Der Klimawandel ist nur mit der Energiewende zu lösen – das ist in der Gesellschaft mittlerweile angekommen. Und um die Akzeptanz auch lokal zu steigern, versuchen Bund (über Paragraf 6 EEG) und Länder Kommunen und Einwohner direkt zu beteiligen. Die Beteiligungsgesetze von Hessen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern greifen insbesondere auf eine finanzielle Beteiligung oder Entlastung zurück. Die Kommunen werden meist über Paragraf 6 EEG oder ähnliche Ausgleichsabgaben beteiligt. In Brandenburg ist eine jährliche Sonderabgabe von 10.000 Euro je Anlage an die Kommunen zu zahlen, die Mittel müssen zur Akzeptanzsteigerung verwendet werden. Hessen hat eine finanzielle Beteiligung von bis zu 20 Prozent der Pachteinnahmen als „Windenergiedividende“ festgelegt, die frei für kommunale Projekte zur Verfügung steht. Mecklenburg-Vorpommern sieht dagegen grundsätzlich eine Beteiligung von Bürger:innen und Kommunen durch Anteilserwerb an Projektgesellschaften vor. Da mit dem Kauf jedoch alle Gewinn- und Verlustrisiken einhergehen, wird in der Praxis regelmäßig die Ausnahmeregelung und somit die Beteiligung nach Paragraf 6 EEG 2023 realisiert.
Raum für alternative Beteiligungsmodelle
Was bringen nun die neuen Gesetzesentwürfe von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen? Niedersachsen (Mai 2023) plant eine finanzielle Bürgerbeteiligung mittels Zahlung einer Akzeptanzabgabe für Windenergieanlagen und erstmalig auch für Photovoltaikanlagen. Kommunen sollen verpflichtend nach Paragraf 6 EEG Bürger:innen durch ein Solarprodukt beteiligen, eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Projektgesellschaft ist alternativ weiter möglich.
In Nordrhein-Westfalen (September 2023) ist vorgesehen, dass Vorhabenträger und Standortgemeinde eine „Beteiligungsvereinbarung“ beschließen. Das kann eine Beteiligung an der Projektgesellschaft über Anlageprodukte sein, ebenso vergünstigte lokale Stromtarife, Sparprodukte oder pauschale Zahlungen an Anwohner bis hin zur Finanzierung einer gemeinnützigen Stiftung.
Diese Gesetzesentwürfe greifen vor allem vorhandene Ideen auf. Einzig in Thüringen (Juni 2023) sollen auf Wunsch der Gemeinde auch innovative Beteiligungsmodelle umgesetzt werden können: Mit einer finanziellen Unterstützung für ein lokales Wärmenetz durch jährliche Schenkungen oder der direkten Stromlieferung an örtliche Gewerbe, Industrie sowie gemeindliche Einrichtungen könnte das Land eine Beteiligung schaffen, die für die Einwohner direkt spürbar ist.
Energiewende mit Bürgern und Kommunen
Doch auf neue Gesetze müssen Kommunen nicht warten. Sie haben schon heute die Möglichkeit, die genannten, aber auch alternative Formen von Beteiligungsmodellen vertraglich umzusetzen und maßgeschneiderte Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung zu realisieren. Das Thüringer Modell eines lokalen Wärmenetzes ist dabei nur eine Möglichkeit von vielen.
Sinnvoll ist es in jedem Falle: Denn die Beteiligung durch Gesetz oder auf Eigeninitiative der Kommunen kann die regionale Wertschöpfung stärken, neue Arbeitsplätze schaffen und damit die Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien erhöhen – wenn sie die richtigen Stellschrauben adressiert.
Autor:
Martin Maslaton, geschäftsführender Gesellschafter der Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die sich mit Fragen des Rechts der erneuerbaren Energien befasst
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