Die Bürgerbeteiligung an der Energiewende in Deutschland ist derzeit keine Selbstverständlichkeit. Die Wirtschaftsminister der vergangenen Bundesregierung haben immer wieder neue Steine gefunden, die sie den Bürgern in den Weg legen, damit diese sich möglichst nicht an der Energieerzeugung und Vermarktung beteiligen. Die jüngste Hürde ist mit dem Energiesammelgesetz gekommen.
Denn im vergangenen Jahr haben noch 71 Prozent der Energiegenossenschaften mit der Projektierung von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu 750 Kilowatt befasst. Das war bisher noch eine Nische, die die Energiegenossen gut und problemlos besetzen konnten, nachdem sie das Thema Ausschreibungen ad acta gelegt haben, weil das Risiko zu hoch ist, dass sie auf den Projektierungskosten sitzen bleiben, wenn sie keinen Zuschlag bekommen.
Energiesammelgesetz gefährdet Geschäftsmodelle
Doch mit den Sonderkürzungen der Einspeisevergütung für größere Solaranlagen, wie sie mit dem Energiesammelgesetz im vergangenen Jahr beschlossen wurde, kommt den Energiegenossenschaften auch dieses Segment zunehmend abhanden. Denn diese wirken sich zunehmend bei stabilen Systempreisen aufgrund der steigenden Nachfrage inzwischen aus. Nach Angaben des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV) ist die Zahl der Energiegenossenschaften, die solche kleinen 750-Kilowatt-Generatoren bauen, in diesem Jahr auf 54 Prozent gesunken. „Die Sonderkürzungen richten sich ausgerechnet gegen die Akteure, die für die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung sorgen“, kritisiert Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV, zu Recht. „Das kann politisch nicht gewollt sein.“
Mieterstrom muss wieder attraktiver werden
Auch weitere Nischen, die Energiegenossenschaften perfekt besetzen könnten, gehen zunehmend verloren. Dazu gehöre Mieterstromprojekte, die sie zusammen mit Wohnungsgenossenschaften entwickeln. Diese kommen aber allgemein durch die Sonderkürzungen unter die Räder. Zwar hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Koalitionspartner SPD Ende Juni für Herbst dieses Jahres eine Novelle des Mieterstromgesetzes schriftlich zugesagt. Ob es dann auch einfacher für die Energiegenossenschaften wird, den Strom an die Mitglieder selbst zu vermarkten, steht in den Sternen. Denn genau das sei in Deutschland derzeit wirtschaftlich kaum umsetzbar, wie Eckhard Ott betont.
Die Energiegenossen müssen wohl jetzt noch ein paar Jahre überwintern,. Bis Geschäftsmodelle wie Mieterstromprojekte wieder attraktiver geworden sind. Dazu müsste aber auch das Körperschaftssteuergesetz noch einmal nachgebessert werden.
Hoffnung kommt aus Brüssel
Zwar hat der Bundesrat jetzt beschlossen, dass die Wohnungsbaugenossenschaften von der Körperschaftssteuer befreit sind, wenn sie maximal 20 Prozent ihrer Umsätze mit anderen Einnahmen als der Vermietung von Wohnraum erwirtschaften. Vorausgesetzt, die zusätzlichen Einnahmen kommen aus der Lieferung von Mieterstrom. Doch diese Regelung gilt nicht, wenn sie die Anlage oder das Dach verpachten und den Mieterstrom beispielsweise eine Energiegenossenschaft liefert. Dann gilt weiterhin die bisherige Regel von zehn Prozent, die die Genossenschaften jenseits der Vermietung erwirtschaften dürfen.
Hoffnung keimt jetzt durch die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU auf, die im Dezember 2018 beschlossen wurde. Denn diese sieht vor, dass die Besonderheiten von Energiegenossenschaften bei der Festlegung der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden sollen. Denkbar wären dann Sonderregelungen für Energiegenossenschaften bei den Ausschreibungen oder die Befreiung dieser von den Auktionen. Außerdem sollen der vor Ort verbrauchte Solar- und Windstrom nicht mehr steuerlich und abgabenrechtlich bestraft werden, wie das derzeit mit der EEG-Umlage auf Eigenverbrauch und Mieterstrom geschieht. Doch derzeit harrt die Richtlinie noch ihrer Umsetzung in nationales Recht. Die Bundesregierung hat dafür bis 2021 Zeit.
Kaum noch neue Genossenschaften
Dann wird sich zeigen, ob die Zahl der Energiegenossenschaften wieder schneller steigt und die Bürger sich wieder mehr beteiligen können. Derzeit stagniert die Zahl weitestgehend. Nur 14 neue Genossenschaften wurden im vergangenen Jahr ins Leben gerufen, die sich mit der Erzeugung und dem Vertrieb von erneuerbaren Energien beschäftigen. Im Jahr zuvor waren es 24 und im Jahr 2016 nur 19. Seit 2012 sinkt die Zahl der Neugründungen stetig – parallel zu den Verschlechterungen der Rahmenbedingungen für die Photovoltaik allgemein. Das zeigt, wie stiefmütterlich die vergangenen Bundesregierungen die Bürgerenergie behandelt hat, obwohl die Beteiligung der Anwohner die Akzeptanz für den Neubau von Anlagen deutlich erhöht.