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Solar für Afrika

Energiewende global denken

Berichte über Stürme, extreme Dürre­phasen, heftige Regenfälle oder den steigenden Meeresspiegel zeigen, dass der Klimawandel zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit geworden ist. Das Problem ist zu komplex, um ihm mit nationalen Alleingängen zu begegnen.
Die vergangenen Monate haben in besonderer Weise gezeigt, wie schwierig dieses Unterfangen ist. Immer wieder beobachte ich, dass Politiker der Versuchung erliegen, mit dem Finger auf die USA zu zeigen. Damit machen es sich die Kritiker zu einfach. Wir dürfen uns nicht nach den Befindlichkeiten eines einzelnen Landes richten.
Zudem stelle ich den Ausgangspunkt dieser Debatte infrage. „Klimaschutz hat das Potenzial, der Wachstumstreiber des 21. Jahrhunderts zu werden“, befand Peter Löscher, ehemaliger Vorstandschef der Siemens AG. Ich stimme ihm zu. Wir müssen auf­hören, Klimawandel auf Risiken und Kosten zu reduzieren. Klimaschutz bietet auch gewaltige Chancen.

Über die Grenzen Europas hinaus denken

Wenn die europäische Politik klug die Weichen stellt, stärkt sie nicht nur die hiesige Wirtschaft, sondern schlägt drei Fliegen mit einer Klappe: Sie bewältigt die globale Klimakrise, die europä­ische Flüchtlingskrise und die Energiekrise in den Entwicklungsländern. Der Klimawandel ist ein fester Bestandteil der Energiepolitik in Europa geworden. Einige der eingeleiteten Maßnahmen wecken jedoch Zweifel, ob der richtige Weg eingeschlagen wird. Während in Deutschland Kohlekraftwerke aufgrund der verschärften EU-Grenzwerte aufwendig modernisiert werden, erfährt die Nutzung von Kohlekraft in Entwicklungsländern eine Renaissance. Alleine in afrikanischen
Ländern befinden sich Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von rund 40 Gigawatt in verschiedenen Planungs- und Entwicklungsstadien. Fast alle davon werden durch ausländische Investitionen gefördert. Wir verlagern das Problem also, statt es zu lösen.

Dass Afrika Kohlekraft bereitwillig willkommen heißt, liegt auch am akuten Energiemangel. Obwohl sich die Wirtschaft des Kontinents seit 2000 in ihrer Größe verdoppelt hat, leben zwei Drittel der Bevölkerung südlich der Sahara noch immer ohne Strom. Der Bedarf an Energie ist gewaltig. Die Lösung ist jedoch nicht in der Kohlekraft zu finden. Wir müssen nach Mitteln und Wegen suchen, um auch hier sinnvoll Emissionen zu reduzieren. Mit dem ehemaligen Uno-Generalsekretär Kofi Annan bin ich davon überzeugt, dass der afrikanische Kontinent eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des globalen Klimawandels einnimmt und Europa große Chancen bietet.

Paradigmenwechsel

Die Lage auf dem afrikanischen Energiemarkt ist ernst: Während die Bruttostromkosten für Privatpersonen in Deutschland knapp 30 Cent betragen, muss etwa die Hälfte der afrikanischen Haushalte mehr als das Doppelte bezahlen. Die eigentliche Brisanz des Problems zeigt sich beim Vergleich des Haushaltseinkommens noch deutlicher. Während die Statistiker für Deutschland ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von mehr als 40.000 Euro ermittelt haben, beträgt es in Eritrea, einem der Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen in Europa, deutlich weniger als 1.000 Euro. Nicht verwunderlich also, dass diese Menschen an die Tore Europas klopfen.
Die Experten sind sich darin einig, dass der Ausbau günstiger Solarenergie die Energiekosten in Afrika erheblich senken würde. Ein Rechenbeispiel: Da viele Afrikaner keinen Zugang zur öffentlichen Stromversorgung haben, setzen sie auf eigene Dieselgeneratoren.

Die Kosten bei der Erzeugung von Dieselstrom liegen bei etwa 40 Cent je Kilowattstunde. Bei einer Solaranlage an einem beliebigen Standort in Afrika liegen die Kosten jedoch bei lediglich 10 bis 15 Cent je Kilowattstunde. Selbst wenn man große Speichersysteme mit einkalkuliert, betragen die Kosten noch weniger als 25 Cent je Kilowattstunde.
Um dieses gewaltige Einsparpotenzial zu nutzen, brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit mit unseren afrikanischen Partnern. Wir müssen weg von dem verstaubten Verständnis von Geber- und Nehmerländern hin zu einer gemeinsamen wirtschaftlichen Koope-
­­ra­­tion.

Leitlinien für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik in Afrika

Zahlreiche Projekte zeigen, dass die europäische Solarindustrie mit ihrem Know-how und ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag leisten kann. Dabei sollten sich Politik und Unternehmen von fünf Grundregeln leiten lassen:
1. Größer ist nicht immer besser
Großprojekte sind komplex und führen oft zu starken Kostensteigerungen beziehungsweise zeitlichen Verzögerungen. Dabei liegt eine der großen Stärken von Solaranlagen eigentlich in der Skalierbarkeit. Gefragt sind Mikroprojekte, die lokale Gegebenheiten einbeziehen.
2. Lokale Lösungen für den Bedarf vor Ort
Solaranlagen bieten die Möglichkeit, Energie genau dort zu produzieren, wo sie gebraucht wird. Immer mehr afrikanische Orte erhalten mit dezentralen Solaranlagen Anschluss an die Stromversorgung. Diese Entwicklung sollte mit Solar-Home-Systemen und kleineren Solaranlagen weiter gefördert werden.
3. Fluchtursachen bekämpfen
Damit das europäische Engagement einen nachhaltigen Einfluss auf die Flüchtlingsströme hat, sollte es dem Gedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ folgen. Dies umfasst die enge Einbindung lokaler Partner als Subunternehmer sowie Know-how-
Transfer.
4. Finanzierungshürden abbauen
Das Thema Finanzierung ist in Afrika nach wie vor problematisch. Wir müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und Privatpersonen schaffen. Die Politik könnte mit neuen Förderkrediten und weitergehenden Ausfallbürgschaften entgegensteuern.
5. Angebots- und Nachfrageseite fördern
Es fehlt eine Verbraucherberatung, die darüber aufklärt, welchen ökonomischen und ökologischen Nutzen Solarenergie bietet und welche Lösungen sinnvoll sind. Das Bildungs- und Beratungsangebot muss mit politischer Hilfe weiter ausgebaut werden.

Autor: Thorsten Preugschas, Geschäftsführer, Soventix GmbH. Dieser Artikel ist bereits in unserem Print-Magazin erschienen. Mehr exklusive Artikel erhalten Sie, wenn Sie jetzt ein kostenloses Probeheft online bestellen.