Nicole Weinhold
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Projekte bekanntgegeben, die Reallabore der Energiewende werden sollen. Reallabor Westküste 100 gehört zu den erfolgreichen Projekten. Die neun beteiligten Partner werden nun schrittweise eine regionale Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab aufzubauen. EDF Deutschland, Holcim Deutschland, Open Grid Europe, Ørsted, Raffinerie Heide, Stadtwerke Heide und Thyssenkrupp Industrial Solutions, die Entwicklungsagentur Region Heide und die Fachhochschule Westküste wollen nicht genutzten Strom aus Windenenergie in grünen Wasserstoff umgewandelt und so weiterverwendet. Die Westküste sei der optimale Standort für diese innovative Anlage. „Das Energiewendeland Schleswig-Holstein kann von dem Reallabor besonders profitieren“, erklärt Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
Vollständige Sektorenkopplung einschließlich Wärmenutzung
Das Projekt sieht eine vollständige Sektorenkopplung vor – von der Erzeugung von grünem Strom bis zur Produktion von synthetischen Kohlenwasserstoffen einschließlich der Wärmenutzung. In den kommenden Wochen wird das Konsortium, aufbauend auf der Antragsskizze, eine Projektbeschreibung aufsetzen, um so die Weichen für die Arbeit ab Anfang 2020 zu stellen. „Unserem Ziel, allen zu ermöglichen, künftig nachhaltiger fliegen, bauen und heizen zu können, sind wir mit diesem Ergebnis einen wichtigen Schritt nähergekommen“, betont Jürgen Wollschläger, Projektkoordinator und Geschäftsführer der Raffinerie Heide. Herzstück des Projektes „Reallabor Westküste 100“ ist der Forschungs- und Entwicklungsansatz, aus Offshore-Windenergie grünen Wasserstoff zu produzieren und die dabei entstehende Abwärme zu nutzen. Im Anschluss soll der grüne Wasserstoff sowohl für die Produktion klimafreundlicher Treibstoffe für Flugzeuge genutzt als auch in Gasnetze eingespeist werden. Für die Treibstoffherstellung wird unvermeidbares CO2 aus der regionalen Zementproduktion in Schleswig-Holstein für den Herstellungsprozess eingesetzt.
ZSW-Projekt ebenfalls ausgewählt
In die engere Auswahl kam auch das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Mit Industriepartnern, darunter dem Projektkoordinator Energiedienst AG, will das Institut an einer bereits bestehenden Power-to-Gas-Anlage im südbadischen Grenzach-Wyhlen die Erzeugung von regenerativem Wasserstoff und die anschließende sektorübergreifende Nutzung optimieren. Im nächsten Schritt können die Partner nun einen Antrag auf Forschungsförderung stellen.
90 Bewerber
Von den 90 Bewerbern sind nach der ersten Runde noch 20 Projekte im Rennen. Insgesamt stellt das BMWi jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das Vorhaben mit dem Namen H2 Wyhlen soll untersuchen, wie die Wasserstofferzeugung am Wasserkraftwerk Wyhlen in die weitere Energieinfrastruktur der angrenzenden Quartiere und Industriegebiete integriert werden kann und welche Verwertungspfade wirtschaftlich tragfähig sind. Dabei geht es nicht nur um die Nutzung von Wasserstoff in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie, sondern auch die bei der Erzeugung anfallenden Abwärme.
„Wir wollen gemeinsam mit unseren Partnern die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff vorantreiben“, sagt Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. „Damit können wir die Region am Hochrhein zu einem Vorreiter bei der Nutzung erneuerbarer Energien in allen Sektoren machen. Das ist gut für den Klimaschutz und birgt großes Potenzial für die Wirtschaft.“
Energiepark Bad Lauchstädt
Positiv bewertete das BMWi auch den „Energiepark Bad Lauchstädt“. Dahinter stehen VNG Gasspeicher GmbH (VGS), ONTRAS Gastransport GmbH, DBI - Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg, Terawatt Planungsgesellschaft mbH und Uniper Energy Storage GmbH. Dieser Unternehmensverbund plant ab 2020 in Bad Lauchstädt im südlichen Sachsen-Anhalt großtechnisch und unter realen Bedingungen Herstellung, Speicherung, Transport und wirtschaftlichen Einsatz von grünem Wasserstoff.
Eckhardt Rümmler, COO von Uniper: „Wir kombinieren die Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Windstrom mit dem anschließenden Transport sowie der Speicherung und Nutzung des Wasserstoffs für wirtschaftliche Zwecke. Wenn sich dies in großem Maßstab bewährt, haben wir einen zentralen Baustein für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung gefunden. Für viele aktive Windkraftanlagen, die bald aus der Direktvermarktung und der EEG-Förderung auslaufen, ergeben sich mit einer solchen Anlage attraktive und nachhaltige Zukunftsperspektiven.“
Großelektrolyse-Anlage von bis zu 35 MW
Im Energiepark Bad Lauchstädt soll erneuerbarer Strom aus einem in Planung befindlichen nahe gelegenen Windpark mittels einer Großelektrolyse-Anlage von bis zu 35 MW in grünen Wasserstoff umgewandelt werden. In einer eigens dafür ausgestatteten Salzkaverne kann der gewonnene Wasserstoff zwischengespeichert und über eine umzuwidmende Erdgaspipeline in das Wasserstoffnetz des mitteldeutschen Chemiedreiecks eingespeist und für urbane Mobilitäts- und Energielösungen eingesetzt werden.
Die vorgesehene unterirdische Salzkaverne soll eigens für die Speicherung von bis zu 50 Millionen Kubikmeter Wasserstoff ausgestattet werden. „Es wäre die erste Wasserstoff-Kaverne in Kontinentaleuropa und weltweit die einzige, die grünen Wasserstoff, also mittels erneuerbarem Strom gewonnenen Wasserstoff, einspeichert.“ erklärt Hartmut Krause, Geschäftsführer DBI. Die Kapazität übertrifft damit die in Deutschland in Pumpspeicherkraftwerken gepufferte Energie um etwa das Vierfache.