Nicole Weinhold
Das Coronavirus sorgt für überfüllte, ohnehin überlastete Kliniken und leeren öffentliche Raum, leere Stadien, leere Konferenzsäe und Messehallen. Auch die Wirtschaft ist betroffen, der Dax stürzt ab. Unternehmen schließen ihre Büros und Produktionsstätten, Tesla holt seine Mitarbeiter aus Deutschland zurück, Angestellte arbeiten im Homeoffice. Wirtschaftsexperten sehen eine Rezession heranrollen. Das hat auch drastische Folgen für die Energiewirtschaft und den Strommarkt, Hanns Koenig erklärt, Energieexperte des Energiemarktanalyseinstituts Aurora Energy Research aus Berlin: „Ob Büroangestellte wegen des Coronavirus im Büro oder Homeoffice arbeiten, spielt für den Strombedarf kaum eine Rolle, da die persönlichen Geräte hier wie dort laufen und die Server-Infrastruktur in den Firmen auf jeden Fall in Betrieb ist."
Rezession und Homeoffice
Dagegen hätte eine Rezession nach seiner Einschätzung erhebliche Auswirkungen auf den Strommarkt. Das zeige ein Rückblick auf die Finanzkrise im Jahr 2009: Damals sank die Stromnachfrage in Deutschland um sechs Prozent. Somit erscheine es plausibel, dass eine Corona-bedingte Rezession zu einem Rückgang des Strombedarfs um fünf bis zehn Prozent führen könnte. "Falls Fabriken geschlossen werden – egal ob wegen Corona-Fällen in der Belegschaft, wegen sinkender Nachfrage oder wegen Schwierigkeiten in der Lieferkette –, könnten die Auswirkungen noch größer sein: Die Industrie verbraucht fast die Hälfte des deutschen Stroms, Produktionsstopps würden sich daher deutlich in der Stromnachfrage niederschlagen", so Koenig.
Mehr Gas, weniger Kohle
Was heißt das für den Strommarkt? Für den würde dies sinkende Großhandelspreise bedeuten, und die wirken sich laut Koenig auf den Kraftwerksmix aus: Steinkohlekraftwerke mit ihren relativ hohen Grenzkosten werden öfter aus dem Markt gehen, während die derzeit niedrigen Gaspreise dafür sorgen, dass Gas-und-Dampf-Kraftwerke weiterhin deutlich häufiger zum Einsatz kommen als noch vor einem Jahr. "Das hat deutliche Vorteile für den Klimaschutz, da Gaskraftwerke pro Kilowattstunde Strom nur rund halb so viel CO2 ausstoßen wie Kohlekraftwerke“, so Koenig.
Der Coronavirus sorgt auch in anderen Bereichen dafür, dass CO2 eingespart wird. Der Verkehr reduziert sich schlagartig. Vor allem der reduzierte Flugverkehr schützt das Klima. Viele Unternehmen verzichten auf reiseintensive Meetings und verabreden sich stattdessen zu Videokonferenzen. Das ist ein positiver Aspekt bei allem Leid und Unglück. Idealerweise erkennt die Wirtschaft an der einen oder anderen Stelle, dass Reisen nicht immer nötig ist. Vielleicht entdecken die Menschen auch den Wert der Naherholung wieder. Statt zu jetten tut es auch eine Fahrradtour in der Region. Erholsamer als der Flugstress ist das allemal. Und in dieser Zeit sicher gesünder.
Corona verdrängt die Klimadebatte
Ein Aspekt aber könnte sich als Nachteil für das Klima erweisen. Wenn wir uns noch einmal an die Wirtschafts- und Finanzkrise erinnern. Ja, damals ging die Produktion in die Knie, entsprechend verbessere sich die Klimabilanz. ABER gleichzeitig war kein Land mehr bereit, für den Klimaschutz etwas zu leisten: finanziell sowieso nicht, aber gleichzeitig wollte auch niemand seine Wirtschaft mit Vorgaben belasten. Und überhaupt hatte niemand mehr Interesse an dem Thema, es war einfach mal vom Tisch.
Das darf nicht passieren. Besser wäre es stattdessen, wenn wir sehen, dass sich die globalisierte Welt ruhig ein wenig langsamer drehen darf.
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