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Übererlöse

Gewinn durch Stromhandel verboten – wenige Ausnahmen

Erforderlich ist die Strompreisbremse deshalb, weil eine bestimmten Aspekten der Versorgungssicherheit dienende Marktregel die Preise im kurzfristigen Handel mit Elektrizität immer nach der teuersten gerade gehandelten Erzeugung ausrichtet. Das Prinzip nennt sich Merit Order. Es ließ infolge des Ukrainekriegs und deshalb explodierter Erdgaspreise auch die monatlichen Marktwerte für Erneuerbare-Energien-Strom auf bis zu knapp 48 Cent pro Kilowattstunde (kWh) im August steigen. Das entspricht dem bis zu 18-Fachen des Mittelwertes des Vorgaskrisenjahres 2020. Die Bundesregierung will die Strompreise für die Verbraucher nun deckeln – und die Maßnahme durch eine Gewinnabschöpfung bei den Energieerzeugern refinanzieren. Dafür entwickelte sie die Abschöpfung sogenannter Übererlöse vor allem bei den Grünstromanlagen. Nachdem Unternehmen aus der Erneuerbaren-Branche eine fehlende Berechenbarkeit dieser plötzlichen Marktregelung moniert hatten, beschloss der Bundestag am Donnerstag eine nachgebesserte Variante. Sie kommt Biogasverstromern sowie Betreibern entgegen, die Wind- oder Solarstrom über direkte Stromlieferverträge an beispielsweise Industrieunternehmen vermarkten.

Insbesondere Photovoltaik- (PV) und Windenergieanlagen erlaubten nämlich immer wieder Einnahmen weit oberhalb ihrer Erzeugungskosten, weil Wind und Sonne anders als fossile Energierohstoffe nichts kosten. Allerdings waren seit den zunehmenden Konflikten mit dem wichtigsten Erdgaslieferland Russland ab Ende 2021 sowie erst recht nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der Abnabelung Europas von russischen Erdgaslieferungen nicht nur die Gaspreise explodiert. Immer mehr verteuert die Inflation nämlich auch Rohstoffe zum Bau der Windkraft- und PV-Anlagen. Auch die Preise für die Stromvermarktungsdienstleister und Finanzierungskosten bei den Banken steigen. Zeitgleiche Lieferengpässe für Komponenten belasten Neubauprojekte mit teuren Bauverzögerungen und anderen Zusatzkosten.

Mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz darf der Staat die Mehreinnahmen der Anlagenbetreiber oberhalb ihrer jeweils gesetzlich abgesicherten Mindestvergütung weitgehend abschöpfen. Er räumt den Grünstromerzeugern dabei einen zusätzlichen Sicherheitspuffer sowie eine prozentual fixierte, kleinere Teilhabe an den höheren Strompreisen ein. Der Sicherheitspuffer beträgt für Windenergieanlagen an Land und für PV-Anlagen drei Cent. Dies ließe rechnerisch die durchschnittlichen Strommarktpreise für PV- oder Windstrom aus dem Vorgaskrisenjahr 2020 noch verdoppeln. Das Gesetz gewährt zudem einen weiteren Zuschlag in Höhe von sechs Prozent des aktuellen Strommarktwertes sowie die Abschöpfung von 90 statt 100 Prozent der dann noch verbleibenden rechnerischen Mehrerlöse. Dies sichert den Anlagenbetreibern eine noch leichte Teilhabe an den Preisentwicklungen in der Gaskrise. Gemäß beispielsweise den November-Spotmarktpreisen für Windstrom vom Land von knapp 14 Cent würde damit ein weiterer Cent bei den Windparkbetreibern verbleiben. Und bei wieder höheren Spotmarktpreisen wie zuletzt im Sommer würde ihnen noch ein wenig mehr verbleiben – ein zusätzliches Plus freilich nur im unteren einstelligen Cent-Bereich. Für die verschiedenen Erneuerbare-Energien-Technologien wie Windenergie an Land, Offshore-Windenergie im Meer, Photovoltaik oder Bioenergie bestimmt das Gesetz verschiedene Preise. 

Das Strompreisbremsen-Gesetz bezieht allerdings Verbesserungen mit ein, die der Bundestagsausschuss für Energie und Klima noch am Vortag erarbeitet hatte. So erhalten Biogasanlagen für ihren Strom einen Puffer von neun Cent pro eingespeiste Kilowattstunde (kWh) statt der im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehenen 7,5 Cent. Außerdem berücksichtigt das Gesetz nun nur die für die normale Einspeisung gemeldete Bemessungsleistung der Biogasanlagen, was das Gros der netzdienlich flexibel einspeisenden Bioenergieverstromer ausnimmt. Denn das Gesetz berücksichtigt Anlagen erst ab einem Megawatt (MW) Erzeugungskapazität. Die anders als Windkraft- und PV-Anlagen witterungsunabhängig steuerbaren Biogasanlagen sind oft mit Biogas-Speicheranlagen kombiniert, um auf Anforderung des Netzbetreibers auch mehr als ihre eigentliche Bemessungsleistung einspeisen können, die häufig kleiner als ein MW ist. Dass nur die gemessene Bemessungsleistung zählt, lässt die meisten Bioenergie-Anlagen bei ihrer Normalstromerzeugung somit außen vor.

Auch der Vertrieb über Stromlieferverträge bleibt für Wind- und PV-Parks nun bessergestellt, falls die Stromlieferverträge, international PPA genannt, noch von vor dem 1. November stammen. Die Betreiber dieser PPA-Anlagen sollen mindestens acht Cent pro kWh plus womöglich die noch zusätzliche prozentuale Beteiligung an den hohen Vermarktungspreisen erhalten, falls sie zuletzt so ungewöhnlich hohe PPA-Lieferpreise vereinbaren konnten. Stromlieferverträge sichern den mehrjährigen Vertrieb von festgelegten Strommengen zu einem festen Preis ab, wobei die Anlagenbetreiber sich gegen die Tiefst- und die Abnehmer sich gegen die Höchstpreise im Stromhandel absichern.

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