Tilman Weber
„Der jetzige Entwurf hat sicherlich einige kleinteilige Hürden beseitigt, enthält aber zu viele Hindernisse und Leerstellen“, betonte die Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter, am Mittwoch nach der Veröffentlichung des beschlossenen Entwurfs. So seien „umfassende Nachbesserungen am Entwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren“ notwendig. Generell lobte die Chefin des Dachverbandes der Erneuerbaren-Branchenverbände, dass der Entwurf für das EEG 21 nun mit einem Strommengenpfad den jährlichen Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch beziffert und auch die Ausbaupfade der Erneuerbaren etwas nach oben korrigiert habe. Doch im Grundsatz habe sich „an den Annahmen zur Entwicklung des Stromverbrauchs nichts geändert“ und die Änderungen in den Ausbaupfaden seien ohnehin marginal.
Verbandskritik: Kabinett ignoriert weiterhin Zunahme im Stromverbrauch
Damit verweist die Branchen-Präsidentin auf die bisherige Kritik seitens der Erneuerbare-Energien-Wirtschaft, dass Berlin zwar anteilige Ziele beim Umstieg der deutschen Energieerzeugung weg von fossilen hin zu regenerativen Kraftwerken ausgibt. Doch definierte die Bundesregierung dabei den anvisierten Bedeutungszuwachs der Erneuerbaren für die Stromversorgung, ohne die erwartete rasche Zunahme beim Stromverbrauch zu berücksichtigen. Diese ist allerdings angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in Deutschland und des Umstiegs auf Elektromobilität mehr als nur wahrscheinlich.
Konkret schreibt das EEG 21 erstmals für 2030 das Ziel eines Grünstromanteils von 65 Prozent an der Stromversorgung vor. Der Entwurf setzt dafür nun beispielsweise für die Windkraft an Land eine Jahr für Jahr höhere Ausschreibungsmenge an. Für 2021 geht er zunächst auch noch von einem erhöhten Nachholvolumen von 4.500 Megawatt (MW) aus, ehe sich ab 2022 das jährliche Ausschreibungsvolumen von den heutigen 2.900 MW an langsam erhöht. Um jährlich 100 MW nimmt somit der Ausschreibungsrahmen bis 2025 auf dann 3.200 MW zu. Danach folgen Sprünge von plus 800 bis 1.000 MW pro Jahr, um 2028 auf 5.800 MW in Windparks an Land neu zu installierender Leistung zu kommen. Allerdings bildet der Ausbaupfad nur eine Erhöhung der installierten Gesamtkapazität der Onshore-Windkraft um real und netto 1,5 bis 2 Gigawatt pro Jahr bis 2030 ab. Das Ziel bis dahin sind 71 GW Windkraft an Land, 100 GW Photovoltaik und 8,4 GW Biomasseanlagen-Kapazität.
Branchensorgen zu Negativ- und Tiefpreisen im Stromhandel anerkannt
Peter lobte, dass der Kabinettsentwurf auch die Verschärfung der im vorangegangenen Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums schon angezeigten Beteiligung der Anlagen-Betreiber an den Kosten negativer Strompreisphasen schon von der ersten Stunde an leicht zurücknimmt. Auch sei es ein Signal, dass die Regierung im EEG-Entwurf eine Übergangslösung für Windenergieanlagen ankündige, die nach 20 Jahren gesicherter Vergütung mit EEG-Einspeisetarif die Energie künftig nur noch am freien Strommarkt vermarkten dürfen. Der Entwurf sieht eine noch auszuarbeitende Überbrückung der Zeit bis 2021 vor. Diese soll über die aktuell abgestürzten Stromhandelspreise infolge der Coronapandemie und der einhergehenden Wirtschaftskrise hinweghelfen.
Auch durch eine nun vorgesehene Begrenzung der künftig erstmals zur Teilnahme an Ausschreibungen verpflichteten Projektierungen von Photovoltaik-Dachanlagen signalisiere die Regierung, dass sie die Forderungen der Branche zumindest wahrnehme. Diese sorgt sich, dass insbesondere auch Industriedachanlagen zur Selbstversorgung an Attraktivität verlieren. Denn Ausschreibungen würden gemäß EEG-21-Kabinettsentwurf für Dachanlagen zur Pflicht werden und die Lieferung des gesamten Stroms an den Stromhandel vorsehen statt weiter Eigenversorgung zuzulassen. Peter lobte die nun vorgesehene Begrenzung auf Leistungsgrößen ab 500 Kilowatt (kW) statt der anfangs vorgesehenen 100 kW. Dies lasse allerdings immer noch 30 Prozent des bisherigen Solardachmarktes von der Neuregelung betroffen sein – und gefährde diesen Marktanteil.
Windkraftverband BWE begrüßt Koordinierung der Flächenausweisung
Der Bundesverband Windenergie (BWE) lobt vor allem die vorgesehene „Verpflichtung zwischen Bund und Ländern ein Koordinierungsgremium für die Flächenbereitstellung einzusetzen“ als „ebenfalls ein wichtiger Schritt“. Nun brauche es aber „schnelle verbindliche Entscheidungen, auch um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen“, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Das im EEG-21-Entwurf als "Kooperationsausschuss" bezeichnete Gremium soll den Engpass zu wenig bereit gestellter Flächen für den Bau neuer Windparks beheben helfen. Es soll überwachen, inwiefern die Bundesländer für die Ausweisung genügend neuer Windkraftvorrangflächen sorgen. Falls nicht, soll der Kooperationsausschuss zudem Vorschläge für besser funktionierende Flächenausweisungen in den einzelnen Bundesländern machen.
Sogar dezente Sympathiebekundungen der Bundesregierung für die zuletzt von ihr ausgebremste Energiewende identifiziert der BWE im Kabinetts-Entwurf. "Dass die Erneuerbaren und damit auch die Windenergie nun als im öffentlichen Interesse definiert werden, ist ein wichtiger Baustein", betonte Albers.
Baden-Württemberg: Gefahr für geplante Solardachpflicht
Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg lobte eine vorgesehene Quote von zunächst 15 und dann 20 Prozent für süddeutsche Windparks an Land bei den Ausschreibungen. Diese Anteile an der jeweils ausgeschriebenen Leistung sollen in den Tendern jeweils zuerst zum Zuge kommen. Erst für die weiteren Zuschläge sollen dann die Bieter mit bundesweit verteilten Windparkprojekten in den Bieterwettbewerb mit eintreten. Doch die Einführung der Ausschreibungen für Dach-Photovoltaik führe die in Baden-Württemberg geplante Pflicht zur Errichtung von PV-Anlagen auf neuen Nicht-Wohngebäuden ad absurdum.