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Koalitionsverhandlungen

CO2-Preis könnte marktwirtschaftliches Zugpferd der Energiewende werden

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) appelliert derzeit in einem neuen Positionspapier an die Verhandlungspartner, "noch einmal die Implementierung marktwirtschaftlicher Lösungen für die Energiewende zu diskutieren." Der CO2-Preis spiele in Deutschland auf den Märkten weiterhin entweder keine (Wärme amp; Verkehr) oder lediglich eine marginale Rolle, gibt der generativ-Dachverband zu bedenken. "Im Stromsektor bildet der Emissionshandel nur rund zehn Prozent der CO2-Kosten ab." Die aufkommensneutrale CO2-Bepreisung – insbesondere im Wärme und Stromsektor - solle deshalb in den Koalitionsverhandlungen behandelt werden. Mindestens solle in einer der vorgesehenen Kommissionen explizit die Prüfung dieser marktwirtschaftlichen Lösungsansätze erfolgen.

Werde ein substantieller CO2-Preis glaubhaft angekündigt, würden die CO2-Emissionen insgesamt effektiv verringert - das fand jetzt ein Team von Energie-Ökonomen heraus. „Starke zukünftige Klimapolitik kann Emissionen reduzieren, sogar bevor sie in Kraft tritt, wenn sie glaubwürdig angekündigt wird“, sagt Leitautor Nico Bauer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das Pariser Klima-Abkommen ist kurzfristig eher schwach; langfristig aber wird es wegen der von den fast 200 Ländern vereinbarten Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellem Zeitalter erhebliche Emissionsminderungen erfordern. „Unsere Studie zeigt, dass Investoren bereits zehn Jahre vor der Einführung einer vorher beschlossenen CO2-Bepreisung damit beginnen, ihr Geld aus der Kohle-Industrie abzuziehen“, sagt Bauer. „Wenn Investoren bewusst wird, dass der Zeitraum, in dem mit Kohle-Kraftwerken Geld verdient werden kann, durch zukünftige Klimapolitik verkürzt wird, dann scheuen sie vor Investitionen in diesem Sektor zurück. Sobald die Investoren ihr Geld aus der Kohle-Industrie abziehen, können die CO2-Emissionen um 5 bis 20 Prozent sinken und zwar bevor die CO2-Bepreisung eingeführt wird. Die Stärke des Effekts hängt maßgeblich von der Höhe der zukünftigen CO2-Bepreisung ab.“

Kohle sei besonders anfällig für CO2-Bepreisung. „Schon bei einem Preis von 20 US-Dollar pro Tonne CO2 verdoppeln sch die Kosten der Kohlenutzung“, sagt Ko-Autor Christophe McGlade vom University College London (UCL) und der Internationalen Energieagentur (IEA). „Investoren in der Energiewirtschaft erkennen, dass Kohlekraftwerke bei einer wirkungsvollen CO2-Bepreisung nicht mehr wettbewerbsfähig sind, und schichten ihre Investitionen um in Richtung weniger emissionsintensiver Elektrizitätserzeugung.“ McGlade fügt hinzu: „Öl reagiert weniger sensibel auf eine CO2-Bepreisung als Kohle. Unsere Studie zeigt, dass der Effekt des grünen Paradox auf dem Ölmarkt durchaus auftreten kann, da Inhaber großer Ölreserven die heutige Produktion in die Höhe treiben, weil sie Angst vor dem Verlust ihrer Vermögenswerte in der Zukunft haben. Dieser Effekt ist wahrscheinlich jedoch sehr viel kleiner als die Wirkung des Divestment, welche die Nutzung von Kohle reduziert.“

Computersimulationen mit verschiedenen CO2-Preisniveaus bis zum Jahr 2050 zeigten durchgängig 25 bis 300 US-Dollar pro Tonne CO2 bei einem mittleren Szenario von 100 US-Dollar. "Diese haben wir mit verschiedenen Szenarien der zeitlichen Verzögerung eingeführt, um unterschiedliche Szenarien des Nachdrucks und der Glaubwürdigkeit der Klimapolitik darzustellen, und um zu sehen, wie die Märkte für fossile Brennstoffe in Erwartung einer solchen Klimapolitik reagieren", sagt Ko-Autor Jérôme Hilaire vom PIK und dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC).„Dadurch sollen Unsicherheiten berücksichtigt werden. Aber es hat sich gezeigt, dass in fast allen untersuchten Fällen der Divestmenteffekt den Green Paradox-Effekt überbietet." Im Ergebnis verringere sich die Gesamtemissionen stets. Nur wenn die CO2-Bepreisung sehr spät beginnen würde, zum Beispiel nicht vor 2050, und auf sehr niedrigen Niveau, führten die Marktkräfte in der Zeit vor Inkrafttreten der Regulierung zu einem Anstieg der CO2-Emissionen statt zu einem Rückgang.

Immer mehr Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter fordern einen wirksamen CO2-Preis, um die Energiewende erfolgreich fortzuführen. Der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen erklärte gegenüber dem Handelsblatt: „Wir müssen weg von Subventionen und Technologiesteuerung.” Auf diesem Weg sei ein CO2-Mindestpreis das Mittel der Wahl. „Es bedarf einer Sogwirkung, damit es zu einer Umstellung auf einen Mindestpreis kommt. Wir werben gegenüber den politischen Parteien dafür.” „Die Einhaltung der Klimaziele ist nicht nur dringend geboten, sondern auch realisierbar, wenn die notwendigen Maßnahmen zügig und konsequent umgesetzt werden“, gibt auch Michael Nelles, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) zu bedenken.

Der BEE ruft die Koalition in seinem Positionspapier abschließend auf, "bereits in der Präambel zu einem Koalitionsvertrag in der 19. Legislaturperiode auf die Herausforderungen der Energiewende und der Umsetzung international eingegangenen Verpflichtungen zum Klimaschutz hinzuweisen." Es sei für Deutschland Chance und Herausforderung zugleich, die nächste Phase der Energiewende erfolgreich zu gestalten. "Die Partnerschaft von immer leistungsfähigeren erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen und hochinnovativen Produkten der digitalen Wirtschaft garantiert die nötige Versorgungssicherheit für eine zunehmend saubere, fluktuierende, aber auch dezentraler organisierte Energieerzeugung." (Nicole Weinhold)