Nicole Weinhold
Mitte Dezember hieß es noch vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) für das Gesamtjahr 2019, Erneuerbare hätten wohl voraussichtlich fast 43 Prozent Anteil am Stromverbrauch gehabt. Der Anteil von Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen an der Deckung des Stromverbrauchs lag 2017 noch bei 36,3 Prozent und im Folgejahr bei 38,2 Prozent. Laut Strom-Report.de kamen Wind, Sonne und Co. aber nun wohl auf 46 Prozent - 13 Prozent mehr als 2018. Damit schreiten die Erneuerbaren zügig auf die 50 Prozent im Strommix zu.
Mit 24,5 Prozent Wind 2019 wichtigster Energieträger
Rund 236 Terawattstunden Strom lieferten die Erneuerbaren. Am meisten zugelegt hat die Windkraft mit einem Plus von 21 Prozent. Angesichts der Tatsache, dass der Ausbau der Windenergie 2019 buchstäblich zum Erliegen gekommen ist und die Windbranche in ihrer tiefsten Krise überhaupt steckt, ist das ein wichtiges Zeichen: Die Windkraft ist das Zugpferd der Energiewende. Sie zu zerstören ist gleichbedeutend mit der Zerstörung der gesamten Energiewende. Die guten Erträge 2019 sind im Wesentlich auf gute Windbedingungen zurückzuführen gewesen, nicht auf eine Zunahme der Leistung. Entscheidend wird es sein, dass auch der Ausbau 2020 wieder in Schwung kommt. Mit 24,5 Prozent wurde der Wind 2019 wichtigster Energieträger mit 126 TWh im deutschen Strommix und hat damit den langjährigen Platzhirsch Braunkohle (102 TWh) verdrängt. Das kann aber auch wieder anders werden, wenn alte Windkraftanlagen aus der Vergütung fallen und zurück gebaut werden. Dann kann die Leistung im schlechtesten Fall sogar wieder schrumpfen. Sollte dann auch noch der Wind ausbleiben, wäre die Nummer-Eins-Position der Windkraft schnell verloren.
46 Terawattstunden Solarstrom
Deutsche Solaranlagen erwirtschafteten im vergangenen Jahr mehr als 46 TWh Strom und wurden damit zur zweitwichtigsten erneuerbaren Ressource. Auf dem dritten Rang unter den Erneuerbaren folgt die Stromerzeugung aus Biomasse, die mit etwa 44 TWh ihren Ertrag zum Vorjahr leicht senkte.
Die Nachfrage nach Solarstromanlagen zog 2019 nach einer ersten Bilanz des Bundesverbandes Solarwirtschaft um rund 30 Prozent an. „Wir freuen uns über die Marktbelebung, können aber noch nicht zufrieden sein. Es klaffen gravierende Lücken zwischen dem Erreichten und den Klimazielen. Wir werden diese Lücken schließen können, wenn wir das Ausbautempo verdreifachen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Auch die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer und umweltfreundlicher Energie sei andernfalls gefährdet, warnt er: „Ohne einen deutlich schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien droht bereits in der ersten Hälfte der 20er Jahre eine Stromerzeugungslücke infolge des Atom- und Kohleausstiegs.“
Regenerativstrom für Wärme und Verkehr
Allerdings sieht es bei den Erneuerbaren nur im Strommix gut aus, denn die Gesamtenergiebilanz inklusive Wärme und Verkehr sieht immer noch sehr düster aus. Statt sich nun zurückzulehnen ist es nötig, die Energiewende massiv zu beschleunigen. Denn unsere Klimaziele 2020 haben wir krachend verfehlt und die Ziele für 2030 werden ebenfalls verfehlt, wenn die Politik nicht deutlich nachsteuert beim Ausbau der Erneuerbaren.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg etwa muss in den nächsten Jahren deutlich beschleunigt werden, wenn das Bundesland beim Klimaschutz vorankommen will. „Es ist möglich, durch einen höheren Anteil Erneuerbarer sowie eine gesteigerte Energieeffizienz auf Kohle- und Atomkraftwerke zu verzichten. Es braucht dafür aber auf Landes- und Bundesebene Regelungen, damit entsprechend auch Windenergie-, Wasserkraft-, Biomasse-, Solar- und Geothermieanlagen gebaut werden können“, erklärt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg. Man benötige schnell mehr Genehmigungen für Windenergie- und Wasserkraftanlagen, ebenso wie für Freiflächensolarparks, sonst werd der Umstieg auf eine saubere E-Mobilität und klimafreundliche Wärmeversorgung nicht gelingen.
Baden-Württemberg Windenergie wieder in Schwung bringen
"Baden-Württemberg kann alles – auch Windenergie. Das zeigen die rund 760 bestehenden Anlagen ebenso wie Unternehmen mit zahlreichen Arbeitsplätzen, die in der Branche beheimatet sind", so Dürr-Pucher. Doch sei das Ausbaudefizit bei der Windenergie am offensichtlichsten, da so wenige neue Windräder gebaut wurden wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. „Die Situation ist insofern dramatisch, als dass es auch keine genehmigten Anlagen in der Pipeline gibt. Die Genehmigungsprozesse für neue Windkraftanlagen brauchen Jahre. Wir brauchen hier einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass wir die Windkraft auch in Baden-Württemberg wollen“, sagt Dürr-Pucher. Es gelte hier Kompromisse und Zugeständnisse zwischen Natur- und Artenschutz, Raumplanung und Landschaftsschutz sowie der Energieerzeugung zu finden.