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Agrothermie: Erdwärme vom Acker als zweites Standbein für Landwirte

Der Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TU Dresden hat zusammen mit dem brandenburgischen Unternehmen Doppelacker aus Petershagen das System der Agrothermie entwickelt. Dabei geht es um die Doppelnutzung von Ackerflächen sowohl für die Landwirtschaft als auch als Geothermiefeld. Dazu verlegt ein Spezialpflug Erdkollektorrohre in zwei Metern Tiefe. Dort liegen die Bodentemperaturen zwischen fünf Grad Celsius im Winter und 15 Grad Celsius um Sommer.

Energie fürs kalte Nahwärmenetz

Diese Wärme kann über die Erdkollektorrohre entzogen werden. Sie wird danach in ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz eingespeist. Dabei handelt es sich um ein Wärmenetz, das mit sehr niedrigen Übertragungstemperaturen arbeitet. Schließlich muss die Temperatur im Netz auch gar nicht so hoch sein. Denn es dient als Quelle für dezentrale Wärmepumpen, die in den Gebäuden installiert sind, die am Nahwärmenetz angeschlossen sind. Über Hausübergabestationen nutzen diese Wärmepumpen die Energie aus dem Netz, um Wärme für die Gebäude zu erzeugen. Im Sommer funktioniert das ganze Prinzip auch Rückwärts und kann dadurch die angeschlossenen Gebäude kühlen sowie das Erdkollektorfeld mit Wärmeenergie für den Winter wieder aufladen.

Datenlage noch nicht ausreichend

Die Technologie wurde bisher in zwei Pilotprojekten verbaut. Doch bisher fehlen noch Daten aus einem qualifizierten Betriebsmonitoring, wie Jens Kluge, Geschäftsführer von Doppelacker, erklärt. „Die messtechnische Lücke zur rechtskräftigen Verbrauchsmessung der im Kollektor sowie im Netz befindlichen Sole, einem Wasser-Glykol-Gemisch, ist immerhin inzwischen durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt Braunschweig ausgeräumt“, sagt Kluge.

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400 Megawattstunden Wärme pro Jahr und Hektar

Das System hat aber nach Angaben der Projektpartner großes Potenzial und ist im Vergleich zu kleinen Grundstücken effizienter. Denn die landwirtschaftliche Nutzflächen erlauben wesentlich größere Kollektoranlagen. Nach Berechnungen der Projektpartner liefert ein Hektar Kollektorfläche bei einem pauschalierten Ansatz der Wärmeentzugsleistung von 200 Kilowatt pro Hektar und 2.000 Vollbetriebsstunden pro Jahr satte 400.000 Kilowattstunden thermische Energie. Dies ersetze 40.000 Liter Heizöl im Jahr. Bei einer Erschließungsfläche im Umfang von Schleswig-Holstein könnte damit rein rechnerisch der bundesweite Bedarf an Raumheizung und Warmwasserbereitung aller privaten Haushalte gedeckt werden.

Umweltauswirkungen untersuchen

Auf eine weitere, noch offene Frage verweist Thomas Herlitzius, Leiter des Arbeitskreises Agrarsystemtechnik der Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik beim VDI: „Es geht darüber hinaus darum, wissenschaftlich zu untersuchen, welche Technologiefolgen und Umweltwirkungen mit dieser Art der Erdwärmenutzung verbunden sind.“

Erdwärmekollektor weit unter der Wurzeltiefe

Jens Kluge und Thomas Herlitzius arbeiten dennoch derzeit an der technischen Umsetzung des Konzepts. Die Maschine zum Verlegen des Erdkollektorfeldes existiert schon – eine Eigenentwicklung der beiden Projektpartner. „Das aktuell eingesetzte Maschinensystem, der sogenannte Kollektorweber, bringt die Flächenkollektoren so in den Ackerboden ein, dass sie mit zwei Metern weit unterhalb der Wurzeltiefe einschlägiger Kulturpflanzen liegen. Damit ist sichergestellt, dass es nicht zu Kollisionen mit anderen, landwirtschaftlichen Bodenbearbeitungsmaschinen kommt und landwirtschaftliche Nutzung direkt nach Verlegung ungehindert fortgesetzt werden kann“, erklärt Thomas Herlitzius das Verfahren.

Verlegetechnik marktreif machen

Der Kollektorweber ist inzwischen einsatzfähig, aber noch nicht marktreif. Dies ist das nächste Ziel von Herlitzius und Doppelacker. „Zu einer Marktreife für die Verlegetechnik könnten wir ab 2026 kommen“, stellt er in Aussicht. Das ist auch dringend notwendig. Denn die Marktnachfrage ist duechaus vorhanden. „Beständig gehen uns Anfragen Interessierter zu, die annehmen, die Lösung sei schon Stand der Technik“, sagt Thomas Herlitzius „Doch bevor nicht wissenschaftlich belastbare Antworten auf die offenen Fragen gefunden sind, bedarf es noch der fachgerechten Vermessung des Betriebs von Pilotanlagen in industrieadäquater Skalierung“, betont er. (su)