Klimaschutz- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (B9/Grüne) hat in Berlin seine Pläne für die Beschleunigung der Energiewende vorgestellt. Dass diese beschleunigt werden muss, daran lässt er keine Zweifel. Ein zentrales Element ist dabei der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien als Grundlage für die Wärme- und die Verkehrswende.
Das Ziel: 80 Prozent Ökostrom bis 2030
So soll das EEG novelliert werden, damit das Ziel von 80 Prozent Erneuerbare im Netz bis 2030 auch zu schaffen ist. Das will Habeck mit der schrittweisen Erhöhung der Ausschreibungsmengen erreichen, die sich an einem Bruttostromverbrauch von 715 Terawattstunden orientieren. Dies ist der Mittelwert aus 680 und 750 Terawattstunden, also dem Korridor, der im Koalitionsvertrag steht. „Wir werden den Grundsatz verankern, dass der Erneuerbare-Energien-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient“, betont Habeck mit Blick auf die Widerstände gegen den Ausbau der Ökostromanlagen.
Verbesserungen beim Mieterstrom angekündigt
Ein Schwerpunkt ist zudem der Ausbau der Photovoltaik. Dazu will Habeck ein Solarbeschleunigungsgesetz vorlegen. Dieses beinhalte ein breites Bündel an Einzelmaßnahmen. Dazu zählen unter anderem Verbesserungen beim Mieterstrom und eine Solarpflicht für gewerbliche Neubauten. Außerdem solle bei privaten Neubauten die Photovoltaik die Regel werden.
Kleine Anlage von Ausschreibungen befreien
Auch die Ausschreibungsregelungen sollen an die notwendige Beschleunigung des Ausbaus angepasst werden. So soll die Leistung einer Anlage angehoben werden, ab der sie an Ausschreibungen teilnehmen muss. Das ist vor allem für Dachanlagen dringend notwendig. Denn diese müssen derzeit ab einer Leistung von 300 Kilowatt schon an einer Auktion teilnehmen, um einen Einspeisetarif zu bekommen. Zudem soll die Flächenkulisse für die Teilnahme von Solarparkprojekten an Ausschreibungen unter Beachtung von Naturschutzkriterien erweitert werden.
Ausbau der Windenergie beschleunigen
Auch der Ausbau der Windenergie soll schneller vorankommen und gleichzeitig mit dem Artenschutz versöhnt werden. Das soll unter anderem durch ein Wind-an-Land-Gesetz geschehen, in dem zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie reserviert werden. Auch die Abstände zu Wetterradaren und militärischen Einrichtungen sowie Drehfunkfeuern für die Luftfahrnavigation sollen verringert werden. Allein im Bereich dieser Funknavigation seien vier bis fünf Gigawatt Windkraft möglich. Weitere drei bis vier Gigawatt können in der Nähe von militärischen Einrichtungen gebaut werden. Ein zweiter Schwerpunkt ist zudem die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren.
Effiziente Gebäude mit Ökoheizung fördern
Im Gebäudebereich setzt Habeck vor allem Auf Effizienz, die flankiert wird von regenerativ betriebenen Heizungen. So soll in Zusammenarbeit mit dem Bundesbauministerium das Gebäudeenergiegesetz novelliert werden. Zentraler Bestandteil dieser Novelle wird unter anderem eine Überarbeitung der Gebäudestandrads und der Förderung für effiziente Gebäude sein. Ziel sei ein deutlich geringerer Energiebedarf im Neubau und nach der Sanierung. Jede neu eingebaute Heizung muss zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Damit wolle das Wirtschaftsministerium (BMWi) Fehlinvestitionen verhindern. Entsprechend will Habeck die Bundesförderung für effiziente Gebäude anpassen. Sie werde die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes flankieren und bis 2025 den Markt durch effiziente Anreize an diese Schritte heranführen. Mit Blick auf die an die Nah- und Fernwärme angeschlossenen Gebäude will Habeck die Wärmenetze dekarbonisieren.
15 Millionen Elektroautos im Visier
Im Verkehr hat Habeck das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 ausgegeben. Das wäre dann ein Viertel des gesamten Bestandes an Fahrzeugen. Die Förderungen – auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur – sollen zügig entsprechend angepasst werden.
