Ausschreibungsverfahren sind ein ökonomisches Instrument, das in Ländern wie Brasilien und Frankreich zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien genutzt wird. Der Nutzen ist allerdings nicht nachgewiesen, es fehlt an belastbaren wissenschaftlichen Ansätzen. Bekannt ist nur, dass Ausschreibungen in der Vergangenheit zu einem so blutigen Preiskampf geführt haben, dass die Ausschreibungsgewinner am Ende nicht bauen konnten, weil sie mit den Preisen zu tief gegangen sind.
Zum Nutzen von Ausschreibungen heißt es oft, sie seien kosteneffizienter durch den Wettbewerb. Das ist die andere Seite der Medaille. Zudem sei durch Ausschreibungen eine Einhaltung der Mengenziele möglich. Die neue Studie, die im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie angefertigt wurde, zeigt nun, dass die theoretisch höhere Kosteneffizienz des Instruments durch deutlich höhere Transaktions- und Finanzierungskosten konterkariert wird. "Die Folge wären in der Summe höhere Kosten für die Erreichung der Ausbauziele." heißt es in der Studie, an der auch der Energieexperten Uwe Leprich mit gearbeitet hat.
Laut Studie zeigen Erfahrungen in anderen Ländern, dass Ausschreibungen nicht zu den gewünschten verlässlichen Zubaumengen führen. Dadurch dass die Gewinner wie gesagt oft ihre Projekte gar nicht umsetzen konnten, wurden die angesteuerten Ausbauziele verfehlt. "Die Probleme mit real existierenden Ausschreibungssystemen haben in einigen Ländern bereits dazu geführt, dass Ausschreibungssysteme wieder abgeschafft wurden.", schreiben die Autoren.
"Es spricht vieles dafür, das Instrument der Ausschreibungsverfahren nicht nur eindimensional mit dem Kriterium der Kosteneffizienz zu bewerten; mindestens die Kriterien Zielerreichung und Akteursvielfalt sollten möglichst gleichrangig Beachtung finden, um den Fortgang der Energiewende in Deutschland nicht zu gefährden." heißt es in der Studie. Auch die Europäische Kommission nennt in den neuen EU-Energie-Beihilferichtlinien eine Reihe von Gründen, warum Ausschreibungen nicht der ideale Weg sind. Was allerdings Brüssel für ideal hält, das steht auf einem anderen Papier. Gleichwohl, die EU habe die Teilnahme an Ausschreibungen laut Studie deutlich weiter gefasst und lockerer ausgelegt als Gabriel. Gleichwohl fordert Gabriel die Einführung. Warum lernen wir nicht von den Fehlern der anderen? (Nicole Weinhold)
Zusammenfassung
Der Entwurf des EEG 2014 stellt gegenüber dem aktuellen EEG insbesondere die Kosteneffizienz in den Vordergrund. Der neue Absatz 2 im EEG 2014 enthält nun das „Ziel, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostrom-verbrauch stetig und kosteneffizient auf mindestens 80 Prozent bis zum Jahr 2050 zu erhöhen.“
Als ein Mittel zur Erzielung der ‚Kosteneffizienz‘ soll gemäß §3, Absatz 5 bis spätes-tens 2017 verbindlich die ‚Förderhöhe‘ des angestrebten Zubaus von rund 6 GW (zu-sammengesetzt aus einem jährlich angestrebten Zubau an Stromerzeugungsanlagen von jeweils 2,5 GW Wind (Nettozubau) und PV, knapp 800 MW offshore und 100 MW Biomasse) durch Ausschreibungen ermittelt werden. Gleichzeitig soll die Akteursviel-falt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gewahrt bleiben.
Auch auf EU-Ebene wird ein solcher ‚Systemwechsel‘ angestrebt: „Different national support schemes need to be rationalised to become more coherent with the internal market, more cost-effective and provide greater legal certainty for investors.” (Europä-ische Kommission 2014 , S. 7) In diesem Zusammenhang strebt auch die EU-Kom-mission und insbesondere die Generaldirektion Wettbewerb eine weitgehende Nut-zung ‚marktkonformer‘ Mechanismen, und dabei insbesondere Ausschreibungen an.
