Nicole Weinhold
Ende 2015 hatte Haßfurt schon das erste Bürgerbeteiligungsprojekt erfolgreich abgeschlossen: Investitionen der Bürgerschaft in Gesamthöhe von 1,5 Mio. EUR zum Teil-Rückkauf des Haßfurter Energienetzes von der Ferngas Nordbayern GmbH. Die Anleger hatten Grund zur Freude: die ersten zwei Zinszahlungen wurden bereits ausgeschüttet.
Bürgerwindpark Sailershäuser Wald
Nach diesem Erfolg startete das neue Beteiligungsprojekt: Ab 2016 hatten Bürger die Chance, über die Städtische Betriebe Haßfurt GmbH in den Bürgerwindpark Sailershäuser Wald zu investieren, an dem die Städtische Betriebe Haßfurt GmbH einen Anteil von 12,5 Prozent halten.
Die "Geldanlage zum Anfassen – der Windpark vor der Haustür!" kam bei den Bürger gut an. Kein Wunder: saubere Energieproduktion und attraktive Zinsen von bis zu 2,80 Prozent - das kam gut an bei den Menschen.
Im Rahmen der jährlichen Generalversammlung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) in Abu Dhabi wurde ein White Paper präsentiert, das die Bedeutung der Energieversorger beim weltweiten Fortschritt hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien aufzeigt. In diesem Papier findet sich auch eine Fallstudie zu dem deutschen Stadtwerk Haßfurt - neben Energieversorgern aus den USA, Dänemark, Uruguay und anderen Ländern.
Der fränkische Energiedienstleister setzt seit Jahren verstärkt auf klima- und umweltfreundliche ganzheitliche Lösungen auf dem Weg zu einer möglichst dezentralen und emissionsfreien Energieversorgung.
2012 Entscheidung für 100 Prozent Erneuerbare
Die Fallstudie beleuchtet die Entwicklung des Unternehmens seit der Entscheidung im Jahr 2012, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen – zuerst im Stromsektor und anschließend auch in den Bereichen Wärme und Industrie. Flankiert werden diese Maßnahmen mit der Errichtung von Ladestationen für E-Autos, einer umfassenden Sektorenkopplung, einem Ausbau der Speicherkapazitäten und dem Aufbau von Wasserstoffkapazitäten.
Das Papier wurde von der Arbeitsgruppe „Towards 100%RE“ der IRENA Coalition for Action herausgegeben, die sich aus verschiedenen, international tätigen Nichtregierungsorganisationen (NGO), Verbänden, Unternehmen und Vertreter*innen der IRENA zusammensetzt. Ausgewählt wurden die Stadtwerk Haßfurt GmbH vom Forschungsnetzwerk Energy Watch Group (EWG), woraufhin die Fallstudie in enger Zusammenarbeit entstand. „Hier wurde frühzeitig erkannt, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien die Zukunft ist und unternehmerisch sinnvoll noch dazu. Darüber hinaus sticht das Unternehmen besonders durch seine Bürgernähe und sektorübergreifende Strategie auf dem Weg zu Null Emissionen heraus“ erklärte Hans-Josef Fell, Präsident der EWG und ehemaliger Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, die Entscheidung für das Unternehmen. „Am Beispiel der Stadtwerk Haßfurt GmbH zeigt sich, wie schnell und erfolgreich die Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare vorangetrieben werden kann. Vor allem die enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Politik und Bürger*innen ist ein Vorbild für ganz Deutschland und darüber hinaus“, so Fell.
Kommunale Projekte finden international Beachtung
„Es ist ein gutes Zeichen, dass auch kommunale Projekte international Beachtung finden, denn nur so, mit Engagement und Bürgernähe, kann der Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden, um die Klimaziele zu erreichen“, sagte Norbert Zösch, Geschäftsführer der Stadtwerk Haßfurt GmbH. Der Bürgermeister der Stadt Haßfurt, Günther Werner, fügte hinzu: „Ich bin stolz darauf, dass wir hier in Haßfurt mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wenn wir noch lange nicht dort sind, wo wir hinwollen.“
Ziel erreichbar - trotz unzureichender Rahmenbedigungen
Denn das Ziel der Stadtwerk Haßfurt GmbH ist klar: Nullemissionen in allen Sektoren, nicht nur in kommunalen Vorzeigeprojekten, sondern in ganz Deutschland und weltweit. Das Beispiel Haßfurt zeigt, dass dieses Ziel auf kommunaler Ebene selbstständig erreicht werden kann – selbst, wenn die landesweiten politischen Rahmenbedingungen unzureichend sind. Denn, so führt Norbert Zösch im Rahmen der Fallstudie an, es fehlt beispielsweise an staatlicher Unterstützung für zukünftige Schlüsseltechnologien wie Power-to-Gas und für eine dynamische Strombepreisung, die den Ausbau der Erneuerbaren noch erheblich beschleunigen würden. Darüber hinaus geht aus dem Papier hervor, dass ein erweitertes Informationsangebot für Kommunalpolitiker*innen und verbesserte energiepolitische Kommunikation erheblich dazu beitragen können, die Energiewende aktiv und mit breiter Unterstützung der Bevölkerung voranzubringen.
Die klare Botschaft aus Haßfurt: Eine vollständige Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien ist bereits heute möglich. Es geht nicht mehr um die Frage der Machbarkeit, sondern um eine effektive wie effiziente Umsetzung. Das Weißpapier der Coalition of Action und speziell die Fallstudie zur Stadtwerk Haßfurt GmbH präsentiert wichtige Erkenntnisse über die bereits bestehenden Möglichkeiten einer umfassenden Energiewende, sowie über die teils noch vorhandenen Hindernisse auf dem Weg zu Nullemissionen. Das Beispiel der Stadtwerk Haßfurt GmbH liefert eine essenzielle Blaupause für die kommunale und weitestgehend dezentrale Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien für Energieversorger in Deutschland, Europa und weltweit.