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Windmarkt

3000 Windturbinen lassen sich bis 2025 ersetzen

Katharina Wolf

Die Idee ist bestechend einfach: Man nehme einen alten Windpark mit leistungsschwachen Turbinen, die aber an einem guten Standort stehen, und ersetze sie durch modernere und leistungsstarke Anlagen. Dies ist, einfach ausgedrückt, Repowering.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Mehr Energie vom gleichen Standort, weniger Windenergieanlagen, die Landschaft wirkt aufgeräumter. Anwohner, ohnehin schon an Windenergieanlagen vor der Haustür gewöhnt, müssen in der Regel nicht mühsam überzeugt werden. Die Genehmigungsbehörden haben Erfahrung mit Windenergieprojekten und der Netzanschluss ist auch schon da.

Viele Turbinen repoweringfähig

Das Potenzial für Repowering ist zudem groß. Der Bundesverband Windenergie (BWE) geht davon aus, dass ein Drittel der Anlagen, die in den kommenden Jahren aus der EEG-Förderung fallen, repoweringfähig sind – bis 2025 wären dies knapp 3.000 Turbinen. Dass nicht jede Altanlage ersetzt werden kann, hat einen einfachen Grund: Die ersten Windenergieanlagen wurden noch vergleichsweise planlos errichtet; viele der Altstandorte sind heute außerhalb der Eignungsgebiete und deshalb nicht mehr genehmigungsfähig.

Dreifache Anlagenhöhe als Abstand

Dazu kommt, dass das Baurecht ein Rücksichtnahmegebot enthält, erläutert Rechtsanwalt Janko Geßner von der Potsdamer Anwaltskanzlei Dombert Rechtsanwälte: „Um eine erdrückende Wirkung zu vermeiden, muss mindestens ein Abstand der doppelten Anlagenhöhe zur Wohnbebauung eingehalten werden.“ Auf der sicheren Seite sei man mit dem Dreifachen der Anlagenhöhe als Abstand. Und der ist bei Anlagen, die mehr als 200 Meter Höhe erreichen, einfach größer als bei den alten Mühlen.

Bislang ist das Ersetzen der alten durch neue Anlagen nicht recht in Schwung gekommen. Laut Fachagentur Wind an Land wurden zwar zwischen 2002 und Mitte 2017 etwa sechs Gigawatt der neu installierten Erzeugungsleistung als Ersatz für Alt­anlagen errichtet. Doch aufs Jahr gerechnet bleibt die Zahl bescheiden: 2018 wurden laut Deutscher Windguard 205 Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt 249 Megawatt (MW) abgebaut, 111 Turbinen mit einer Gesamtleistung von 363 MW dafür errichtet. Geschäftsführer Knud Rehfeldt sieht für 2019 noch keine Trendwende: „Der Zubau im Gesamtjahr 2019 war extrem niedrig. Welchen Anteil Repowering-Anlagen an den ohnehin schon geringen Werten haben, ist schwer einzuschätzen.“

2004: Boom durch Repowering-Bonus

Das liegt zum einen daran, dass viele Betreiber mit der noch laufenden EEG-Vergütung keinen Grund sehen, schon jetzt alte Anlagen durch neue zu ersetzen. Der Repowering-Bonus, 2004 als Aufschlag zur EEG-Vergütung eingeführt und 2009 auf 0,5 Cent der Anfangsvergütung aufgestockt, brachte einen Aufschwung, ist aber längst wieder abgeschafft. Das Ende der EEG-Vergütung dürfte den Markt in Schwung bringen.

„Ein Repowering-Projekt ist nichts anderes als eine komplett neue Greenfield-Entwicklung“, sagt Rainer Heyduck, Geschäftsführer der Baywa RE Wind GmbH. „Man profitiert nicht oder kaum von der alten Entwicklungsarbeit.“ Alle Pachtverträge müssten neu abgeschlossen, die naturschutzfachlichen Untersuchungen wiederholt werden. „Und dabei stellen sich dann auch neue Hindernisse in den Weg, denn die Vögel kennen ja die Abstandsregeln nicht und siedeln sich manchmal zu dicht am Windpark an.“

Auch Carsten Hoch, Projektmanager Repowe­ring beim Projektentwickler Juwi, kennt die Hürden des Altanlagenersatzes: „Die Projektlaufzeiten haben sich grundsätzlich verlängert“, sagt er. „Früher haben wir zwei bis drei Jahre an einem Projekt geplant, heute sind es fünf Jahre oder länger.“ Mehr Gutachten müssten beschafft werden, Normen hätten sich verändert, Behörden seien verunsichert. Bürgerinitiativen drohen mit Klagen. Und am Ende muss das Projekt durch die Ausschreibung. „Dass an einem Standort schon seit 20 Jahren Windräder betrieben werden, führt leider nicht zu wesentlichen Erleichterungen bei der Projektierung und im Genehmigungsverfahren.“

Bei Repowering-Projekten komme hinzu, dass oft geschlossene Fonds als Eigentümer fungieren. Nicht jeder sei bereit, sein Geld erneut 20 Jahre anzulegen. „Da muss dann erst einmal ein klares Meinungsbild entstehen“, so Hoch. Deshalb schätzt er den Aufwand für Repowering-Projekte sogar höher ein als für eine Neuentwicklung.