Die Befürworter von Ausschreibungen führen insbesondere zwei Gründe für deren Vorteilhaftigkeit gegenüber anderen Instrumenten ins Feld: zum einen ihre vermeint-lich höhere (statische) ökonomische Effizienz im Vergleich zur administrativen Festle-gung von Zahlungsströmen, zum anderen die Annahme, die Finanzierung erneuerba-rer Energien könnte durch Ausschreibungen sachgerechter über ‚den Markt‘ bestimmt werden, und weniger vom Ruch des Hinterzimmer-Lobbyismus und möglicher ‚Deals‘ zu Lasten Dritter belastet sein.
Von Seiten des Gesetzgebers wird bekräftigt, dass die Kosteneffizienz nicht das ein-zige Ziel im Rahmen der Modifikation der Gesetzgebung bzgl. des Ausbaus der erneu-erbaren Stromerzeugung sein soll. Die Erreichung der EE- und Umweltziele selbst soll gewährleistet werden, aber auch weitere, wie die Akteursvielfalt oder die Rechtssicher-heit für Investoren.
Diese verschiedenen Ziele zeigen, dass die Energiewende mehr ist und mehr sein soll als ein buchhalterischer Abgleich von Einnahmen und Ausgaben: Die Energiewende ist ein gesellschaftliches Zukunftsprojekt, das die Beteiligung vieler Menschen benötigt und für das die entsprechenden Voraussetzungen bestehen müssen, damit diese sich an ihr beteiligen können und wollen und damit zu ihrem Gelingen beitragen.
Die Einführung und Umsetzung von Ausschreibungen statt der bislang praktizierten festen Einspeisevergütungen oder anstelle von Prämienmodellen, deren Prämie ad-ministrativ festgelegt wird, sollten letztendlich genau diesem Anspruch genügen: Sie müssen Teil der vielfältigen Rahmenbedingungen sein, die die Energiewende zum Er-folg führen können.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Ausschreibungsverfahren bzw. die damit verbundenen Auktionen bis dato kaum die ihnen zugesprochenen positiven Effekte aufweisen, dafür aber erhebliche Fragen bei der praktischen Umsetzung aufwerfen:
- Bereits das Auktionsdesign stellt eine wesentliche Herausforderung dar, da selbst geringfügige Fehlentscheidungen weitreichende Folgen zeitigen können.
- Sollen Ausschreibungsverfahren zur Umsetzung energiepolitischer Ziele ge-nutzt werden, muss zuerst klar definiert werden, welches die jeweils angestreb-ten energiepolitischen Ziele sind.
- Bei der Konzeption von Ausschreibungsverfahren muss insbesondere darauf geachtet werden, wie die Risikoübernahme zwischen Bieter und nachfragender Institution ausgestaltet wird und welche Auswirkungen dies auf das Bietverhal-ten und die Akteursvielfalt haben kann.
- Der Zwiespalt zwischen hohen Anforderungen an mögliche Bieter, damit der Auktionator sicher sein kann, dass möglichst viele der kontrahierten Anlagen auch wirklich gebaut werden, und den hohen Aufwendungen, die im Fall eines Misserfolges zu ‚sunk costs‘ für den Bieter werden, muss gelöst werden.
Am Beispiel Frankreichs konnte gezeigt werden, dass bereits für die Er-arbeitung eines Dossiers für eine PV-Dachanlage zwischen 100-250 kWp mehrere Wochen Arbeit notwendig sind. Somit werden an diesen Ausschreibungen nur solche Bieter teilnehmen, die sich den Aufwand und dieses Risiko von späteren ‚sunk costs‘ leisten können und wollen. Dieses Risiko wäre bei Windenergie, aber auch bei Biogasanlagen, Ge-othermie oder Wasserkraft aufgrund der weitaus längeren Genehmi-gungsverfahren und -anforderungen um ein Vielfaches höher.
Das Beispiel der Niederlande lässt derzeit viele Fragen offen, warum bis-lang die Umsetzungsrate pro Jahr und Technologie so unterschiedlich ist und weswegen die kontrahierten Bieter ihre Anlagen nicht gebaut haben.
