Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland von derzeit 43 Prozent auf 65 Prozent deutlich ausgebaut werden. Damit das gelingen kann, müssen weitere regenerative Anlagen gebaut werden. Innerhalb der erneuerbaren Energien ist die Windkraft die mit Abstand wichtigste erneuerbare Stromquelle. Doch der Ausbau neuer Windkraftanlagen ist in den letzten Jahren massiv eingebrochen. Zwar ist gesellschaftlicher Konsens, dass erneuerbaren Energien in einem zukünftigen Energieversorgungssystem die tragende Rolle zukommen soll. Gleichzeitig trifft der Ausbau von regenerativen Energieanlagen jedoch immer wieder auf Widerstand im lokalen Umfeld. Fehlende Akzeptanz ist damit in den letzten Jahren neben einer rechtssicheren Standortvorauswahl und einem komplexen Ausschreibungsverfahren zu einer entscheidenden Ursache geworden, durch die der Ausbau Erneuerbarer ins Stocken geraten ist.
Frühes Informieren und Mitnehmen
Bei Veränderungen müssen Menschen mitgenommen werden: Sie müssen erfahren, was wann und warum passiert. Das gilt für Veränderungen in Unternehmen, wie beispielsweise Umstrukturierungen, und Veränderungen im eigenen Wohnumfeld gleichermaßen. Ein entscheidender Faktor bei der Realisierung von Windkraftanlagen, Solarparks oder Biogasanlagen ist deshalb das Informieren und Mitnehmen der Menschen in den umliegenden Wohnorten. Das gilt auch bereits für die Planungsphase. Es ist empfehlenswert, frühzeitig über das Projekt zu informieren und damit Frust, der andernfalls bei vollendeten Tatsachen aufkommen könnte, zu mindern.
Bürger*innen werden zu Teilhabenden des Projekts
Noch weitgehender ist die Beteiligung der Bürger*innen. Hier werden Bürger*innen zu Teilhabenden des Projekts. Die Möglichkeiten reichen von einer rein finanziellen bis hin zu einer unternehmerischen Beteiligung. Während letztere in Form von Kommandit- oder Genossenschaftskapital mit höherem organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden ist, kann die rein finanzielle Beteiligung einfacher und digital vollzogen werden. Dass bereits eine rein finanzielle Partizipation die Akzeptanz steigern kann, zeigt eine Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Fachagentur Windenergie an Land 2019 bundesweit durchgeführt wurde. Zwei Drittel aller Befragten sehen dort eine Gewinnbeteiligung durch Investitionsmöglichkeiten als akzeptanzsteigernd an. Selbst vergünstigte Stromtarife aus erneuerbaren Energieanlagen können laut 79 Prozent der Befragten die Akzeptanz steigern. Das zeigt: Es lohnt sich im Einzelfall sogar noch weiter zu denken und zu prüfen, ob Bürger*innen auch am späteren Produkt zum Beispiel in Form eines Zinsbonus für ihre finanzielle Beteiligung bei direktem Strombezug partizipieren können.
Ob als Bürgeranleihen, Darlehen, Genussrechte oder einlagengesicherte Sparprodukte: Es gibt viele rein finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten. Bürger-
anleihen, Darlehen und Genussrechte haben für Anleger*innen häufig das Risiko des Totalverlusts, bieten in der Regel aber eine höhere Rendite. Beim Sparprodukt können vom Investitionsvorhaben „betroffene“ Bürger*innen ihr Geld zu einer festen Laufzeit auf einem Sparkonto anlegen. Der im Vergleich zu einem klassischen Tagesgeldkonto oder Sparbuch höhere Zinssatz wird beim Sparprodukt von den Projektinitiator*innen finanziert.
Finanzielle Beteiligung mit Crowdinvesting
Ein komplett digitales und besonders interessantes Verfahren zur Finanzierung von erneuerbaren Energien ist das Crowdinvesting. Dabei beteiligen sich viele Kleinanleger*innen, die sogenannte Crowd, an Unternehmen oder Projekten. Die Einzelbeträge variieren ja nach Plattform, können ab 50 Euro beginnen und gehen bis zur maximal zulässigen gesetzlichen Obergrenze von 25.000 Euro.
Das Vermögensanlagengesetz erlaubt es, Beteiligungsmöglichkeiten in Form von Nachrangdarlehen, partiarischen Darlehen und Genussrechten über eine Crowdinvesting-Plattform als unabhängige Vermittlerin anzubieten. Diese drei Finanzierungsarten werden jeweils dem Mezzanine-Kapital zugeordnet und zeichnen sich dadurch aus, dass ihre rechtliche und wirtschaftliche Ausgestaltung eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital darstellt. Insgesamt können pro Unternehmen bis zu 6,0 Millionen Euro maximal eingeworben werden wobei diese Schwelle auf einem Zeitraum von zwölf Monaten berechnet wird. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind Summen ab einem mittleren sechsstelligen Betrag üblich. Damit kann Crowd-
investing als finanzielles Beteiligungsinstrument nicht nur die Akzeptanz für dezentrale erneuerbare Energieanlagen steigern, sondern bei einer richtigen Vertragsgestaltung auch die Finanzierungsstruktur des Unternehmens optimieren.
Unternehmerische und moralische Verantwortung
Das Einsammeln von zum Teil mehreren Millionen Euro bei zahlreichen Anleger*innen verpflichtet die Projektinitiator*innen aber auch zu Transparenz und Fairness gegenüber der Crowd. Weil sie zum Teil mit dem Geld von mehreren tausend Anleger*innen wirtschaften, tragen sie eine besondere unternehmerische und moralische Verantwortung.
Zwar ist das Mezzanine-Kapital beziehungsweise Nachrangdarlehen in der Finanzierungspraxis bereits fest etabliert, Crowdinvesting ist als ein Mittel des Einwerbens aber noch relativ jung. Die Finanzierung durch Crowdinvesting hat in den letzten Jahren vorrangig in der Immobilienwirtschaft erhebliche Wachstumsraten verzeichnet. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien ist Crowdinvesting zwar seit 2013 kontinuierlich gestiegen, jedoch lag das Transaktionsvolumen 2019 gemäß dem Branchenportal Crowdfunding.de lediglich bei 9,2 Millionen Euro. Im direkten Vergleich mit den 2019 getätigten Gesamtinvestitionen in erneuerbare Energieanlagen in Deutschland von 4,4 Milliarden US-Dollar laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zeigt sich, dass das Potential des Crowdinvestings als akzeptanzsteigerndes Beteiligungsinstrument noch nicht ansatzweise ausgeschöpft wird. Umso attraktiver ist diese alternative Finanzierungsmöglichkeit.
Autor: Mohamed Al-Shraydeh, Produktverantwortlicher für Crowdinvesting bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB). Der Artikel ist eine Kostprobe aus unserem Printmagazin. Ein kostenloses Probeabo finden Sie hier.
Wollen Sie neue Erkenntnisse zur Regenerativfinanzierung im Blick behalten? Dann abonnieren Sie doch unseren kostenlosen Newsletter! Hier können Sie sich anmelden.