Umstieg auf klimaneutrale Produktion
Auch die Industrie muss ihren Anteil an der Energiewende in allen Sektoren liefern. Dazu will das BMWi die rechtlichen Voraussetzungen für sogenannte Klimaschutzdifferenzverträge ausarbeiten. Damit will Habeck den Umstieg auf klimaneutrale Produktionsverfahren ermöglichen und fördern.
Erste Gesetze bis Ende April novellieren
Diese und weitere vorgestellte Maßnahmen sind aber nur eine erste Auswahl der geplanten Projekte im Rahmen eines Klimaschutz-Sofortprogramms. Dieses soll alle Sektoren auf den Zielpfad bringen, damit Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2030 doch noch erreicht. Bis Ende 2022 sollen alle dafür notwendigen Gesetze und Verordnungen angepasst oder in Kraft sein. Zunächst soll ein erstes Klimaschutzpaket bis Ende April dieses Jahres stehen. Ein zweites soll bis zum Sommer 2022 folgen. „Denn die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend“, begründet Habeck die Notwendigkeit der Anpassungen. „Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden. Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun.“
Habeck hält am Gas fest
Ob dies mit der Ankündigung des Baus neuer Gaskraftwerke gelingt, ist indes fraglich. Auf diese setzt Habeck nicht nur in Form einer Brückentechnologie, sondern er will sogar danach noch Gaskraftwerke einsetzen, um nach dem Kohleausstieg Flexibilitäten im Netz zu behalten, wenn Wind und Photovoltaik nicht genügend Strom liefern. Diese Ankündigung fällt beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft auf fruchtbaren Boden. Die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung weist aber darauf hin, dass diese Kraftwerke künftig aber mit Wasserstoff und damit CO2-neutral betrieben werden müssen.
Wasserstoffproduktion verdoppeln
Entsprechend kündigt Habeck auch eine Anpassung der Maßnahmen an, um die Wasserstofftechnologie noch schneller in den Markt zu bringen. Die Produktion soll im Vergleich zu den bisherigen Plänen verdoppelt werden. Dazu will er die nationale Wasserstoffstrategie noch in diesem Jahr überarbeiten und zusätzliche Förderprogramme auf den Weg bringen.
Lob vom BEE
Bei den Verbänden kommen die Ankündigungen gut an. „Zeitpunkt, Umfang und Inhalt der Präsentation heute machen deutlich, dass die neue Hausspitze im Bundeswirtschafts- und -klimaministerium den dringenden Handlungsbedarf beim Klimaschutz und für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort erkannt hat und den mangelnden Elan der letzten Jahre schnell in eine neue Dynamik umwandeln will“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Der Minister habe deutlich gemacht, dass sich die Zeitfenster für das Erreichen der Klimaziele immer weiter schließen und angesichts steigender Treibhausgasemissionen sofortiges Handeln notwendig sei.
Eile ist geboten
Sie mahnt zur Eile. „Die angekündigten Oster- und Sommerpakete mit eilbedürftigen Gesetzen und Maßnahmen sind wichtige Etappen, um Investitionen für Erneuerbare-Energien-Anlagen und die Kopplung der Sektoren anzureizen. Immer noch bestehen Hemmnisse und Deckel in den Energiegesetzen und fehlen Flächen und Genehmigungen.“ Deshalb kommen die Pläne aus dem BMWi zur richtigen Zeit. „Auch die Ambition, im Stromsektor bereits bis 2035 Klimaneutralität zu erreichen, ist ein wichtiges Signal für den Klimatechnologiestandort. Wir werden diese Vorhaben sowie energiewirtschaftliche Fragen wie die Erarbeitung eines neuen Strommarkts eng begleiten und unterstützen den neuen Kurs ausdrücklich. Eine neue Ära der Energie- und Klimaschutzpolitik hat begonnen“, betont Peter.
Planungsprozesse beschleunigen
Aus Sicht von Kerstin Andreae vom BDEW setzt Habeck die richtigen Schwerpunkte. Damit gibt es die echte Chance, dass die vielen Fesseln und Bremsen gelöst werden, die in der Vergangenheit den dringend notwendigen Erneuerbaren-Ausbau abgewürgt haben“, sagt sie. Für den BDEW sind vor allem die schnellere Genehmigungs- und Planungsprozesse ein entscheidendes Instrument, um den Ausbau zu beschleunigen. „Wenn der Bundesregierung hier ein Durchbruch gelingt, kann das Sofortprogramm ein Meilenstein der Energiewende werden“, betont Andreae.
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