würden am Ende bei der Tafel landen, weil viele lieber zu Billigprodukten greifen.

Letztlich ist die Landwirtschaft nicht nur Verursacher von Klimagasen, sondern sie leidet auch darunter. Biobauer Lucas Lütke Schwienhorst weist darauf hin, dass der Hitzsommer zu einem Ernterückgang um 45 Prozent geführt habe. Er hat zusammen mit drei weiteren landwirtschaftlichen Betriebe die Bundesregierung auf Einhaltung der Klimaziele 2020 verklagt. Die Klage ist noch nicht angenommen und das 2020-Ziel ist nach Expertenansicht auch nicht mehr zu schaffen. Gleichwohl ist es ein Zeichen, dass Landwirte umdenken. Sie sehen nicht mehr nur die Förderung, sondern auch die Probleme durch den Klimawandel.

Viel zu lange schon hat sich die Landwirtschaft nicht bewegt. Aufgrund ihrer starken Lobby hat sie sich politisch in eine Komfortzone begeben, die langfristig ins Abseits führt. Der Druck auf Landwirte wird immer größer, genau das Gegenteil zu tun von dem, was für die Gesundheit der Menschen sinnvoll wäre. Statt hochwertiger Bioprodukte gibt es nur noch billige Massenware. Und dafür wird die Agrarindustrie auch noch von der EU belohnt. Diese rückschrittliche Politik muss aufgegeben werden. Wer tierfreundliche, gesunde Produkte anbieten und seine Mitarbeiter anständig bezahlt, muss belohnt werden, nicht genau die andere Seite.

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