- Damit verbunden zeichnen sich starke Veränderungen der Akteursstruktur bei den Investoren in EE-Anlagen ab: Viele kleine und mittlere Akteure, die bislang die EEG-Anlagen in Deutschland mehrheitlich finanziert haben, würden mit ho-her Wahrscheinlichkeit keine Chance zur Marktteilnahme haben. Dies zeigt sich sowohl bei den generellen Untersuchungen von Auktionsdesigns als auch den praktischen Erfahrungen in vielen Ländern, die bereits Ausschreibungsverfah-ren durchgeführt haben.
2 (Leuphana/ Nestle 2014, S. 84f) halten bei Windparks durchaus Kosten in Höhe sechsstelliger Beträge für die notwendigen Vorarbeiten zur Teilnahme an einer Auktion für möglich.
- Nicht zuletzt zeigt das Beispiel Frankreichs, dass die Vergütungszahlungen an die kontrahierten Bieter offensichtlich weniger geeignet erscheinen, die Kosten-senkungspotentiale innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette auszuschöp-fen, als die dynamische Degression im Rahmen des bestehenden EEG.
Die Studie zeigt, dass eine erfolgreiche Umsetzung von Ausschreibungen als ein Puzzle aufgefasst werden kann, bei dem im Idealfall alle Teile ineinandergreifen und sich zu einem vollständigen Gefüge ergänzen. Zwischen den drei Teilzielen und ihren einzelnen Determinanten bestehen jedoch auch Zielkonflikte, von denen heute nicht klar ist, wie sie zufriedenstellend aufgelöst werden können, so dass sich das ‚Puzzle‘ möglicherweise gar nicht zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen lässt. Aus heutiger Sicht ist nicht eindeutig auszumachen, welche Kombination der Teile zusam-men passt und ob sich die Umsetzung der Zieltrias damit erreichen lässt.
Die Studie zeigt weiter, dass im Besonderen die heute bestehende Akteursvielfalt durch zusätzliche Kosten und Risiken, die durch Ausschreibungen entstehen können, sowie durch vorliegende Skaleneffekte bei den Kosten der Teilnahme an den Teilmärk-ten des Stromsektors, die eindeutig größeren Unternehmen einen Vorteil verschaffen, gefährdet wird. Der Verlust der Akteursvielfalt kann aber für das Gelingen der Ener-giewende besonders nachteilig werden.
Die beträchtlichen Ausbauziele (rund 6 GW Nettozubau pro Jahr) benötigen viele Ak-teure, die dazu beitragen, sei es als (private) Investoren, als Planer oder Installateure:
- Bereits im Bereich der Kapitalgeber (ob als Einzeleigentümer, als Bürgerener-giegenossenschaft bzw. in der verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung) zeichnet die Bürgerenergie im Jahr 2012 im weiteren Sinne für knapp die Hälfte der installierten Leistung bzw. für knapp ein Drittel des investierten Kapitals ver-antwortlich. (vgl. Leuphana/ Nestle 2014, S. 8 und 14)
- Gerade diese Partizipationsmöglichkeit sollte als wichtiger Pfeiler der Akzep-tanzsicherung für den Bau der Anlagen und die Übernahme der Kosten durch die Stromendnutzer nicht unterschätzt werden.
- Die Struktur der in der Bundesrepublik gebauten Anlagen zur Erzeugung von Strom aus EE ist durchweg als ‚heterogen‘ und eher kleinteilig zu bezeichnen. Bei Windenergie z. B. liegen keine exakten Angaben zur durchschnittlichen Windparkgröße oder zur Anzahl der Anlagen pro Windpark vor, eine stichpro-benartige Auswertung der Daten der ÜNB lässt aber darauf schließen, dass auch die in den Jahren 2011 und 2012 gebauten Windparks in der Bundesre-publik im Mittelwert und im Median weniger als 5 Anlagen besitzen und deren installierte Leistung im Schnitt klar im einstelligen Megawattbereich liegt. Dies hat sicherlich für die einzelnen Energieträger unterschiedlich zu gewichtende Gründe (nutzbare Dachflächen, hohe Besiedlungsdichte der Bundesrepublik, Verfügbarkeit, Transportkostenstruktur und langfristige Sicherung biogener Energieträger oder das Dargebot an Fließenergie bei Laufwasserkraftwerken etc.). Viele dieser Faktoren sind jedoch nicht mittels einer anderen Vergütungs-struktur (Ausschreibungen statt fester Einspeisetarife) veränderbar. Ausschrei-bungen würden vor allem dazu führen, dass höhere Transaktionskosten für je-den Neubau generiert würden. Zusätzlich zum Risiko der sunk costs wird dies die Investitionsbereitschaft der Bürger in EE weiter abschwächen.
