Tilman Weber
Das niederländisch-deutsche Joint Venture German LNG Terminal GmbH kündigt für 13. und 20. Februar in Brunsbüttel jeweils als Abendveranstaltung eine „frühzeitige Bürgerbeteiligung“ zum geplanten Terminal an: In der Elbestadt soll bis 2022 die von der Bundes- wie Landesregierung Schleswig-Holstein unterstützte erste Anliefer-, Lager- und Distributionsstätte für Flüssigerdgas in Deutschland entstehen. Brunsbüttel war der Standort des 2007 nach mehreren Pannen abgeschalteten Kernkraftwerkes, das noch vor Beginn des deutschen Atomenergieausstiegs von seinem Betreiber Vattenfall aufgegeben worden war. Mit dem Terminal könnte der Standort eine neue Aufgabe erhalten. Zur LNG Terminal GmbH gehören die niederländischen Unternehmen Gasunie und Vopak sowie die zur Hamburger Marquard & Bahls AG zählende Oiltanking GmbH. Das Joint Venture will das Terminal betreiben.
Brünsbüttel: Gegner und Befürworter eines LNG-Speichers organisieren Anhörung
Die beiden Anhörungen oder Bürgerbeteiligungsveranstaltungen organisiert die Venture German LNG Terminal aber zusammen mit dem sogenannten Klimabündnis als Partner. Dabei handelt es sich um die Organisation der Gegner des Terminals: Das Klimabündnis bündelt seit Oktober eine breite Allianz von inzwischen 50 Umwelt-, Natur- und Klimaschutzorganisationen, Initiativen von Bürgern oder auch Ärzten, die sich gegen das Projekt wegen seiner befürchteten negativen Auswirkungen für die Umwelt wenden. Auch in Niedersachsen hat sich ein ähnliches Bündnis gegen Vorstöße für ein LNG-Terminal gegründet. In den Abendveranstaltungen im „Elbeforum Brunsbüttel“ jeweils ab 19 Uhr sollen Referenten beider Seiten sowohl über die Auswirkungen aufs Klima, als auch über geplante technische Ausstattungen des Terminals informieren. Außerdem sollten die Bürger in Diskussionen zu Wort kommen, betonte LNG Terminal in einer Mitteilung.
Die Technologie des Liquified Natural Gas (LNG) – wie das Flüssigerdgas im Fachenglisch heißt – setzt auf ein Verfahren, das Erdgas auf tiefe Minustemperaturen kühlt, unter hohen Druck setzt und es dabei verflüssigt. Die Anlieferung des Gases erfolgt durch Schiffstanker, die in Kühlkammern das Flüssiggas einschließen und es am Terminal einspeisen. Um es bei Nachfrage und Bedarf schließlich zu verteilen, muss die Anlage das Gas wieder erwärmen und in den gasförmigen Zustand zurückversetzen, ehe es sich in die Gasversorgungsnetze einspeisen lässt.
Starker Druck auf Öffentlichkeit und Politik
Die Befürworter einer breiten sogar europaweiten Einführung eines Versorgungssystems mit LNG erhöhen seit Monaten den Druck auf Öffentlichkeit und Politik. Zuvorderst sind dies die USA, die als Hauptlieferant des LNG bereit stehen. Sie wollen die aufwendige Förderung des unter gewöhnlichen Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt viel zu teuren Rohstoffs damit doch noch versilbern – und Europa als zentralen Abnehmer gewinnen. Zugleich wollen sie den außenpolitischen Rivalen der USA, Russland, als wichtigen Lieferanten ausschalten. Freilich sind mittlerweile auch Russland und China auf den Zug aufgesprungen und bauen ihrerseits LNG-Infrastruktur zur Belieferung Europas mit Flüssggas aus.
Aber auch Gasunternehmen, Speditionen, Redereien und Schifffahrtsunternehmen verkünden nun im Wochentakt neue Pilotvorhaben zur Betankung von Fahrzeugen und Schiffen mit LNG als Treibstoff. Dabei ist der Tenor stets derselbe: Dank Flüssigerdgas stießen die Fahrzeuge weniger CO2 aus als die herkömmlich mit Öl und Diesel betankten Vehikel. Sie schonten damit das Klima.
