Herr Baake, Ihr Haus hat lange an den ersten PV-Ausschreibungen gefeilt. Gebote können noch bis 15. April abgegeben werden. Bitte beenden Sie diesen Satz: Ich bin zufrieden mit den PV-Ausschreibungen, weil…
Baake: …wir damit sicherstellen, dass die Akteursvielfalt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien erhalten bleibt und wir jetzt umsteigen von politisch festgelegten Preisen hin zu einem Wettbewerbssystem.
Brickwedde: Wir befürchten, dass mit dieser Ausschreibung alle drei Ziele, die man sich gesetzt hat, verfehlt werden: dass der Strom teurer wird, die Ausbaumengen nicht erreicht werden und die Akteursvielfalt schrumpft.
Baake: Die Akteursvielfalt ist ein besonderes Markenzeichen der deutschen Energiewende. Ich kenne kein anderes Land auf der Welt, wo Privatpersonen, Genossenschaften, kleine Unternehmen, einen ähnlichen hohen Anteil am Ausbau erneuerbarer Energien haben wie in Deutschland. Diese Akteursvielfalt wollen wir erhalten.
Aber die Energiewende ist jetzt in einer neuen Phase. Als wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 geschaffen haben, ging es um Technologieförderung. Nach einer enormen Erfolgsgeschichte, sind die Erneuerbaren in nur 15 Jahren zur stärksten Säule unserer Stromversorgung geworden. Jetzt geht es darum, ein neues Stromsystem zu schaffen, das mit wachsenden Anteilen fluktuierender Produktion aus Windkraft und PV umgehen kann. In einem solchen Strommarkt muss Wettbewerb die Grundregel sein. Wer Strom produziert, muss ihn auch in eigener Verantwortung vermarkten.
Und wie könnten die Bürger also partizipieren?
Baake: Schauen Sie sich doch bitte die veröffentlichten Bedingungen zur Teilnahme an der Pilot- Ausschreibung für PV-Freiflächenanlagen an. Sie müssen sich mit Namen und Adresse identifizieren und Ihr Projekt beschreiben. Sie brauchen einen einfachen Aufstellungsbeschluss der Gemeinde für einen Bebauungsplan. Und Sie müssen eine Sicherheit hinterlegen. Durch diese Anforderungen wird niemand überfordert. Genossenschaften, die vor Ort gut verankert sind, können sogar Vorteile gegenüber externen Investoren haben, wenn es darum geht, das Gemeindeparlament zu überzeugen.
Dennoch wird es schwierig, im Preiswettbewerb mit großen Konzernen mitzuhalten.
Baake: Es ist nicht die Aufgabe von Politik zugunsten einzelner Akteure in den Wettbewerb einzugreifen. Im EEG haben wir immer gleiche Bedingungen für alle Akteure gehabt. Trotzdem ist diese Akteursvielfalt hier in Deutschland entstanden.
Brickwedde: Wir hatten nicht immer Wettbewerb in Deutschland. Es gab ein Oligopol und auch regionale Monopole. Wir können froh sein, dass es jetzt mehr Wettbewerb durch die Akteursvielfalt gibt. Wir stehen aktuell bei ungefähr anderthalb Millionen geförderter EEG-Anlagen und haben unter anderem rund 900 Bürgerenergiegenossenschaften. Die Frage ist, ob im Ausschreibungssystem diese Bürgerenergiegesellschaften noch zum Zuge kommen. Sie müssen große finanzielle Risiken in einer langen Vorlaufzeit schultern. Wer nicht zum Zuge kommt, hat über die Vorlaufkosten bereits eine Fehlinvestition von mehreren 100.000 Euro getätigt. Für eine Bürgerenergiegesellschaft kann das das Aus bedeuten. Viele Genossenschaften werden sich erst gar nicht beteiligen. Deshalb unsere Prognose: Wir werden weder die Mengen noch die Ausbauziele erreichen.
In England, Luxemburg, Irland und Portugal sind alle Ausschreibungen gescheitert und wurden von den Ländern zurück genommen. In Frankreich haben sie Preissteigerungen erwirkt und in den Niederlanden ebenso Verfehlungen der Ausbauziele. Woher kommt IhrOptimismus , dass Ausschreibungen für Deutschland Fortschritt bedeuten?
