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Biodörfer ohne Heizung?

Katharina Wolf

In Krebeck hatten sie eigentlich alles richtig gemacht: eine Energiegenossenschaft gegründet, eine Biogasanlage gebaut, den Strom über das EEG vermarktet und mit der Abwärme aus den vier dezentralen Blockheizkraftwerken (BHKW) über zwei Nahwärmenetze 300 Anschlüsse in zwei Dörfern versorgt. Und es sollte ausgebaut werden: Nach den Diskussionen über das Gebäudeenergiegesetz und dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei ein regelrechter Run losgegangen, sagt der Vorsitzende Karl Heine. „Wir wollten über einen Satelliten noch ein drittes Dorf mit unserer Wärme beliefern.“ Eine Machbarkeitsstudie wurde erstellt und um sich einen auskömmlichen Strompreis auch für die Zeit nach der EEG-Vergütung zu sichern, nahm die Genossenschaft im Oktober 2023 an der Ausschreibung Bioenergie teil – und ging leer aus. Mit 19,29 Cent pro Kilowattstunde war ihr Gebot knapp zu hoch, bei 18,48 Cent lag das höchste bezuschlagte Gebot im Norden. Die Ausschreibung war dreifach überzeichnet.

Nun muss die Genossenschaft neu rechnen. Bis 2029 läuft die EEG-Vergütung. Für den Anschluss des dritten Dorfes müssten sieben Millionen Euro investiert werden. „Diesen Invest bekommen wir in dieser kurzen Zeit nicht zurück“, so Heine. Was tun? Das Geschäftsmodell ist ein Kombiprodukt: Stromvermarktung zum gesicherten Preis plus Wärme. „Im schlimmsten Fall legen wir 2030 die Anlage still, lösen die Genossenschaft auf und die Leute müssen sich eine neue Wärmequelle suchen.“

Im schlimmsten Fall legen wir die Anlage still und die Leute müssen sich eine neue Wärmequelle suchen.

Karl Heine, Vorsitz, Energiegenossenschaft Wollbrands­hausen-Krebeck

Der Fachverband Biogas nennt diese Entwicklung Sterbekurve: Allein in diesem Jahr endet für gut 2.000 Biogasanlagen die EEG-Vergütung. Die Abwärtskurve wird im Laufe der kommenden Jahre steiler, wenn die zubaustarken Jahre ab 2008 an der Reihe sind, als bis zu 800 Anlagen mit 1.000 Megawatt (MW) in Betrieb gingen. Damit kristallisiert sich ein Problem heraus, das bislang noch kaum auf der Agenda stand. Denn die Biogasanlagen erzeugen nicht nur Strom, den sie witterungsunabhängig ins Netz einspeisen können, sondern viele von ihnen versorgen über Nahwärmenetze auch Haushalte, Schulen, Schwimmbäder oder kleine Industriegebiete mit günstiger Wärme. „In Niedersachsen wurden 2021 mehr als 70 Prozent der Wärme genutzt“, sagt Joost Kuhlenkamp, Referent Bioenergie und Wärme beim Landesverband Erneuerbare Energien in Niedersachsen (LEE). „Wenn die Anlagen ihren Betrieb einstellen, weil sich der Stromverkauf nicht mehr rechnet, fällt auch diese klimafreundliche Wärmeversorgung weg.“ Die Menge ist nicht unerheblich: Laut Umweltbundesamt stellte gasförmige Biomasse 2023 insgesamt 22,6 Milliarden Kilowattstunden Wärme zur Verfügung und lieferte damit elf Prozent der erneuerbaren Wärme.

Sinkende Ausschreibungsmengen

Das Problem werde sich verschärfen, ist Joost Kuhlenkamp überzeugt: „Die Ausschreibungsmengen für Biomasse sinken in den kommenden Jahren von 600 MW im Jahr 2023 auf 500 MW in diesem und 300 MW ab dem Jahr 2026. Die Mengen für die Biomethanausschreibung bleiben hingegen mit 600 MW gleich.“ Doch für dieses Geschäftsmodell, ins Erdgasnetz eingespeistes Biogas zur Stromerzeugung zu nutzen, gab es 2023 kein einziges Gebot. Gleichzeitig droht vielen bestehenden Biogasanlagen, keinen Zuschlag in der für sie vorgesehenen Biomasseausschreibung zu bekommen, und damit schlimmstenfalls die Stilllegung.