Planungsrecht ist größtes Hindernis

Das größte Hindernis sei jedoch das Planungsrecht, meint Carsten Hoch. „Wir brauchen sowohl bei der Ausweisung von Flächen für die Windenergie als auch später im Genehmigungsverfahren Regelungen, die das Repowering unterstützen und nicht erschweren.“ Der BWE bestätigt: Wenn eine pauschale Abstandsregelung von 1.000 Metern auch für Repowering-Projekte und Bestandsflächen beschlossen werde, wie im Klimapaket vorgesehen, würde sich das Potenzial deutlich verringern. Diese Gefahr sieht auch Windguard-Geschäfts­führer Rehfeldt: „Die Diskussionen um die Verschärfung der Abstandsregelung machen eine Entscheidung fürs Repowering nicht unbedingt wahrscheinlicher. Ist der Weiterbetrieb dann technisch oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, gehen im Zweifel bestehende Windenergiestandorte verloren.“

Daher fordert die Branche Unterstützung aus der Politik. Während Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen noch diskutieren, haben andere Bundesländer bereits Sonderregelungen beschlossen.

Schleswig-Holstein unterstützt Repowering

In Schleswig-Holstein gilt ein genereller Abstand von 1.000 Metern für Neuprojekte – Repowering-Projekte hingegen dürfen laut neuestem Regionalplan 800 Meter an die Wohnbebauung heranrücken. Trotzdem liegen laut BWE 1.000 von 3.000 Bestandsanlagen außerhalb von Vorranggebieten und können damit nicht mehr repowert werden.

In Rheinland-Pfalz darf der Mindestabstand von 1.000 Metern laut Umweltministerium um zehn Prozent unterschritten werden, wenn im Standortbereich der Altanlagen, die mehr als zehn Jahre in Betrieb sind, eine Reduzierung von mindestens 25 Prozent der Anlagen und eine Steigerung der Leistung um mindestens das Zweifache erreicht wird.

Sachsen-Anhalt verfügt über eine Sonderregel

Auch Sachsen-Anhalt verfügt über eine Sonderregel, wie Rechtsanwalt Janko Geßner erläutert: Hier wird die Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze von einer Anlagenhöhe auf 0,4 reduziert, wenn entweder eine Anlage außerhalb eines Eignungsgebiets oder zwei innerhalb einer Eignungsfläche abgebaut werden. Und in Mecklenburg-Vorpommern gebe ein Planungsverband den Kommunen über eine Öffnungsklausel die Möglichkeit, auch außerhalb der festgelegten Eignungsgebiete zu planen, wenn dort Bestandsparks ersetzt werden.

Gleichzeitig gilt dort seit 2016 das Bürger- und Gemeinden-Beteiligungsgesetz (BüGem), das die Beteiligung von Bürgern und Gemeinden vorschreibt. Die Baywa RE ist jetzt der erste Projektentwickler, der unter diesen Bedingungen einen Windpark in Betrieb genommen hat – und zugleich ist es ein Repowering-Projekt. Im Windpark Schönberg wurden sieben Windenergieanlagen nach rund 20-jährigem Betrieb zurückgebaut und durch acht Enercon-Anlagen vom Typ E92 mit einer Leistung von je 2,3 MW ersetzt. Der Park wurde nun an eine Bürgerenergiegesellschaft verkauft. „Der Aufwand ist natürlich größer, da die Bürgerenergiegesellschaft einen geschlossenen Fonds zur Finanzierung einrichtet, an dem sich die Anwohner, die im Umkreis von fünf Kilometern um die Anlagen wohnen, beteiligen können“, sagt Geschäftsführer Rainer Heyduck. Doch es lohne sich, denn für Baywa RE sei Bürger­beteiligung ein strategisches und wichtiges Instrument, die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen.

Vorteile des Repowerings überwiegen

Und auch Carsten Hoch von Juwi ist überzeugt, dass die Vorteile des Repowerings überwiegen. Denn am Ende stehe ein moderner Windpark, in der Regel auf einem guten bis sehr guten Standort, der ein Vielfaches an Strom erzeuge. Juwi hat im Projekt Flomborn/Stetten in Rheinland-Pfalz 15 Windenergieanlagen der Ein-MW-Klasse, die fünf verschiedenen Betreibergesellschaften gehörten, durch 16 Anlagen der Drei-MW-Klasse ersetzt, die insgesamt fast 50 MW liefern können – der Jahresertrag hat sich dadurch verfünffacht.

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