- Gerade eine hohe Zahl heterogener Unternehmen aller Wertschöpfungsstufen bietet bessere Voraussetzungen dafür, dass notwendige technische und pro-zessuale Innovationen durch den Wettbewerb untereinander entstehen, als eine kleine Anzahl Unternehmen, insbesondere wenn diese die gleiche vertikale Integration über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen hinweg besitzen. Gerade ein solcher Konzentrationsprozess kann zu vermachteten Marktstruk-turen und zu Markteintrittsbarrieren für neue Unternehmen führen (vgl. Mono-polkommission 2007, S. 85).
- Weiterhin darf auch die Rolle einer hohen Anzahl an Akteuren für die technolo-gische Weiterentwicklung der bei weitem noch nicht im Reifestadium befindli-chen EE-Technologien nicht unterschätzt werden.
Im Rahmen dieser Studie wird aufgezeigt, dass die beiden wesentlichen Argumente für den Einsatz von Ausschreibungen bis dato nicht überzeugen:
Die theoretische Hauptmotivation für Ausschreibungen – die (statische) ökonomische Effizienz - ist bislang im Bereich des EE-Ausbaus weder nachgewiesen noch kann sie als alleiniges Bewertungskriterium für die Eignung von Finanzierungsmodellen dienen und muss in einen umfassenderen Kriterienkatalog eingebettet werden.
Die zweite Motivation für Ausschreibungen – die Befreiung der Politik vom Verdacht der Lobbyistenwillfährigkeit - stellt ebenso wenig einen unbedingten Grund für einen ‚Systemwechsel‘ dar. Die Festlegung von Vergütungshöhen lässt sich durchaus auch mit einem transparenteren, flexibleren Prozess mit kostenbasierten zeitnahen Anpas-sungsmechanismen kombinieren, ohne dass darunter die Erschließung von Kosten-senkungspotentialen leiden muss.
Auch gilt es abzuwägen, inwieweit man Entscheidungen der Legislative, die klaren Prozessregeln bezüglich ihrer Erarbeitung, der Transparenz und der gerichtlichen Ein-klagbarkeit unterliegen, durch eine äußerst komplexe Regelsetzung ablösen will. Letzt-lich bedeutet die Umstellung vom heutigen System hin zu Ausschreibungen, dass der komplette Ausschreibungsmechanismus (wohl zusätzlich noch technologiedifferen-ziert) festgelegt werden muss. (Vgl. Abbildung 3).
Wenn Ausschreibungen dazu dienen sollen, die Zieltrias des EEG zu erfüllen, müssen vor einer generalisierten Ausschreibung wissenschaftlich begleitete Erfahrungen vor-liegen bzw. ausreichend repräsentativ ausgestaltete Pilotvorhaben umgesetzt werden, in denen nachgewiesen wird, ob und unter welchen Bedingungen die Erreichung der
EEG-Ziele sicher gestellt bleibt. Die in den EU-Energie-Beihilferichtlinien genannten de-Minimis-Regeln sowie die dort bereits (vgl. EEAG vom 08.04.2014, Rn. 127, Abs. 1, Satz 2, Alinea (i) – (iii)) zitierten Gründe, warum Ausschreibungen zu suboptimalen Ergebnissen führen können, sollten dabei besondere Beachtung finden.
Die ausländischen Erfahrungen zeigen, dass Ausbauziele mittels Ausschreibungen auch unterschritten werden oder im Fall von ‚underbidding‘ und resultierender Markt-konzentration mittelfristig gefährdet sein können.
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Erkenntnisse dieser Studie erscheint eine vorschnelle Einführung von Ausschreibungen nicht sachgerecht und erfordert auf-grund der erheblichen Ausgestaltungs- und Parametrierungsfragen eine ausreichend lange Erprobungs- und Evaluierungszeit. Erst danach kann eine fundierte Entschei-dung für oder gegen die umfassende Einführung von Ausschreibungen als energiepo-litisches Instrument getroffen werden.