Die Wärmekunden der Energiegenossenschaft Wollbrandshausen – Krebeck eG müssen noch keine alternativen Heizungspläne aufstellen, Heine will so schnell nicht aufgeben. „Die Auflösung ist Plan C“, stellt er klar. Plan A wäre, wirtschaftlich weiterzuarbeiten, indem ein wachsender Anteil des Biogases zu Biomethan aufbereitet und ins Gasnetz eingespeist wird. Plan B sei die Verbrennung von Biogas zur direkten Wärmeversorgung.

Anderswo könnte es schneller zu Ende gehen mit der Wärmeversorgung, warnt Heine. Denn viele Biogasanlagen würden von Landwirten, nicht von Genossenschaften betrieben. „Wenn sich dann der Betrieb nicht mehr rechnet, wird die Anlage stillgelegt, ohne lange nach aufwendigen Alternativen zu suchen.“ Es bräuchte in den Ausschreibungen neben einem ausreichenden Volumen einen Wärmebonus für Nahwärmeversorgung, um die bereits vorhandenen Wärmenetze zu retten, sagt Heine. „Dann würde es sich auch lohnen, in die Effizienz der Netze zu investieren, um mehr Kunden anschließen zu können.“

11 Prozent der erneuerbaren Wärme in Deutschland kamen 2023 aus Biogasanlagen.

Imageschaden für die ländliche Wärme

Dazu kommt der Imageschaden für die ländliche Wärmewende, wie ein Blick ins niedersächsische Dorf Westertimke zeigt. Dort will die Kommune eine Wärmeversorgung mithilfe bereits bestehender Biogasanlagen außerhalb des EEG organisieren. Auch hier war die Nachfrage im Ort nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gewaltig, wie die Initiatoren Bürgermeister Knut Ehlert und Magnus Sackmann, kaufmännischer Leiter beim Anlagenbetreiber Schnackenberg, berichten. „100 von 180 Haushalten wollen wir anschließen, im Jahr 55 Tonnen CO2 einsparen.“ So groß war der Bedarf, dass statt Schnackenberg nun ein anderer Betreiber die Wärmelieferung übernehmen wird. „Für uns wurde das zu groß“, so Sackmann.

Das Konzept: Die Grundlast für die Wärmeversorgung liefert die Biogasanlage vor Ort, ein Pufferspeicher mit 2.500 Kubikmetern Fassungsvermögen dient zur Überbrückung, wenn das Blockheizkraftwerk der Anlage keinen Strom und damit auch keine Wärme liefert, die Spitzen sollen mithilfe einer Holzhackschnitzelheizung oder einer Großwärmepumpe abgefangen werden. Den Strom könnten unter anderem PV-Anlagen liefern, die aus dem EEG gehen. Eine Machbarkeitsstudie, gefördert durch die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), liegt vor.

Was fehlt, ist die Baugenehmigung für den Pufferspeicher. Der zuständige Landkreis Rotenburg/Wümme entschied, ein Pufferspeicher sei im Außenbereich kein privilegiertes Vorhaben. „Die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Vorhabens können daher nur durch Bauleitplanung geschaffen werden“, teilte die Behörde auf Nachfrage mit. „Das ist doch widersinnig, einerseits zu fördern und andererseits nicht zu genehmigen“, so Ehlert. Das Aufstellen des Bebauungsplans koste mindestens zwei Jahre, befürchtet der Bürgermeister, der sich nun an die Landesregierung gewandt hat. „Wir könnten jetzt loslegen“, so Ehlert. „Interessenten, Plan, Geld, es ist alles da.“ In zwei Jahren aber könnten sich die Bedingungen wieder verändert haben, Interessenten abspringen. Und er fürchtet auch um die Signalwirkung: „Westertimke ist wirklich ein Musterdorf mit ausgeglichenem Haushalt, alle ziehen an einem Strang“, so Ehlert. „Mir wurde schon gesagt: Wenn ihr das nicht schafft, brauchen wir gar nicht erst anzufangen.“

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