Die LNG-Freundlichkeit resultiert nicht zuletzt aus einer neu eingeführten Befreiung für LNG-Lastwagen von der LKW-Maut sowie aus Zuschüssen zum Umstieg auf die neue Technologie pro Fahrzeug. Dies hat die Bundesregierung bereits eingeführt.
Neuer "grüner" Antrieb für Kreuzfahrtschiff und LKW
Zu den jüngsten Beispielen gehört das erste mit LNG betriebene Kreuzfahrtschiff Aidanova. Der neue Luxusliner der Rostocker Reederei Aida Cruises ist seit Dezember der erste seiner Art mit Flüssigerdgas im Tank. Nun im Januar wurde bekannt, dass die Reederei auch ein eigenes Tankschiff in Betrieb genommen hat. Die Coral Methane soll künftig das LNG aus dem Terminal im holländischen Rotterdam zu den Anlegestellen der Aidanova wie jüngst in Teneriffa anschippern.
Aber auch die schleswig-holsteinische Netzwerkagentur Erneuerbare Energien EESH veranstaltete zuletzt die Erneuerbare-Energien-Werkstatt genannte Tagung „LNG oder Wasserstoff - Handlungsoptionen für die Logistik-Branche“. Die 80 Teilnehmer, überwiegend aus Lastwagenspeditionen, sollten über die umweltfreundliche Nutzung von LNG in Kombination mit grünem Wasserstoff nachdenken. Dieser Wasserstoff lässt sich durch sogenannte Sektorkopplung aus überschüssigem Wind- oder Sonnenstrom mittels Elektrolyse gewinnen. Er ließe sich in LNG-Tanks nach einer Veredelung zum synthetischen Kraftstoff beimischen, zogen Veranstalter und Referenten am Ende eine positive Bilanz.
Umwelt- und Klimaschützer warnen
Allerdings warnen Umwelt- und Klimaschützer, dass LNG keineswegs dem Klimaschutz dienen kann. Zwar ist der Ausstoß von Stickoxiden im Verkehr sowie von Feinstaub geringer, als beim Fahren mit Diesel. Doch die langen Schiffstransporte für das LNG quer über die Weltmeere hin zu den Terminals oder direkt zum Betanken etwa der Schiffe, außerdem die beim Kühlen und Verflüssigen des Gases und dessen Rückvergasung verbrauchte Energie machen die Vorteile zunichte. Zudem ist die Herkunft des Gases zweifelhaft: Insbesondere die US-Erdgas-Förderung dürfte nach übereinstimmenden Angaben der Experten überwiegend aus Fracking-Gasfeldern stammen: Aus Gesteinsschichten durch chemische Auslösung gepresstes oder geschwemmtes Gas. Diese Förderung ist nicht nur mit einem extremen Flächenverbrauch von Landschaften verbunden, auch soll es zur Freisetzung von mehr Methan als bei üblichen Erdgasfeldern kommen. Methan gilt aber als ein Element, das den Treibhauseffekt und damit die Erderwärmung noch viel mehr antreibt als der gewöhnliche Klimaschadstoff CO2.
Bundeswirtschaftsminister verspricht sich für LNG-Netzanbindung einzusetzen
So warnten schon im vorigen Sommer mehrere internationale Forscher, dass LNG dem Klima und der Umwelt gar nicht nutzt, wenn nicht gar schadet. Doch die Regierung scheint das LNG mit aller Macht durchdrücken zu wollen. Widerruf aus der Opposition im Bundestag ist wenn nur kleinlaut zu vernehmen. Zwar erteilte die Bundesnetzagentur gemäß gesetzlicher Vorgaben einer öffentlichen Förderung des Anschluss des Terminals in Brunsbüttel ans Gasnetz im neuen Netzbedarfsplan bis 2028 eine Absage. Das Joint Venture will aber die Investition für den Gasnetzanschluss nicht selbst tragen. Nun hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier angekündigt Mitte Februar in Gesprächen mit Betroffenen und LNG-Abnehmern eine Lösung zu suchen.