Baake: Ich glaube, dass Ihre Behauptungen nicht stimmen. Wir hätten möglicherweise mehrere 100.000 Euro Vorlaufkosten, wenn wir als Teilnahmebedingung an der Ausschreibung Genehmigungen für die Projekte verlangt hätten. Genau das machen wir ja grade nicht. Wir verlangen lediglich einen Aufstellungsbeschluss der Gemeinde. Die Branche der Erneuerbaren muss sich darauf einstellen, dass die Politik sie zukünftig nicht vor Wettbewerb schützen wird. Zu glauben, dass der Deutsche Bundestag die Preise für erneuerbaren Strom auch dann noch festsetzen wird, wenn dessen Anteil schon bald die 30 Prozentüberschreitet, ist abenteuerlich. So wird die Energiewende nicht zum Erfolgsprojekt. Dazu will ich sie aber machen.
Wie will man die Akzeptanz der Bürger aufrechterhalten, wenn sie ausgeschlossen werden?
Baake: Wer wird ausgeschlossen? Wir können von Berlin aus keine Mikrosteuerung in den Gemeinden machen. Wir schaffen die Rahmenbedingungen. Und es ist die Verantwortung der Akteure vor Ort, für ihre Projekte die notwendige Akzeptanz zu schaffen. Im Jahr 2000 hat niemand von uns, die bei diesem Interview um den Tisch versammelt sind, es für möglich erachtet, dass wir 2014 bei einem Anteil von 27 Prozent Erneuerbaren landen würden. Wenn es in der Bevölkerung keine Akzeptanz gegeben hätte, wäre diese Entwicklung gar nicht möglich gewesen.
Brickwedde: Der Wettbewerbsgedanke ist uns vom Ansatz her sympathisch. Doch mit welchem Instrument erreichen wir Kosteneffizienz? Wir haben schon jetzt die dynamische Degression. Sie bewirkt, dassmit steigender Menge der Erneuerbaren Energien die Vergütungen sinken. Wir erreichen Ausbaumengen, die durch die Vorgaben für den jährlichen Ausbau von je 2.500 Megawatt bei Wind und PV leider unnötig begrenzt werden. . Bei all dem haben wir eine Vielfalt der Akteure am Markt. Die drei Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, werden erreicht. Wie aber könnten sie über Ausschreibungen besser erreicht werden? Ich kenne keine positiven Beispiele in ganz Europa.
Baake: Ich teile Ihre positive Einschätzung der Wirkung des EEG 2014. Die EEG-Umlage ist stabilisiert, der Streit darüber verstummt. Dass der BEE das heute auch so sieht, freut mich, weil die Reform ja gegen dessen heftigen Protest zustande gekommen ist. Zweitens: Ich stimme Ihnen zu, es hat weltweit betrachtet bei der Erprobung von Ausschreibungssystemen Fehler gegeben. Wir wollen aus diesen Fehlern lernen. Wenn wir zukünftig ein Wettbewerbssystem statt politisch festgesetzter Preise wollen, kommen wir aber um Ausschreibungen nicht herum.
Anfänglich wurde ja betont, es handele sich jetzt bei der PV um Testausschreibungen. Heißt das, wenn alles schief geht, wenden wir uns von Ausschreibungen ab?
Baake: Wenn wir feststellen, dass bei den Ausschreibungs-Piloten bestimmte Elemente noch nicht optimal gestaltet sind, werden wir sie verbessern. Aber wir werden in Richtung Wettbewerb und Ausschreibungen gehen. Daran sollte niemand zweifeln.
Brickwedde: Ist es denn auch ein Wettbewerb im voll umfänglichen Sinne, wenn ich gar nicht alle Flächen in diesen Wettbewerb einbringen kann?
Baake: Die Flächenkulisse ist einer der Punkte, über die wir innerhalb der Regierung heftig diskutiert haben. Und es ist bekannt, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine breite Flächenauswahl wollte, weil viel Auswahl viel Wettbewerb bedeutet. Wir haben hier mit dem Landwirtschaftsminister einige schwierige Kompromisse schließen müssen. Die Pilotausschreibung wird jetzt zeigen, ob die Flächenkulisse ausreicht oder nicht.
Herr Brickwedde, brauchen wir die Ackerflächen für PV? Haben wir nicht genug Konversionsflächen, die vielleicht näher am Verbraucher liegen?
Brickwedde: Für PV-Freiflächenanlagen möchten wir die günstigsten Flächen, das können auch ertragsschwächere Ackerflächen sein. So schaffen wir die Basis für einen umfassenden und interessanten Wettbewerb. Das Gespräch moderierten Sven Ullrich und Nicole Weinhold.
In der April-Ausgabe des Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN finden Sie das Hauptgespräch zwischen Baake und Brickwedde, das sich auf die künftigen Ausschreibungen auch für Windenergie on- und offshore bezieht. Zum E-Paper geht es hier.